Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Strohmayer, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des H in B, vertreten durch Prof. Dipl.-Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 2. Februar 2000, Zl. III-4609-80/98, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde einen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B vom 14. Dezember 1998, mit dem dem Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 WaffG der Besitz von Waffen und Munition verboten worden war.
Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde - nach einer auszugsweisen Wiedergabe von Inhalten des erstinstanzlichen Bescheides und der Berufung - im Wesentlichen aus, nach einem Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 26. Mai 1998 sei bei der Bezirkshauptmannschaft eine anonyme Mitteilung eingelangt, wonach der Beschwerdeführer gedroht habe, seine Familie umzubringen. Nach einer Befragung des Vaters des Beschwerdeführers, der bei der Bezirkshauptmannschaft vorgesprochen habe, und näher genannter Auskunftspersonen im Wege der Gendarmerie habe die Behörde erster Instanz zunächst mit Mandatsbescheid vom 6. Juli 1998 ein Waffenverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen. Auf Grund der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Vorstellung seien Ermittlungen eingeleitet worden, in deren Verlauf die den Beschwerdeführer belastenden Angaben von den vernommenen Personen in näher beschriebener Weise abgeschwächt worden seien. Der Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft B habe in einem Gutachten vom 22. September 1998 ausgeführt, beim Beschwerdeführer bestünden aktenkundige Anhaltspunkte für ein drohendes und aggressives Verhalten. Aus amtsärztlicher Sicht bestünden gewisse Bedenken hinsichtlich der Eignung des Beschwerdeführers zum Besitz von Waffen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer durch missbräuchliche Verwendung von Waffen das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährden könnte. Der Schweregrad einer Aggressionsneigung oder verminderten Impulskontrolle könne aber mit den Mitteln eines praktischen Arztes nicht genauer festgestellt werden. Es bedürfe einer klinisch-psychologischen Beurteilung. Allenfalls beizubringen wäre das Gutachten einer gemäß Waffengesetz-Durchführungsverordnung ermächtigten Untersuchungsstelle. Nur eine entschieden anders lautende psychologische Beurteilung könnte die aus amtsärztlicher Sicht angemeldeten Bedenken relativieren.
Die Behörde erster Instanz habe dieses Gutachten zum Anlass genommen, den Beschwerdeführer zur Vorlage eines Gutachtens darüber aufzufordern, ob er dazu neige, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden. Der Beschwerdeführer habe mitgeteilt, dass er nicht in der Lage sei, die damit verbundenen Kosten zu tragen, woraufhin das Waffenverbot mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 14. Dezember 1998 aufrecht erhalten worden sei.
Im Berufungsverfahren sei dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben worden, auf Kosten der Behörde ein Gutachten des Kuratoriums für Verkehrssicherheit erstellen zu lassen. Der Beschwerdeführer habe dieses von der Behörde bezahlte Gutachten, das offensichtlich negativ gewesen sei, nicht vorgelegt und stattdessen ein psychologisches Gutachten einer anderen Begutachtungsstelle nach der Waffengesetz-Durchführungsverordnung präsentiert. Nach diesem Gutachten, das im Anschluss an eine von der belangten Behörde veranlasste Akteneinsicht des Gutachters am 22. September 1999 ergänzt worden sei, könne aus klinischpsychologischer Sicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer derzeit unter psychischer Belastung nicht dazu neige, mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden. Eine klinisch fassbare Aggressionsneigung oder verminderte Impulskontrolle sei nicht nachweisbar.
Im Hinblick auf das offensichtlich gegenteilige Ergebnis des auf Kosten der Behörde erstellten und vom Beschwerdeführer nicht vorgelegten Gutachtens des Kuratoriums für Verkehrssicherheit sei der Beschwerdeführer von der belangten Behörde aufgefordert worden, noch ein fachärztliches Gutachten beizubringen. Der Beschwerdeführer habe sich geweigert, sich von einem von der Behörde vorgeschlagenen Gutachter, der ein Gutachten auf Kosten der Berufungsbehörde erstattet hätte, untersuchen zu lassen. Er habe stattdessen ein Gutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vorgelegt, wonach beim Beschwerdeführer keine psychiatrische Störung nachweisbar sei. Es bestünden keine Hinweise auf eine verminderte Frustrationstoleranz, reduzierte Impulskontrolle wie auch keine fassbare pathologische Aggressionsneigung. Aus nervenärztlicher Sicht bestünde kein Einwand gegen die Verwahrung wie auch den Gebrauch von Schusswaffen im Rahmen der beabsichtigten Jägertätigkeiten wie auch im Rahmen von Schützenvereinen.
