Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch seine Kammermitglieder,
Dr. Gasser-Steiner, Dr. Ruiner und Dr. Kundegraber über die Berufung des Herrn St W, vertreten durch Dr. G P, Rechtsanwalt in K, A Platz 28, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld vom 3.10.1992, GZ.: 15.1 92/1647, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung Folge gegeben, der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses gemäß § 44a Z 3 VStG hinsichtlich der der Strafbemessung zugrunde liegenden Rechtsvorschrift auf die Bestimmung des § 99 Abs 3 lit a StVO abgeändert, und die Geldstrafe mit S 10.000,-- (zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe) bemessen.
Hiedurch vermindert sich der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens der Behörde erster Instanz auf S 1.000,--.
Mit dem aus dem Spruch ersichtlichen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, eine Übertretung des § 20 Abs 2 StVO 1960 begangen zu haben.
Hiefür wurde unter Anwendung des § 99 Abs 2 lit c StVO eine Geldstrafe von S 12.000,-- (17 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt und als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens ein Betrag von S 1.200,-- vorgeschrieben.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die rechtzeitige Berufung, mit der der Berufungswerber zu erkennen gibt, daß er nicht nur die verhängte Strafhöhe an sich, sondern auch die rechtliche Beurteilung der im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses zur Last gelegten Tat bekämpft. Im wesentlichen führt der Berufungswerber in seiner Berufung aus, daß die von der Behörde erster Instanz verhängte Strafe als überhöht anzusehen sei, da er auf seiner Fahrt niemanden konkret oder abstrakt gefährdet habe und auch vorausschauend gefahren sei. Das während der Fahrt durchgeführte Telefonat sei nicht ausschließlich von ihm selbst geführt worden und sei hiebei auch kein Hörapparat benutzt worden. Es sei in seinem Pkw die Freisprechanlage eingeschaltet gewesen, sodaß er durch das Telefonat in seiner Fahrweise nicht beschränkt gewesen sei. Eine solche Freisprechanlage sei objektiv weniger ablenkend als das Mithören von Radiosendungen aus einem Autoradio. Seitens der Behörde erster Instanz seien nur Erschwerungstatbestände angeführt, es werde aber übersehen, daß eine "faktisch straflose Strafvormerkungsfreiheit" bestehe und der Berufungswerber tatsachengeständig sei. Es liege daher ein reumütiges Geständnis vor, weshalb unter Berücksichtigung aller Umstände die Strafe schuldangemessen herabzusetzen wäre.
Aus dem Akteninhalt wird nachstehender Sachverhalt festgestellt:
Der Berufungswerber befuhr mit seinem Pkw Mercedes Coupe, Kennzeichen K-WS 600, am 3.5.1992 gegen 14.30 die A2 in Richtung G. Etwa zwei Kilometer nach der Auffahrt H in Höhe von km 117,5 überholte der Genannte das in die selbe Richtung fahrende Dienstfahrzeug des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark, Patrouille Autobahn H-Süd, mit dem Kennzeichen BG 6.151 Opel Omega 3000 mit weit überhöhter Geschwindigkeit und fuhr davon. Während dieses Überholvorganges hielt der Lenker des Dienstfahrzeuges bereits eine Geschwindigkeit von rund 150 km/h ein, beschleunigte in weiterer Folge auf etwa 227 km/h und nahm derart die Verfolgung auf. Der Abstand zwischen dem Dienstkraftfahrzeug und dem Fahrzeug des Berufungswerbers wurde jedoch immer größer und wuchs auf mehr als einen Kilometer an. Ab dem Baukilometer 128 bis Baukilometer 130,5 besteht auf der A2 eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h. Obwohl der Lenker des Dienstkraftfahrzeuges im Bereich dieser Geschwindigkeitsbeschränkung mit Höchstgeschwindigkeit fuhr, konnte er den Mercedes erst bei Kilometer 137 einholen und auf diesen, da der Berufungswerber verkehrsbedingt langsamer werden mußte, auf etwa 100 Meter aufschließen. Etwa