Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch sein Einzelmitglied
Dr. Gerhard Wittmann, über die Berufung des Herrn F H, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R T, Sch-gasse 31, G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldbach vom 14.11.1991, GZ.: 15.1 Bi 30/4 - 91, wegen des Verdachtes zweier Übertretungen nach dem Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetz (im folgenden KJBG) nach einer am 7.9. und 21.9.1993 durchgeführten öffentlichen, mündlichen Verhandlung, wie folgt entschieden:
Bezüglich des Punkt 1.) des angefochtenen Straferkenntnisses wird die Berufung gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (im folgenden VStG) als unbegründet abgewiesen.
Der Spruch des Straferkenntnisses der belangten Behörde im Punkt 1.) wird wie folgt konkretisiert und neu gefaßt:
Das im Betrieb zu führende Verzeichnis jugendlicher Lehrlinge enthielt keine richtigen Aufzeichnungen über die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Die Arbeitsstunden des Lehrlings H S waren am Samstag, den 6.4.1991 von 06.45 Uhr bis 09.50 Uhr, sowie von 10.05 Uhr bis 14.00 Uhr eingetragen. Tatsächlich war das Arbeitsende jedoch schon um 13.00 Uhr und entsprach somit nicht den geführten Aufzeichnungen."
Bezüglich des Punktes 2.) des angefochtenen Straferkenntisses wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren in diesem Punkt gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldbach vom 14.11.1991, GZ.: 15.1 Bi 30/4 - 91, wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe in seiner Eigenschaft als gemäß § 9 VStG bestellter, verantwortlicher Beauftragter der Firma B WarenhandelsAG im Betrieb in der Sch-straße 2 in F nicht dafür gesorgt, daß 1.) das im Betrieb zu führende Verzeichnis jugendlicher Lehrlinge keine Aufzeichnungen über die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden enthalten habe. So sei am 15.4.1991 das Arbeitsende laut den Aufzeichnungen bereits um 19.00 Uhr gewesen, der jugendliche Lehrling H S jedoch bis 21.00 Uhr beschäftigt worden. Am 6.4.1991 habe die Arbeitszeit des Lehrlings laut den Aufzeichnungen von 06.45 Uhr bis 09.50 Uhr und von 10.05 Uhr bis 14.00 Uhr betragen, obwohl der Lehrling tatsächlich nur von 07.00 Uhr bis 13.00 Uhr gearbeitet habe. Diesbezüglich habe der Berufungswerber eine Verwaltungsübertretung gemäß § 26 Abs 1 Z 5 KJBG begangen und wurde über ihn eine Geldstrafe von S 1.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 1 1/2 Tage Ersatzarrest) verhängt. 2.) wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, der Lehrling H S sei am 15.4.1991 bis 21.00 Uhr beschäftigt worden. Dies stelle eine Übertretung des § 17 Abs 1 KJBG dar und wurde über den Berufungswerber eine Verwaltungsstrafe von S 1.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 1 1/2 Tage Ersatzarrest) verhängt. Gegen dieses Straferkenntnis brachte der Berufungswerber fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung ein und führte im wesentlichen aus, daß die Kassenbesprechung am 15.4.1991 in einem nahe gelegenem Gasthaus stattgefunden habe und der Lehrling zuvor aufgefordert worden sei nach Hause zu gehen. Der Lehrling habe jedoch selbst aus Interesse und ohne Verpflichtung gebeten, bei der Kassenbesprechung dabei sein zu dürfen. Dies könne jedoch nicht dem Berufungswerber vorgeworfen werden. Die Arbeitszeiteintragung am 6.4.1991 sei aus Gründen der Lohnverrechnung notwendig gewesen, weil der Lehrling eine zusätzliche Stunde bezahlt bekommen sollte. Daher werde der Antrag gestellt, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Berufungswerber einzustellen.
