TE UVS Niederösterreich 1993/11/11 Senat-BN-93-005

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Veröffentlicht am 11.11.1993
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51, Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis aufgehoben.

 

Gemäß §45 Abs1 Z1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl Nr 52, wird die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft xx wurde über Herrn G eine Geldstrafe in Höhe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) verhängt und weiters die Verpflichtung zur Tragung der Verfahrenskosten in Höhe von S 200,-- und angefallener Barauslagen in Höhe von S 940,-- vorgeschrieben. Zum Vorwurf wurde der Umstand gemacht, daß am 27.5.1992 um 09,00 Uhr im Cafe Restaurant des Thermalbades in B** ****** Mocca-Speiseeis in Verkehr gebracht worden wäre, welches den im §9 (1) litc der Speiseeisverordnung vorgeschriebenen Höchstwert für vermehrungsfähige Keime sowie den Höchstwert an coliformen Keimen überschritten habe.

 

Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung mit dem Vorbringen, daß nicht berücksichtigt worden sei, daß die mit der Speiseeiserzeugung betraute Person verläßlich gewesen sei. Bei der Einstellung dieser Person wäre diese ausdrücklich auf die gesetzlichen Vorschriften hingewiesen und ausführlich mit der Tätigkeit betraut gemacht worden. Auch hätte sich der Berufungswerber überzeugt, daß diese Person ihre Aufgabe gewissenhaft erfülle. Es wäre auch unberücksichtigt gelassen worden, daß es wärend des gesamten Beschäftigungszeitraumes dieser Person mit Ausnahme des gegenständlichen Falles zu keinerlei Beanstandungen gekommen ist.

 

Weiters entspreche der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht dem §44a VStG, da sich aus diesem nicht entnehmen lasse, wodurch das "in Verkehr setzten" erfolgt sein soll.

 

Auch unter der Annahme, daß grundsätzlich eine Berechtigung zur Verhängung einer Strafe vorliegen sollte, wäre die tatsächlich verhängte Strafe unter Berücksichtigung des Strafrahmens und der jahrelangen ordnungsgemäßen Durchfürhung der Eiserzeugung nicht schuldangemessen.

 

Beantragt wurde daher die Behebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verfahrens.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

Gemäß §74 Abs5 Z1 LMG 1975 macht sich, sofern die Tat nicht nach den §§56 - 64 oder nach anderen Bestimmungen einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu S 25.000,-- zu bestrafen, wer den Bestimmungen der im §77 Abs1 Z1, 3, 4 - 16 oder 18 - 21 angeführten Rechtsvorschriften zuwiderhandelt. Die Verordnung vom 13. Dezember 1972, BGBlNr 6/1973, über den Verkehr mit Speiseeis (Speiseeisverordnung) stellt eine derartige Rechtsvorschrift dar (§77 Abs1 Z18 LMG 1975).

 

Gemäß §9 Abs1 dieser Verordnung ist Speiseeis so herzustellen und zu behandeln, daß

a)

in je 50 Gramm keine Salmonellen,

b)

in je 1 Gramm weder koagulasepositive Staphylokokken noch andere pathogene Keime, und

c)

in je 1 Gramm nicht mehr als

250.000 vermehrungsfähige Keime,

100 coliforme Keime

1 Escherichia coli und

1000 Enterokokken

enthalten sind.

 

Dieser Bestimmung ist unmißverständlich zu entnehmen, daß nur die Herstellung und Behandlung von Speiseeis rechtswidrig ist, wenn dadurch eine Überschreitung der erwähnten Grenzwerte erfolgt. Andere Verhaltensweisen hingegen (zB Feilbieten und Verkaufen von Speiseeis mit erhöhten Keimzahlen) sind hingegen alleine aufgrund des §9 der SpeiseeisV nicht rechtswidrig, sondern müßten hiezu weitere Umstände treten, zB Gesundheitsschädlichkeit gemäß §8 lita LMG 1975 oder Verdorbenheit gemäß §8 litb legcit); ein derartiger Umstand müßte aber auch im Strafverfahren ausdrücklich zum Vorwurf gemacht werden.

