TE UVS Stmk 1993/10/05 30.11-139/93

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Veröffentlicht am 05.10.1993
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Einzelmitglied

Dr. Gerhard Wittmann über die Berufung des Herrn A K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H G, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 2.2.1993, GZ.:

15.1 1992/568, wie folgt entschieden:

Die Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) dem Grunde nach abgewiesen.

Hinsichtlich der verhängten Strafe wird der Berufung dahingehend Folge gegeben, daß gemäß § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird, und über den Berufungswerber eine Ermahnung ausgesprochen wird.

Text

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 2.2.1993, GZ.: 15.1 1992/568 wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe als Zulassungsbesitzer des LKW mit dem amtlichen Kennzeichen St-808.639 diesen A M zum Lenken überlassen, obwohl dieser keine von der Behörde erteilte Lenkerberechtigung besessen habe. Das Fahrzeug sei am 12.2.1992 um 07.45 Uhr in Sch auf der Gemeindestraße auf Höhe des H-platzes von A M gelenkt worden. Dadurch habe der Berufungswerber eine Verwaltungsübertretung gemäß § 103 Abs 1 Z 3 Kraftfahrgesetz (im folgenden KFG) begangen und wurde über ihn gemäß § 134 Abs 1 KFG eine Geldstrafe von S 2.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 3 Tage Ersatzarrest) verhängt. Gegen dieses Straferkenntnis brachte der Berufungswerber fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung ein und führte im wesentlichen aus, daß ihm A M niemals mitgeteilt habe, daß ihm die Lenkerberechtigung entzogen worden sei. Die belangte Behörde habe die entscheidungswesentlichen Feststellungen alleine auf die Aussage des Zeugen A M gestützt und ihn selbst im ordentlichen Verfahren nicht einvernommen. In seinem Betrieb seien laufend mehr als 20 Arbeitskräfte beschäftigt, weshalb er sich keinesfalls darum kümmern könne, wie seine Arbeitnehmer am Morgen in die Firma und am Abend wieder nach Hause kämen. Im übrigen sei der Dienstgeber auch nicht verpflichtet, von dem Arbeitnehmer vor Antritt jeder Fahrt die neuerliche Vorweisung der Lenkerberechtigung zu verlangen. Eine derartige Verpflichtung würde nur dann bestehen, wenn dem Dienstgeber Umstände bekannt würden, die diesbezügliche Zweifel gerechtfertigt erscheinen ließen. Daher beantrage er das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn einzustellen, in eventu dieses aufzuheben, eine Beweiswiederholung durchzuführen und in weiterer Folge das Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn einzustellen.

Auf Grund einer am 5.10.1993 im Beisein des Berufungswerbers, seines Vertreters sowie einer Vertreterin der belangten Behörde durchgeführten öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung, in deren Verlauf Bezirksinspektor H S, K K, A M und F P als Zeugen einvernommen wurden, wird folgender Sachverhalt festgestellt:

Beim Unternehmen des Berufungswerbers handelt es sich um einen Dachdecker- und Spenglereibetrieb. Im Februar 1992 waren ca. 20 Dienstnehmer beschäftigt und der Fuhrpark umfaßte 15 Dienstfahrzeuge. Für die Personalangelegenheiten im Unternehmen war der Berufungswerber selbst zuständig. Im Jahre 1984 fing A M im Betrieb des Berufungswerbers als Spengler zu arbeiten an. Damals wies er dem Berufungswerber auch seine Lenkerberechtigung vor. Am 4.7.1989 schied A M aus dem Unternehmen des Berufungswerbers aus. Am 15.12.1989 wurde A M der Führerschein entzogen. Eine Wiederausfolgung des Führerscheins ist bis zum heutigen Tag nicht erfolgt. Am 3.9.1990 begann der Berufungswerber wieder im Betrieb des Berufungswerbers zu arbeiten. Zu diesem Zeitpunkt wurde A M vom Berufungswerber nicht darüber befragt, ob er einen Führerschein besitzt. A M wohnt ca. 3 Kilometer vom Betrieb des Berufungswerbers entfernt. Trotz des Führerscheinentzuges fuhr A M in weiterer Folge in der Früh gelegentlich in den Betrieb des Berufungswerbers, manchmal wurde er von Arbeitskollegen mitgenommen. A M erzählte weder dem Berufungswerber noch seinen Arbeitskollegen davon, daß ihm der Führerschein im Jahre 1989 entzogen wurde.