Am 7.9.1993 wurde die Berufungsverhandlung im Beisein des Berufungswerbers, seines Vertreters, sowie eines Vertreters der mitbeteiligten Partei (Arbeitsinspektorat Leoben - vertreten durch Ing. C) begonnen und die Zeugen H S, E K sowie der anzeigende Arbeitsinspektor Ing. M G einvernommen. Mit der ergänzenden Einvernahme des Bediensteten der Kammer für Arbeiter und Angestellte, M P, wurde am 21.9.1993 die Berufungsverhandlung fortgesetzt und in weiterer Folge abgeschlossen. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens wird folgender Sachverhalt festgestellt:
Der Berufungswerber ist Filialleiter in der Filiale der B WarenhandelsAG in F, Sch-straße 2. Am 23.3.1991 wurde der Berufungswerber zum verantwortlich Beauftragten gemäß § 9 VStG für die B-Filiale in der Sch-straße 2 in F bestellt und ihm unter anderem auch die Verantwortung für die Einhaltung von Dienstnehmerschutzbestimmungen übertragen. Mit seiner Unterschrift stimmte der Berufungswerber seiner Bestellung zu. Im April 1991 waren 9 Dienstnehmer in der B-Filiale in F beschäftigt. Bis auf den Lehrling und die Arbeitskräfte im Obstbereich wurden sämtliche Dienstnehmer auch im Kassenbereich eingesetzt. Gelegentlich werden vom Filialleiter Kassenbesprechungen durchgeführt, insbesondere dann, wenn es um Neuerungen im Kassenbereich geht. Die Kassenbesprechungen wurden entweder in der Filiale oder in einem nahegelegenen Gasthaus durchgeführt. Am 15.4.1991 war nach Dienstschluß eine Kassenbesprechung im nahegelegenen Gasthaus C angesetzt. Der Berufungswerber teilte dem Lehrling H S bereits in der Filiale mit, daß er an der Kassenbesprechung nicht teilnehmen muß. Der Lehrling H S wollte jedoch aus Interesse trotzdem teilnehmen und ersuchte, mitkommen zu dürfen. Die Kassenbesprechung begann um etwa 19.00 Uhr. Nach dem offiziellen Ende der Kassenbesprechung lud der Berufungswerber seine Angestellten noch auf ein Getränk ein und die Teilnehmer der Kassenbesprechung verließen das Gasthaus um etwa 21.00 Uhr. Am Mittwoch, dem 10.4.1991 erhielt die Lehrlings- und Jugendschutzstelle der Kammer für Arbeiter und Angestellte eine telefonische Anfrage, ob Lehrlinge an Kassenbesprechungen verpflichtend teilnehmen müssen. Es handelte sich dabei um einen anonymen Anruf, und wurde dabei auch mitgeteilt, daß in der B-Filiale in F am 15.4.1991 eine derartige Kassenbesprechung stattfinden werde. Am 16.4.1991 - also an dem der Kassenbesprechung folgenden Tag - führte der Arbeitsinspektor Ing. M G eine Kontrolle in der B-Filiale in der Sch-straße 2 in F durch und wurde dabei von M P, einem Bediensteten der Kammer für Arbeiter und Angestellte, begleitet. Zum Kontrollzeitpunkt war der Berufungswerber nicht in der Filiale anwesend. Als Auskunftsperson fungierte beim Kontrollbesuch Frau E K. Im Zuge der Kontrolle wurde dann der Berufungswerber angerufen und schilderte dem Arbeitsinspektor den Ablauf der Kassenbesprechung vom Vortag und erklärte dabei, daß er keine Anordnung für die Teilnahme des jugendlichen Lehrlings H S gegeben habe.
Am Freitag, den 5.4.1991 machte der Lehrling H S eine Stunde weniger Mittagspause. Diese eine Stunde wurde ihm vom Berufungswerber am Samstag, den 6.4.1991 bei seiner Arbeitszeit dazugeschrieben. In den Arbeitszeitaufzeichnungen, die vom Arbeitsinspektor
Ing. G kontrolliert wurden, war am 6.4.1991 als Arbeitszeit die Zeit von 06.45 Uhr bis 09.50 Uhr und 10.05 Uhr bis 14.00 Uhr eingetragen. Der jugendliche Lehrling arbeitete am Samstag den 6.4.1991 jedoch tatsächlich nur bis 13.00 Uhr.
Am Samstag beträgt die Öffnungszeit in der B-Filiale von 07.00 Uhr bis 13.00 Uhr. Die Angestellten kommen meistens bereits um 06.45 Uhr.
