Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Einzelmitglied
Dr. Helmut Pollak über die Berufung des Herrn H A, wohnhaft in I, K-straße 3, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Liezen vom 9.10.1992, GZ.: 15.10 A 37-92, wie folgt entschieden:
Die Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von
1.
S 200,--
2.
S 100,--
binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten.
Dem Beschuldigte wurde mit Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos St vom 29.5.1992 zur Last gelegt, er habe als Lenker der Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen T 12544, 1.) an einem näher bestimmten Ort, auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen "Überholen verboten" gekennzeichnet ist, zwei mehrspurige Kraftfahrzeuge überholt und hat es 2.) verabsäumt, als Besitzer eines ungültig gewordenen Führerscheines unverzüglich bei der Behörde die Ausstellung eines neuen Führerscheines zu beantragen. Als Grund für diese Übertretung des § 71 Abs 3 KFG wurde ein stark beschädigtes und unkenntliches Lichtbild angegeben.
Innerhalb offener Frist erließ die Behörde erster Instanz eine alle Tatbestandselemente umfassende taugliche Verfolgungshandlung.
Die Strafverfügung wurde beeinsprucht, darin führte der Berufungswerber aus, es sei richtig, daß er zwei PKW überholt habe, er wußte, daß auf dem Straßenstück "Überholverbot" galt, jedoch habe er zwei Fahrzeuge überholt, die abgeschleppt wurden. Er wußte auch, daß das Foto im Führerschein tatsächlich unbrauchbar war und daß der Inhaber der Führerscheines darauf nicht erkennbar war. Als Rechtfertigung hiezu gibt er an, daß ein Führerschein normalerweise äußerst selten angesehen wird und er hiedurch kein Verschulden habe.
Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens, Einvernahme des Zeugen, fällte die Behörde erster Instanz das Straferkenntnis, gegen welches der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhob und darin angab, er habe durch das Überholmanöver niemanden gefährdet und hat er unverzüglich nach dieser Übertretung die Neuausstellung eines Führerscheines beantragt.
Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.
Anhand des Ermittlungsverfahrens und des einvernommenen Zeugens in der öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 7.9.1993 erklärte der Zeuge RI St, daß er uneingeschränkte Sicht auf die Fahrbahn B 146 hatte. Er stand ca. 150 m vom Ort des Überholens in Fahrtrichtung des Berufungswerbers entfernt und überholte dieser auf Höhe Strkm 61,3 zwei mehrspurige Fahrzeuge und beendete den Überholvorgang kurz vor dem Standort des Meldungslegers, der den Lenker hierauf anhielt. Nachdem sich der Berufungswerber nicht zahlungswillig zeigte, die Organstrafverfügung zu bezahlen, forderte der Gendarmeriebeamte den Berufungswerber auf, den Zulassungschein und den Führerschein auszuhändigen. Erst zu dem Zeitpunkt trat zutage, daß eine Übertretung des § 71 Abs 3 KFG beanstandet wurde.
Der vom Berufungswerber angegebene Rechtfertigungsgrund, er habe zwei Fahrzeuge überholt, die wegen eines Abschleppvorganges langsam gefahren sind, konnte vom Meldungsleger nicht bestätigt werden. Hingegen konnte sich der Meldungsleger noch daran erinnern, daß im Fahrzeug des Berufungswerbers eine Frau mitfuhr, und glaubt er sich daran erinnern zu könne, daß ein Kleinkind auf der Rücksitzbank saß. Anhand dieser Angaben und der Zeugenaussage der Frau B A, welche angab, daß die beiden überholten Fahrzeuge über eine längere Strecke mit einer maximalen Geschwindigkeit von 50 km/h fuhren und sich der Gatte in weiterer Folge entschloß, die beiden Fahrzeuge zu überholen, ist erwiesen, daß der Berufungswerber § 16 StVO übertreten hat. Auch für den Fall des Zutreffens der Angaben des Berufungswerbers wäre der Überholvorgang unzulässig und zu bestrafen.
Da jedoch sogar die Gattin erläuterte, die Autos fuhren ca. 50 km/h, ist zu entgegnen, daß es sich nicht um einen Abschleppvorgang handeln konnte, da nach den Bestimmungen des KFG hiebei eine maximale Geschwindigkeit von 30 km/h nicht überschritten werden darf und war auch die Überholstrecke wesentlich länger als bei langsam fahrenden Zugmaschinen. Zum Punkt 2.) ist zu erläutern, daß der Berufungswerber entgegen seinen Angaben nicht unverzüglich die Ausstellung eines neuen Führerscheines beantragte, sondern erst am 19.6.1992, somit erst 3 Wochen nach der Beanstandung. Einen Grund, weshalb dies erst so spät erfolgte, konnte vom Berufungswerber nicht erhoben werden. Der Unabhängige Verwaltungssenat sieht somit bei Würdigung der Aussage des einvernommenen Gendarmeriebeamten, diese in Verbindung mit den Angaben des Berufungswerbers und dessen Gattin, die Übertretungen als erwiesen an.
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Schutzzweck der Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 ist es im Allgemeinen, den in Österreich auf öffentlichen Straßen fließenden Verkehr in geordneten Bahnen zu lenken und hiebei die Sicherheit, die Flüssigkeit des Verkehrs aufrecht zu erhalten. Auf Grund der Gefahren beim Lenken eines Fahrzeuges ist es notwendig, mit gesetzlichen Bestimmungen Gefahren weitestgehendst auszuschließen und auch damit verbunden, die Folgen von Unfällen soweit als möglich zu reduzieren, sofern es nicht möglich ist, Unfälle von Haus aus zu vermeiden. Auf Grund der vom Beschuldigten begangenen Übertretung ist evident, daß dieser diesen Schutzzweck verletzt hat.
Die Bestimmungen des Überholverbotes sollen gewährleisten, daß an besonders gefährlichen Straßenstellen, die darüber hinaus noch äußerst unfallbeträchtigt sind, die Gefahren für die Straßenverkehrsteilnehmer weitestgehendst reduziert werden. Die Bezirkshauptmannschaft Liezen verordnete im Straßenstück von L bis zur Kreuzung T eine 70 km/h Beschränkung und ein generelles Überholverbot, von dem nur das Überholen von landwirtschaftlichen Zugmaschinen ausgenommen ist. Die Bestimmung des § 71 Abs 3 KFG soll bezwecken, daß sich ein Kontrollorgan nach Einsicht in den ausgehändigten Führerschein darüber Gewißheit verschaffen kann, ob der kontrollierte Lenker tatsächlich im Besitze einer Lenkerberechtigung ist. Diese Bestimmung soll gewährleisten, daß schnell und unbürokratisch, das heißt ohne langwierige Anfragen bei der führerscheinausstellenden Behörde, Kontrollen durchgeführt werden können. Durch das Verhalten des Berufungswerbers wurde die Kontrolle eindeutig unmöglich gemacht und liegt auch kein Anwendungsfall nach § 21 VStG vor.
Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Mildernd und erschwerend war nichts zu werten, sodaß im Hinblick auf die vom Berufungswerber angegebenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse die verhängten Strafen schuldangemessen sind und sich darüber hinaus nur im Bereich von maximal 10 % der Höchststrafe bewegen.
Der Ausspruch über den Ersatz der Verfahrenskosten war eine Folge der Bestrafung und stützt sich auf die im Spruch angegebene Gesetzesstelle.