auf Höhe des Kilometers 138 der A2 fuhr der Dienstkraftwagen mit einer Geschwindigkeit von 220 km/h, wobei der Berufungswerber sein Fahrzeug abermals beschleunigte und derart fast außer Sichtweite des Dienstkraftfahrzeuges gelangte. Im Bereiche der Überleitung vom Voll- auf Halbausbau der A2 bei km 142,8 wird der Verkehr auf den zweiten Fahrstreifen umgeleitet und besteht dort eine gestaffelte Geschwindigkeitsbeschränkung von 100/80/60 km/h. In diesem Bereich benutzte das Dienstkraftfahrzeug den für den Baustellenverkehr bestimmten ersten Fahrstreifen und konnte so innerhalb dieser Baustelle auf den hinter einem anderen Pkw fahrenden Mercedes des Berufungswerbers aufschließen. Am Parkplatz I-tal wurde sodann der Mercedes angehalten und gab der Berufungswerber den einschreitenden Straßenaufsichtsorganen gegenüber an, daß er die Geschwindigkeitsüberschreitung mit einem derartigen Auto nicht gemerkt habe, weiters habe er telefoniert. Aus diesen unbestritten gebliebenen Feststellungen geht hervor, daß das Dienstkraftfahrzeug den Berufungswerber auf einer Strecke von rund 35 Kilometern verfolgte und hiebei wiederholt die Bauartgeschwindigkeit voll ausnutzen mußte, um das Fahrzeug des Berufungswerbers nicht außer Sichtweite gelangen zu lassen. Ein Aufschließen auf das Fahrzeug des Berufungswerbers war erst ca. 20 Kilometer nach dem oben beschriebenen Überholvorgang nur verkehrsbedingt möglich. Erst nach einer weiteren Verfolgung auf einer Strecke von rund 12 Kilometern konnte der Berufungswerber wegen einer Baustelle im Bereich des Parkplazes I eingeholt und angehalten werden.
In rechtlicher Hinsicht ist nachstehendes auszuführen:
Der im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses hervorgehende Tatvorwurf wurde vom Berufungswerber nicht bestritten, weshalb gemäß § 51e Abs 2 VStG eine öffentliche, mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen war.
Die rechtliche Beurteilung des Tatvorwurfes, wie er sich aus der Tatbeschreibung im angefochtenen Bescheid darstellt, läßt nur eine Qualifikation nach § 99 Abs 3 lit a StVO zu, da für eine rechtliche Qualifikation des Sachverhaltes nach § 99 Abs 2 lit c StVO Tatbestandselemente, die auf eine besondere Rücksichtslosigkeit des Berufungswerbers oder auf die Begehung der Tat unter besonders gefährlichen Verhältnissen fehlen. Vor dem Hintergrund der rechtlichen Beurteilung der im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses vorgeworfenen Tat (§ 44a Z 1 VStG) war daher für die Strafbarkeit des dem Berufungswerber vorgeworfenen Verhaltens die Bestimmung des § 99 Abs 3 lit a StVO heranzuziehen und somit der Spruch des Straferkenntnisses dementsprechend abzuändern.
Die entscheidende Kammer gelangte insbesondere auch deshalb zur Annahme, daß im vorliegenden Fall nicht vom Straftatbestand vom § 99 Abs 2 lit c StVO augegangen werden kann, da eine Geschwindigkeitsüberschreitung von ca. 90 km/h auf einer Autobahn (Richtungsfahrbahn im Sinne des § 2 Abs 1 Z 3a StVO) ohne Vorliegen besonderer Verhältnisse (z.B. regennasse Fahrbahn, Nebel, Schneefall, schlechte Sichtverhältnisse u.dgl.) unter Benützung einer Telefonfreisprechanlage im gelenkten Fahrzeug, noch keine Rückschlüsse auf das Vorliegen einer besonderen Rücksichtslosigkeit oder auf besonders gefährliche Verhältnisse nach sich ziehen kann. Festgestellt wird in diesem Zusammenhang auch, daß das der erkennenden Behörde vorgelegte Straferkenntnis als Strafbestimmung den § 99 Abs 2 lit c StVO aufweist. Das von der Partei vorgelegte Straferkenntnis spricht hingegen von § 99 Abs 2 lit e StVO. Offensichtlich wurde die von der belangten Behörde vorgenommene Änderung nicht in das Original übertragen, sodaß dies bei einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren bereits eine inhaltliche Rechtswidrigkeit der Entscheidung nach sich ziehen hätte können.