Laut der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 19.6.1990, mit der Ausbildungsvorschriften für den Lehrberuf eines Einzelhandelskaufmanns erlassen wurden, ergibt sich, daß ein Einsatz von Lehrlingen im Kassenbereich (Kenntnis der im Betrieb angewandten Kassensysteme, Bedienen der Kasse) erst im dritten Lehrjahr vorgesehen ist. Aus einer Broschüre der Firma B WarenhandelsAG, worin es um das Aus- und Weiterbildungsprogramm für Lehrlinge geht, geht hervor, daß im ersten Lehrjahr und zwar im letzten Drittel dieses ersten Lehrjahres ein eintägiges Kassenseminar vorgesehen ist. Dieses Kassenseminar beinhaltet folgende Punkte: Arbeit an der Kasse, Stellenwert des Kassiers und der richtige Kassiervorgang, Scheckannahme, Zahlung in Fremdwährung etc.
Der festgestellte Sachverhalt stützt sich in erster Linie auf die Angaben des Berufungswerbers, sowie die Aussagen der als Zeugen einvernommenen H S, E K, Ing. M G und M P. Die einzelnen Aussagen stimmten in allen entscheidungs-relevanten Punkten überein. Übereinstimmend wurde vom Berufungswerber als auch von den Zeugen E K und H S angegeben, daß der jugendliche Lehrling H S an der Kassenbesprechung am 15.4.1991 freiwillig und aus eigenem Interesse teilnahm. Die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der die Ausbildungsvorschriften für den Lehrberuf Einzelhandelskaufmann erlassen wurden, sowie das Aus- und Weiterbildungsprogramm für Lehrlinge der Personalentwicklungsabteilung der Firma B WarenhandelsAG wurden von M P im Zuge des gegenständlichen Verfahrens, vorgelegt.
Gemäß § 17 Abs 1 KJBG dürfen Jugendliche in der Nachtzeit von 20.00 Uhr bis 06.00 Uhr nicht beschäftigt werden. Durch die Festlegung eines grundsätzlichen Verbotes der Nachtarbeit für Jugendliche soll mit einer Mindestruhezeit garantiert werden, daß die dem Jugendlichen zur Regeneration seiner Arbeitskraft zur Verfügung stehende Ruhezeit in die Nachtzeit fällt und sich so mit dem natürlichen Lebensrythmus deckt. Im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren war zu prüfen, ob die Teilnahme des jugendlichen Lehrlings H S an der Kassenbesprechung am 15.4.1991 als Arbeitszeit zu qualifizieren ist. Aus dem Ermittlungsverfahren hat sich ergeben, daß der jugendliche Lehrling vom Berufungswerber darauf hingewiesen wurde, daß er an der Kassenbesprechung nicht teilnehmen müsse. Diese Aussage des Berufungswerbers wird auch dadurch untermauert, daß der jugendliche Lehrling H S seine Lehre in der B-Filiale am 15.7.1990 begonnen hat und nach seinen eigenen, glaubwürdigen Angaben im ersten Lehrjahr nicht im Kassenbereich eingesetzt wurde. Es hätte daher tatsächlich keine dienstliche Notwendigkeit bestanden den jugendlichen Lehrling anzuweisen, an der Kassenbesprechung verpflichtend teilzunehmen. Auch die Zeugin E K gab an, daß H S ihr gegenüber erklärte, daß er aus eigenem Interesse an der Kassenbesprechung teilnehmen möchte. Geht man von dieser freiwilligen Teilnahme des Lehrlings aus, so hätte er auch im Zuge der Kassenbesprechung jederzeit die Möglichkeit gehabt, diese zu verlassen und nach Hause zu gehen. Grundsätzlich ist als Arbeitszeit nicht nur die Zeit der tatsächlichen Arbeitsleistung, sondern auch jene Zeit zu werten, während der sich der Arbeitnehmer zur Verfügung des Arbeitgebers halten muß bzw. in der der Arbeitgeber die Freizeit des Arbeitnehmers für seine Zwecke in Anspruch nimmt. Nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren liegen diese Voraussetzungen bezüglich der am 15.4.1991 in Gasthaus C stattgefundenen Kassenbesprechung nicht vor. Daher war das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich des Punktes 2.) zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren in diesem Punkt gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen. Gemäß § 26 Abs 1 KJBG ist in jedem Betrieb, in dem Jugendliche beschäftigt werden, ein Verzeichnis der Jugendlichen zu führen. Das Verzeichnis hat unter anderem die Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung zu enthalten. Da die Teilnahme des Lehrlings H S an der Kassenbesprechung nicht als Arbeitszeit zu qualifizieren ist, wurde das Ende der Arbeitszeit am 15.4.1991 mit 19.00 Uhr richtig eingetragen. