TE UVS Wien 1993/11/23 07/02/906/93

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Veröffentlicht am 23.11.1993
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Wintersberger über die Berufung des Herrn Muhlis D, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt fd 10. Bezirk, MBA 10-S 6033/3, vom 10.8.1993, wegen Übertretung des § 74 Abs 5 Z 3 iVm § 20 LMG 1975, nach durchgeführter

 

öffentlicher mündlicher Verhandlung entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Der Berufungswerber hat daher gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 200,--, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, zu bezahlen.

Text

Begründung:

1. Das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt fd 10. Bezirk, MBA 10-S 6033/3, vom 10.8.1993, hat folgenden Spruch:"Sie haben am 1.5.1993 um 11.15 Uhr in Wien, R-park, vom B aus betrachtet linker Teil, auf der Wiese im oberen Bereich nicht vorgesorgt, daß Lebensmittel nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt in Verkehr gebracht werden, da Sie Burek mit Fleisch- und Käsefüllung auf dem Boden in einem Bananenkarton zum Verkauf bereitgehalten haben, in welchem einerseits Schmutzreste von den gelieferten Bananen sowie andererseits mit Sicherheit Reste der Spritzmittel und anderer Chemikalien vorhanden waren, mit denen die Bananen behandelt worden sind, obwohl eine Vorsorge gegen die hygienisch nachteilige Beeinflussung der Lebensmittel durch Lagerung der Backwaren mindestens 50 cm über dem Boden sowie eine Abdeckung, eventuell mit Zellophanpapier gegen Anhusten, Betasten etc nach dem Stand mit Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar

 

war.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 74 Abs 5 Z 3 des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl Nr 86, in der derzeit geltenden Fassung, in Verbindung mit § 20 leg cit Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie gemäß § 74 Abs 5 Z 3 leg cit eine Geldstrafe von 1000,-- S, falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag verhängt. Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG 1991) zu zahlen:

100,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10 % der Strafe.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 1100,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."In der Begründung führte die erstinstanzliche Behörde im wesentlichen aus, der Stellungnahme bzw der Rechtfertigung des Beschuldigten zu den Ausführungen des Anzeigenlegers könne keine entlasteten Wirkung beigemessen werden, weshalb die zur Last gelegte Tat durch die Anzeige der Magistratsabteilung 59 - Marktamtsabteilung

 

fd 1. Bezirk, als erwiesen anzusehen sei.

In der gegen dieses Straferkenntnis rechtzeitig eingebrachten Berufung brachte der Berufungswerber im wesentlichen vor, er habe nur

 

für sich selbst sowie für einige Kollegen und Kolleginnen Proviant für den Umzug im Rahmen der Maifeierlichkeiten mitgeführt. Es habe kein Verkauf stattgefunden.

Die mitgeführten Backwaren seien zunächst ordnungsgemäß in Zellophanpapier bzw Alufolie verpackt gewesen, sie seien im Zuge des Aufmarsches für den persönlichen Verzehr ausgewickelt worden. Daß Vereinsmitglieder, welche geschlossen an der Kundgebung teilgenommen hätten, ihren Proviant im Zuge dieser Rast - möglicherweise sorglos

-

 

an einem gemeinsamen Ort abgelegt hätten, könne nicht als Lagerung von Lebensmittel angesehen werden.

2. Im Einspruch vom 23.6.1993 gegen die Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt fd 10. Bezirk,

 

MBA 10-S 6033/3 brachte der nunmehrige Berufungswerber vor, er habe kleinere Imbisse für Kolleginnen mitgeführt und diese ab 11.00 Uhr für etwa eine 1/2 Stunde zur Verteilung gebracht. Die dadurch entstandenen Unkosten seien ihm in Form von freiwilligen Spenden refundiert worden. Es habe sich aber bei dieser Aktivität nicht um ein Unternehmen im gewerberechtlichem Sinne gehandelt, da kein eigener Verkaufsstand eingerichtet, keine alkoholischen Getränke verabreicht und auch keine Arbeitnehmerin für diesen Zweck engagiert worden sei.

3. Am 15.11.1993 wurde vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Der Berufungswerber ist trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erschienen.

Die erstinstanzliche Behörde wurde ordnungsgemäß geladen, hat jedoch

auf die Teilnahme an der Verhandlung verzichtet.

Der Akt MBA 10-S 6033/3 wurde verlesen.

Der Zeuge Christian Do gab nach Wahrheitserinnerung an:

"Am 1.Mai 1993 habe ich mit dem Kollegen Herrn K eine Kontrolle während der Festlichkeiten des 1. Mai's 1993 durchgeführt. Wir haben den Beschuldigten beobachtet, wie er Burek und Getränke verkaufte.

Er

 

gab an, dies für das kurdische Informationsbüro durchzuführen. Trotz Aufforderung einen Verantwortlichen bekanntzugeben, hat der Beschuldigte dies bis zur Stellungnahme vom 2.7.1993 nicht getan.