Bei diesem im angefochtenen Bescheid dargestellten Ermittlungsstand seien für die belangte Behörde zunächst "die Geschehnisse im erweiterten Familienkreis" von Bedeutung:
"Es ist zu berücksichtigen, dass der Vater des Berufungswerbers, Guntram H., am 25.5.1998 bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vorsprach und mitteilte, dass sein Sohn Drohungen gegen ihn und seine Familie ausgesprochen habe. Die Drohungen seien ernst zu nehmen. Vor Jahren sei sein Sohn gegen ihn tätlich geworden. Er habe ihn über eine Stiege gestoßen, Anzeige habe er damals keine erstattet, allerdings habe er den Kontakt zu seinem Sohn abgebrochen. Auch wenn Guntram H. im weiteren Verfahren die Angaben relativiert, so geht dennoch aus seinen Aussagen hervor, dass der Berufungswerber vor Jahren gegen seinen Vater tätlich geworden ist. Hinzu kommt, dass der Berufungswerber laut seiner Schwägerin Doris H. die Drohung: 'Ich knalle Euch alle hinunter!' ausgesprochen hat. Dies erfolgte im Zuge einer Vorsprache des Berufungswerbers bei Karl-Heinz und Doris H., ihm Geld zu leihen. Wie auch Doris H. gegenüber den erhebenden Gendarmeriebeamten zum Ausdruck brachte, dass sie vor dem Berufungswerber auf Grund der Drohung und seiner Art und seines oft aggressiven Verhaltens Angst habe, relativierte sie diese Aussage anlässlich der Einvernahme bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz, indem sie äußerte, die Drohung nicht so ernst genommen zu haben.
Trotz dieser nachträglichen Relativierungen und des Einwandes des Berufungswerbers, dass es sich um milieuübliche Aussagen gehandelt habe, ist davon auszugehen, dass der Kern dieser Aussagen, nämlich das aggressive Verhalten des Berufungswerbers, durchaus zutrifft. Die Berufungsbehörde sieht jedenfalls keinen triftigen Grund, weshalb der Vater des Berufungswerbers ansonsten zu der Meinung gelangen könnte, dass (der Beschwerdeführer) eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstellen würde. Insoferne war es jedenfalls erforderlich, ein Gutachten über die waffenrechtliche Verlässlichkeit des Berufungswerbers einzuholen."
Angesichts des vom Beschwerdeführer nicht vorgelegten, offensichtlich negativen Gutachtens des Kuratoriums für Verkehrssicherheit und des von ihm stattdessen beigebrachten positiven Gutachtens einer anderen Begutachtungsstelle habe die belangte Behörde davon ausgehen müssen, dass zwei einander widersprechende Gutachten vorlägen, und - ausgehend von der ursprünglichen Einschätzung des Amtsarztes, wonach es einer weiteren Begutachtung bedürfe - ein weiteres Gutachten für erforderlich gehalten. Dem Arzt, dessen Gutachten der Beschwerdeführer in der Folge vorgelegt habe, sei der Akteninhalt nicht bekannt gewesen. Da das vom Beschwerdeführer zuvor vorgelegte erste Gutachten "formalisiert" und in näher bezeichneter Weise nicht nachvollziehbar sei, lägen somit nur qualitativ unzureichende Gutachten vor. Der Beschwerdeführer habe das offensichtlich zu seinen Ungunsten ausgefallene Gutachten des Kuratoriums für Verkehrssicherheit nicht vorgelegt und sich geweigert, sich von einem von der Behörde namhaft gemachten Sachverständigen untersuchen zu lassen, und sei daher seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen.
Hieran schließt sich folgende abschließende Würdigung des Sachverhaltes durch die belangte Behörde:
"Für die Berufungsbehörde sind somit die Zweifel an der waffenrechtlichen Verlässlichkeit des (Beschwerdeführers) keineswegs ausgeräumt. Angesichts des Verhaltens des Berufungswerbers gegenüber seinen Verwandten und mangels eines aussagekräftigen fachärztlichen Gutachtens ist die Annahme nach wie vor gerechtfertigt, dass er durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit und Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte."