 

 

Das angefochtene Straferkenntnis wirft lediglich vor, daß am 27.5.1992 um 09,00 Uhr Mocca-Speiseeis in Verkehr gebracht wurde, dessen Keimzahlen die erlaubten Höchstwerte überschritten habe. Des weiteren ist bei Aktendurchsicht festzustellen, daß zum angegebenen Tatzeitpunkt sich das Speiseeis in der Abgabevitrine befunden hat, die Erzeugung des Speiseeises erfolgte hingegen bereits am 26.5.1992.

 

Nachdem die Erstbehörde es aber unterlassen hat im Spruch des angefochtenen Bescheides darzulegen, welche Form des Inverkehrbringens sie zum Vorwurf macht und andererseits aus dem Gesamtakt - insbesondere des Tatzeitpunktes - die Vermutung naheliegt, daß das Bereithalten des Speiseeises in der Abgabevitrine angelastet wurde, erscheint nach Ansicht der Berufungsbehörde der Spruch des angefochtenen Bescheides im Sinne des §44a VStG nicht ausreichend. Dies deshalb, da gemäß §9 Abs1 SpeiseeisV nicht jede Art des Inverkehrbringens rechtswidrig ist, sondern nur zwei Formen hievon (nämlich die Herstellung und Behandlung - vgl hiezu §1 Abs2 LMG 1975).

 

Eine taugliche Tatbeschreibung hätte in diesem Zusammenhang zB in der Form abgefaßt sein müssen, daß am 26.5.1992 eine konkrete Sorte hergestellt wurde, bei der die im §9 Abs1 SpeiseeisV erwähnten Grenzwerte überschritten wurden oder die konkrete Eissorte am 27.5.1992 um 09,00 Uhr durch Feilhalten bzw Verkaufen in Verkehr gebracht wurde, obwohl dieses Lebensmittel infolge der erhöhten Keimwerte als verdorben oder gesundheitsschädlich einzustufen ist (derartiges müßte aber durch ein entsprechendes Sachverständigengutachten untermauert sein).

 

 

Gemäß §66 Abs4 hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer "in der Sache selbst" zu entscheiden. "Sache" des Berufungsverfahren ist aber nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz bildet, soweit diese Angelegenheit mit der Berufung angefochten worden ist (VfGH 13.12.1973 Slg 7240).

 

Auf den konkreten Fall bezogen bedeutet dies, daß sich die Behebung des Straferkenntnisses sowie die Einstellung des Strafverfahrens nur auf die im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides behandelte Sache bezieht, nämlich auf das (vermutlich durch zum Verkauf bereithalten) in Verkehr bringen des Speiseeises am 27.5.1992. Die Berufungsentscheidung bezieht sich daher nicht auf die Erzeugung des Speiseeises am 26.5.1992, weshalb der Erstbehörde die Möglichkeit offen steht, diesbezüglich das Strafverfahren fortzuführen, da innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist durch Gewährung von Akteneinsicht dem Beschuldigtenvertreter am 7.12.1992 eine taugliche Verfolgungshandlung gesetzt wurde. Für den Fall der Fortsetzung des Verfahrens wären jedenfalls die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten exakt zu erheben.

 

Zum Vorbringen des Berufungswerbers, wonach er sich einer verläßlichen Person bedient hätte und somit ihm persönlich kein Verschulden treffe ist abschließend festzustellen, daß nur eine wirksame Bestellung eines verantwortlich Beauftragten (§9 Abs2 und 4 VStG) eine Exculpierungsgrund darstellt. Eine derartige wirksame Bestellung scheint aber aufgrund der bisherigen Aktenlage nicht der Fall zu sein.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß §51e VStG abgesehen werden, da bereits aus der Aktenlage die Notwendigkeit der Bescheidbehebung zu ersehen war.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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