Im vorliegenden Fall ist daher von einer gesetzlichen Strafobergrenze von S 10.000,-- auszugehen. Bei der Wertung der Tat innerhalb der Grenzen dieses Strafrahmens ist insbesondere davon auszugehen, in welchem Ausmaß diejenigen Interessen gefährdet worden sind, deren Schutz die Strafdrohung dient. Der Umstand, inwieweit die Tat sonstige nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, ist bei der Strafbemessung ebenso zu berücksichtigen.
Die übertretene Norm zielt darauf ab, die mit dem Straßenverkehr naturgemäß verbundenen Gefahren und Gefährdungsmomente auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Der Schutzzweck der verletzten Norm ist insbesondere auch darin zu erblicken, alle mit dem Straßenverkehr verbundenen Gefahren, die auf eine erhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen sind, zu vermeiden und auch sonst nachteilige Folgen im Sinne des § 19 Abs 1 VStG, wie etwa erhöhte Umweltbelastung durch vermehrten Schadstoffausstoß oder Lärmbelästigung u.dgl. hintanzuhalten. Zudem wird mit zunehmender Fahrgeschwindigkeit das Wahrnehmungs-vermögen des Lenkers herabgesetzt und dadurch eine erhöhte Unfallgefahr bewirkt. Bei erheblichen Überschreitungen der höchstzulässigen Geschwindigkeit auf Autobahnen wird die Verkehrssicherheit stark reduziert, mit der Folge, daß solch erhöhte Geschwindigkeiten immer wieder Ursache für schwere und schwerste Verkehrsunfälle sind. Im vorliegenden Fall ist jedenfalls davon auszugehen, daß vom Berufungswerber die erlaubte Höchstgeschwindigkeit eklatant überschritten wurde.
Gemäß § 19 Abs 2 VStG ist weiters zu prüfen, ob Erschwerungs- und Milderungsgründe vorliegen, bei deren gegenseitiger Abwägung eine Strafmilderung möglich wäre. Als erschwerend ist das Vorliegen von zwei verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen zu werten, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, das Ausmaß der Geschwindigkeits-überschreitung, wobei auch die aus den Sachverhaltsfeststellungen hervorgehenden Umstände nicht außeracht zu lassen sind. Als mildernd ist das Geständnis zu werten. Bei Abwägung der angeführten Erschwerungs- und Milderungsgründe ist jedoch von einem deutlichen Über-wiegen der Erschwerungsgründe auszugehen. Auch die aus dem Akteninhalt ersichtlichen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (nach Angaben des Berufungswerbers hat er für drei Kinder zu sorgen, ist Besitzer zweier Mietshäuser, wobei in einem dieser Mietshäuser ein Nachtclub eingerichtet ist und im zweiten Mietwohnungen vorhanden sind, beide sind verpachtet; ihm verbleibt ein monatliches Nettoeinkommen von ca. S 20.000,--) sind nicht geeignet, den gesetzlichen Strafrahmen zu unterschreiten. Die Ausnutzung der gesetzlichen Strafobergrenze erscheint der Behörde in Hinblick auf den festgestellten Sachverhalt, der eklatant hohen Geschwindigkeits-überschreitung und dem Umstand, daß gegen den Berufungswerber bereits zwei einschlägige Vorstrafen bestehen, die ihn im übrigen auch nicht davon abhalten konnten, neuerlich die gegenständliche Geschwindigkeitsüberschreitung zu begehen, erforderlich und vermag auch der Umstand des Milderungsgrundes des Geständnisses die Verhängung einer geringeren Geldstrafe nicht zu rechtfertigen.
Auf Grund all dieser Erwägungen war daher die Strafe, die auch einen spürbaren Vermögensnachteil darstellen muß, in dem aus dem Spruch ersichtlichen Ausmaß zu bemessen.
Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.