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
§ 12 Abs. 1 WaffG lautet:
"§ 12. (1) Die Behörde hat einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte."
Diese Vorschrift dient, wie die belangte Behörde an einer Stelle ihrer Bescheidbegründung richtig ausführt, nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Verhütung einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen und setzt nicht voraus, dass bereits eine missbräuchliche Verwendung von Waffen durch die Person, gegen die das Waffenverbot verhängt wird, erfolgt ist. Es genügt, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von Waffen ein gesetz- oder zweckwidriger Gebrauch gemacht und dadurch eine Gefährdung im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG herbeigeführt werden könnte. Wegen des dem Waffengesetz allgemein innewohnenden Schutzzweckes ist dabei ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. aus jüngerer Zeit etwa das Erkenntnis vom 25. Jänner 2001, Zl. 2000/20/0153, mit weiteren Nachweisen).
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde zunächst dargelegt, aus welchen Gründen es nötig gewesen sei, "ein Gutachten über die waffenrechtliche Verlässlichkeit des Berufungswerbers einzuholen", und die Ergebnisse der diesbezüglichen Ermittlungen dahin gehend zusammengefasst, dass die "Zweifel an der waffenrechtlichen Verlässlichkeit" des Beschwerdeführers nicht "ausgeräumt" seien. Mit diesem Teil ihrer Ausführungen verfehlt die belangte Behörde - wie im Übrigen auch mit den Aufträgen an die Gutachter - den Gegenstand des Berufungsverfahrens, dessen "Sache" nicht die Entziehung einer waffenrechtlichen Urkunde des Beschwerdeführers und demgemäß eine Überprüfung seiner Verlässlichkeit im Sinne der §§ 8 und 25 WaffG, sondern die Aufrechterhaltung eines - mit "Zweifeln" an der "waffenrechtlichen Verlässlichkeit" nicht begründbaren - Waffenverbotes war. In Bezug auf die zu beurteilenden, gegenüber einer Verneinung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit strengeren Voraussetzungen des Waffenverbotes wird im angefochtenen Bescheid nur im letzten Satz seiner Begründung ausgeführt, die Annahme, dass diese Voraussetzungen gegeben seien, sei "mangels eines aussagekräftigen fachärztlichen Gutachtens ... nach wie vor gerechtfertigt". Zu den bestimmten Tatsachen, auf die sich eine solche Annahme in nachvollziehbarer Weise gründen muss, damit die Verhängung eines Waffenverbotes dem Gesetz entspricht, findet sich im angefochtenen Bescheid letztlich nur die Aussage, es liege nach dem als verlässlich anzusehenden "Kern" der vorliegenden Aussagen ein "aggressives Verhalten" des Beschwerdeführers vor. Für die belangte Behörde scheint dabei nur festzustehen, dass der Beschwerdeführer "vor Jahren gegen seinen Vater tätlich geworden" sei, und - nach der Aktenlage etwa zwei Jahre vor der erstmaligen Befragung seiner Schwägerin im Verwaltungsverfahren - eine verbale Drohung ausgesprochen habe, mit deren Ernsthaftigkeit (unter Einbeziehung auch der späteren Angaben der vernommenen Personen) sich die belangte Behörde nicht mehr auseinander gesetzt hat. Dass die bei den ersten Befragungen geäußerte Einschätzung der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers durch dessen Vater nicht für sich genommen als "bestimmte Tatsache" im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG in Betracht kommen kann, versteht sich von selbst. Die Feststellungen der belangten Behörde über das Verhalten des durch gewalttätige Neigungen sonst, allem Anschein nach, bisher nicht aufgefallenen Beschwerdeführers gegenüber seinen Verwandten reichen daher von vornherein nicht aus, um die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer könnte durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden, nachvollziehbar zu begründen. Auf die allfälligen Mängel der für den Beschwerdeführer positiven Gutachten lässt sich die erwähnte Annahme unter diesen Umständen nicht stützen.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 27. September 2001
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000200082.X00Im RIS seit
29.11.2001