Am 12.2.1992 lenkte A M um 07.45 Uhr das Firmenfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen St-808.639 vom Firmengelände im Ortsgebiet Sch in Richtung St. P im S. Dabei wurde er von Bezirksinspektor H S angehalten. Am Beifahrersitz saß K K. Bei der Lenker- und Fahrzeugkontrolle konnte A M keinen Führerschein vorweisen. Nachdem Bezirksinspektor S A M am 2.4.1992 nochmals angehalten hatte, und dieser wiederum keinen Führerschein vorweisen konnte, stellte er Nachforschungen an, wobei er aufgrund seiner Recherchen feststellen mußte, daß A M über keine gültige Lenkerberechtigung verfügte.

Sämtlichen Partieführern war im Betrieb des Berufungswerbers ein Dienstfahrzeug zugeteilt. Zum Tatzeitpunkt war A M mit K K zusammen unterwegs, wobei K K Partieführer war. K K, der über einen Führerschein verfügt, und A M wechselten sich beim Lenken des Dienstfahrzeuges ab. Nach dem verfahrensgegenständlichen Vorfall veranlaßte der Berufungswerber, daß der Partieführer - wenn er einen Führerschein besitzt - das Dienstfahrzeug zu lenken hat. Der festgestellte Sachverhalt basiert auf den Aussagen des Berufungswerbers, sowie der einvernommenen Zeugen Bezirksinspektor S, K K, A M und F P. Die Angaben des Berufungswerbers und der Zeugen decken sich in nahezu allen entscheidungsrelevanten Punkten. Feststeht insbesondere aufgrund der Aussagen des Berufungswerbers und des Zeugen M, daß dieser im Jahre 1984 dem Berufungswerber seinen Führerschein vorlegte. A M sagte darüber hinaus noch aus, daß ihn der Berufungswerber anläßlich seines Wiedereintrittes in den Betrieb im September 1990 nicht nach seinem Führerschein befragte, wogegen der Berufungswerber selbst angab, er könne sich nicht mehr daran erinnern, ob er A M danach befragt habe. Gemäß § 103 Abs 1 Z 3 KFG darf der Zulassungsbesitzer das Lenken seines Kraftfahrzeuges oder die Verwendung seines Anhängers nur Personen überlassen, die die erforderliche Lenkerberechtigung, bei Kraftfahrzeugen, für deren Lenken keine Lenkerberechtigung vorgeschrieben ist, den erforderlichen Mopedausweis oder das erforderliche Mindestalter besitzen und denen das Lenken solcher Fahrzeuge von der Behörde nicht ausdrücklich verboten wurde.

Aus dieser Bestimmung ergibt sich die Verpflichtung des Zulassungsbesitzers, sich vom Vorhandensein der Lenkerberechtigung desjenigen zu überzeugen, dem er sein Fahrzeug überlassen will. Sich zu überzeugen heißt sich Gewißheit zu verschaffen. Gewißheit kann man sich dadurch verschaffen, daß man in die Bestätigung über die Erteilung der Lenkerberechtigung, den Führerschein, Einsicht nimmt. Der bloße Eindruck bzw. der gute Glaube vom Vorhandensein einer Lenkerberechtigung genügt nach § 103 Abs 1 Z 3 KFG nicht (vergleiche VwGH 22.11.1973, Slg. 8505A).

Der Kraftwagenbesitzer und Dienstgeber ist seiner Verpflichtung nach § 103 Abs 1 Z 3 KFG nachgekommen, wenn er vor der ersten Übergabe seines Kraftwagens an den Lenker und Dienstnehmer dessen Lenkerberechtigung im Hinblick auf die von diesem zu erbringenden Dienstleistungen überprüft hat; er ist aber nicht gehalten, von dem Dienstnehmer vor Antritt jeder Fahrt die neuerliche Vorweisung der Lenkerberechtigung zu verlangen (VwGH 27.1.1972, Slg. 8158A).

Nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren steht fest, daß der Berufungswerber sich von A M bei dessen erstmaligem Eintritt in den Betrieb im Jahre 1984 den Führerschein zeigen ließ. Am 4.7.1989 trat A M aus dem Unternehmen aus und trat erst am 3.9.1990 wieder in den Betrieb des Berufungswerbers ein. Bei diesem zweiten Beschäftigungsverhältnis fragte der Berufungswerber A M nicht nach seinem Führerschein. Es ist zwar dem Berufungswerber zuzugestehen, daß von ihm nicht verlangt werden kann, vor jeder Fahrt mit einem Dienstfahrzeug einen Dienstnehmer zu kontrollieren, ob dieser einen Führerschein besitzt, es ist aber sehr wohl zu verlangen, daß ein Dienstgeber dies bei der Begründung eines Dienstverhältnisses tut; noch dazu in einem Unternehmen, in dem die Beschäftigten ihre Arbeitsleistungen vornehmlich auf Baustellen durchführen und mit Hilfe eines Dienstfahrzeuges dorthin gelangen. Somit hätte der Berufungswerber A M bei seinem Wiedereintritt in den Betrieb darüber befragen müssen, ob er im Besitze einer Lenkerberechtigung ist. Auch die Beobachtung von Fahrten von A M mit seinem Privat-PKW berechtigen den Berufungswerber nicht mit Sicherheit zu der Annahme, A M besitze eine Lenkerberechtigung, weil das unberechtigte Lenken von Kraftfahrzeugen, wie allgemein bekannt ist, immer wieder vorkommt (vergleiche OGH 12.5.1977, 7Ob 34/77). Dadurch, daß sich der Berufungswerber beim Wiedereintritt des A M in seinen Betrieb im September 1990 nicht Klarheit darüber verschaffte, ob dieser im Besitze einer Lenkerberechtigung ist, hat er gegen die Vorschrift des § 103 Abs 1 Z 3 KFG verstoßen.

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Die Lenkerberechtigung ist das von der Behörde erteilte Recht, Kraftfahrzeuge einer oder mehrerer bestimmter Gruppen zu lenken. Der § 64 KFG ist eine der in diesem Gesetz verankerten Schutznormen, wonach den Gefahren des Straßenverkehrs durch unfähige und ungeeignete Lenker vorgebeugt werden soll. Ob eine derartige Unfähigkeit bzw. Nichteignung für das Lenken von Kraftfahrzeugen vorliegt, soll im Zuge eines Ermittlungsverfahrens, bei dem die nötigen Voraussetzungen geprüft werden, festgestellt werden, um beurteilen zu können, ob ein Lenker im Straßenverkehr eine Gefahr für andere Personen darstellen würde. Der § 103 Abs 1 Z 3 KFG dient in diesem Sinne dem Schutz der Allgemeinheit vor unfähigen oder nichtgeeigneten Kraftfahrzeuglenkern. Dadurch, daß der Berufungswerber nach dem neuerlichen Eintritt des A M in sein Unternehmen sich nicht von dessen Lenkerberechtigung überzeugte und diesen trotzdem mit einem Dienstfahrzeug fahren ließ, hat er gegen den Schutzzweck des § 103 Abs 1 Z 3 KFG verstoßen.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde wertete eine einschlägige Vorstrafe als erschwerend. Nach dem eingeholten Vorstrafenausdruck erscheint jedoch keine Vormerkung nach dem KFG auf, sodaß dieser Erschwerungsgrund wegfällt. Im Zuge der öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung am 5.10.1993 gab der Berufungswerber an, daß er verheiratet sei, monatlich netto S 20.000,-- verdiene und an Vermögen ein Wohnhaus und einen Baumarkt besitze. Er habe Sorgepflichten für zwei minderjährige Kinder. Seine Ehegattin sei berufstätig und verdiene monatlich S 14.000,--. Seine Verbindlichkeiten würden sich auf ca. S 15 Mio belaufen.

Gemäß § 21 Abs 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten. § 21 Abs 1 VStG ermächtigt die Behörde nicht zur Ermessungsübung, sondern der Beschuldigte hat, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, einen Anspruch darauf, daß von dieser Bestimmung Gebrauch gemacht wird (VwGH 4.6.1987, 87/02/0035). Die Schuld des Beschuldigten ist nur dann geringfügig, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (VwGH 14.1.1988, 86/08/0073). Nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren ist dem Berufungswerber zunächst zugutezuhalten, daß er zu Beginn des ersten Arbeitsverhältnisses mit A M sich von diesem den Führerschein vorlegen ließ. Wenn er auch dieser Verpflichtung bei der Begründung des zweiten Arbeitsverhältnisses mit A M nicht nachkam, so ist doch aufgrund der äußeren Umstände (Fahren des A M mit seinem Privat-Pkw, Unkenntnis des Führerscheinentzuges auch bei seinen Arbeitskollegen) das Verschulden des Berufungswerbers als geringfügig zu betrachten. Dafür spricht, daß auch der Gendarmeriebeamte Bezirksinspektor S erst, nachdem er A M am 2.4.1992 wiederum antraf, ohne das dieser einen Führerschein vorweisen konnte, entsprechende Nachforschungen anstellte. Da auch die Folgen der Übertretung unbedeutend blieben, war im Sinne des § 21 Abs 1 VStG von der Verhängung einer Strafe abzusehen. Die bescheidmäßige Ermahnung erfolgte, damit der Berufungswerber in Zukunft beim Überlassen seiner Dienstkraftfahrzeuge eine größere Sorgfalt anwendet. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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