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ergab sich auch, daß die Angestellen am Samstag jeweils bereits um etwa 06.45 Uhr in der Filiale eintreffen. Somit kann auch der Vorwurf, daß die Arbeitszeitaufzeichnungen des Lehrlings H S am 6.4.1991 bezüglich des Arbeitsbeginnes mit 06.45 Uhr nicht stimmen würden, nicht aufrecht erhalten werden. Hingegen blieb im Ermittlungsverfahren unbestritten, daß der jugendliche Lehrling H S am 6.4.1991 tatsächlich nur bis 13.00 Uhr arbeitete, jedoch eine Stunde dazugeschrieben wurde und das Arbeitsende offiziell mit 14.00 Uhr eingetragen wurde. Sinn und Zweck des Verzeichnisses gemäß § 26 KJBG ist es, daß den Kontrollorganen durch die Aufzeichnung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung eine effiziente Kontrolle möglich ist. Gegen diese Verpflichtung hat der Berufungswerber - wie er auch selbst einbekannte - verstoßen. Das Argument des Berufungswerbers, dies sei aus lohnverrechnungstechnischen Gründen erforderlich gewesen, entbindet ihn nicht von seiner grundsätzlichen Verpflichtung, richtige Eintragungen bezüglich der Arbeitszeit zu
führen. Somit hat der Berufungswerber eine Verwaltungsübertretung gemäß § 26 Abs 1 KJBG zu verantworten. Gemäß § 19 Abs 2 sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-,Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Als erschwerend war im gegenständlichen Fall nichts, als mildernd die bisherige Unbescholtenheit des Berufungswerbers zu werten. Gemäß § 30 KJBG beträgt der Strafrahmen bei der erstmaligen Übertretung einer Bestimmung des KJBG, S 1.000,-- bis
S 15.000,--. Somit wurde über den Berufungswerber von der belangten Behörde ohnehin nur die Mindeststrafe verhängt. Diese Strafe scheint auch unter Berücksichtigung des Unrechtsgehaltes der Tat und der im Ermittlungsverfahren erhobenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (monatlich netto S 16.000,--, Hälfteeigentümer eines Einfamilienhauses, verheiratet, Sorgepflichten für zwei minderjährige Kinder und seine Gattin, Kreditverbindlichkeiten von S 60.000,--) als durchaus angemessen. Ein Absehen von der Strafe im Sinne des § 21 Abs 1 VStG kam nicht in Betracht, da der Berufungswerber bewußt für den 6.4.1991 beim Lehrling H S ein unrichtiges Arbeitsende eintrug, und daher sein Verschulden diesbezüglich als nicht geringfügig angesehen werden kann.
Gemäß § 64 Abs 2 VStG ist der Beitrag für das Verfahren erster Instanz mit 10 % der verhängten Strafe, für das Berufungsverfahren mit weiteren 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit je S 20,-- zu bemessen.
Gemäß § 65 VStG sind die Kosten des Berufungsverfahrens dem Berufungswerber nicht aufzulegen, wenn der Berufung auch nur teilweise Folge gegeben worden ist. Der § 65 VStG findet unter anderem dann Anwendung, wenn der von der belangten Behörde angenommene strafbare Tatbestand eingeschränkt worden ist (VwGH 27.3.1956, Slg 4028A; 25.10.1978, 75/78). Da im gegenständlichen Berufungsverfahren der Schuldspruch im Punkt
2.) teilweise zugunsten des Berufungswerbers abgeändert wurde, waren ihm Kosten für das Berufungsverfahren nicht aufzuerlegen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.