Über Vorhalt des Berufungsvorbringens:

Am 1. Mai fand eine angemeldete Kundgebung der SPÖ statt, von einer kurdischen ist mir nichts bekannt. Zum Zeitpunkt der Revision um

11.15 Uhr war die offizielle Kundgebung der SPÖ bereits vorbei, es fand nur noch eine kleine Art von Feier der KPÖ statt, die sich jedoch nicht unmittelbar auf diesem Areal befand. Es waren auch schon

 

alle Einrichtungen für die Kundgebung abgebaut, bis auf die große Bühne.

Ich habe beim Beschuldigten weder Zellophanpapier noch Alufolie entdeckt. Die Burek befanden sich nicht abgedeckt in einem Karton direkt auf dem Boden.

Ich habe den Beschuldigten beobachtet, wie er diese Burek's jemanden anbot und zwar direkt aus diesem Karton vom Boden. Ich habe den Beschuldigten darauf aufmerksam gemacht, daß er diese Ware nicht direkt vom Boden weg verkaufen kann. Weiters habe ich ihm darauf hingewiesen, daß ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet werden wird, weshalb ich ihn auch nach einem allfälligen Beauftragten gefragt habe bzw ob er im Namen einer Firma oder eines Anderen diese Ware verkaufte. Wie bereits ausgeführt, hat der Beschuldigte zwar angegeben, für das kurdische Informationsbüro tätig gewesen zu sein, kam aber der Aufforderung einen Verantwortlichen bekanntzugeben nicht

 

nach.

Den entgeltlichen Verkauf konnten wir zweifelsfrei beobachten, er hat

 

sogar noch während der Revision Burek's verkauft.

Ob der Käufer ein Aus- oder Inländer war kann ich mich nicht erinnern.

Zum Zeitpunkt der Revision war jedenfalls kein Aufmarsch und somit auch kein Stillstand eines Aufmarsches festzustellen. Von der Verkaufsörtlichkeit aus konnte man den Ring nicht sehen und somit war es auch unmöglich, festzustellen, ob überhaupt noch ein Aufmarsch stattgefunden hat."

4. Die Berufung ist nicht begründet.

Gemäß § 1 Abs 2 des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG 1975) ist unter in

 

Verkehr bringen das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpacken, Bezeichnen, Feilhalten, Ankündigen, Werben, Verkaufen, jedes sonstige Überlassen und das Verwenden für Andere zu verstehen, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht.

Aufgrund der Aktenlage sowie der Aussage des Zeugen Christian Do steht zweifelsfrei fest, daß der Berufungswerber am 1. Mai 1993 Burek

 

einer größeren Anzahl von Personen angeboten und dafür eine Gegenleistung - wenn auch in Form von Spenden - erhalten hat. Dies wird im übrigen auch vom Berufungswerber nicht bestritten. In der Berufung vom 6.9.1993 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, MBA 10-S 6060/3 vom 10.8.1993, hat der Berufungswerber selbst vorgebracht, daß er mehrmals von Personen, die

 

nicht den Vereinsmitgliedern zuzurechnen seien, gebeten worden sei, ihnen das eine oder andere abzugeben, was der Berufungswerber anbetracht des solidarischen Charakters der Kundgebung nicht ablehnen

 

wollte. Für die Unkosten hätten sich diese Personen mit einer Spende revangiert.

Der Berufungswerber hat durch das Anbieten der Burek's eine Handlung gesetzt, die der Gesetzgeber als unter in Verkehr bringen versteht. "In Verkehr bringen" ist jede Handlung, welche die Möglichkeit eröffnet, daß ein Anderer die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Ware erlangt und diese nach eigenen Gutdünken und Entschluß in einem dem Wesen der Ware entsprechenden Sinn verwenden kann (RZ 1979/41=SST

 

50/19). Der Gesetzgeber des LMG hat alle Phasen des in Verkehrbringens erfaßt, um sicherzustellen, daß die Ware in ihrer dem

 

Gesetz entsprechenden Beschaffenheit zum Verbraucher gelangt. Das in Verkehrbringen wird nur unter Strafe gestellt, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht.

"Erwerbszwecke" bedeutet im Lebensmittelrecht (nicht ident mit § 1 GewO) jede im Rahmen eines Gewerbes oder zu gewerblichen Zwecken vorgenommene, nicht einem rein privaten Bedürfnis dienende Tätigkeit,

 

ohne daß diese entgeltlich oder mit der Absicht einer Gewinnerzielung

 

oder in Wiederholungsabsicht erfolgen müßte. Es genügt, daß der Weitergeber ganz allgemein bescheid darüber weiß, daß die Ware durch seine Handlungsweise dem Verbraucher unmittelbar oder mittelbar näher

 

gebracht wird (OGH in RZ 1979/41=SST 50/19). Da der Berufungswerber Burek's feilgehalten und an Verbraucher unmittelbar, auch wenn nur gegen Erhalt einer Spende zur Deckung der Unkosten, weitergegeben hat, ist diese Handlung als in Verkehrbringen gemäß LMG zu qualifizieren.

Die Rechtfertigung des Beschuldigten geht aber auch insofern ins Leere, weil auch die Gemeinschaftsversorgung unter das LMG fällt. Unter Gemeinschaftsversorgung versteht der Gesetzgeber jede gemeinschaftliche Abgabe von Speisen, soferne sie nicht in der privaten Sphäre geschieht, uzw auch dann, wenn das Essen kostenlos abgegeben wird. Daß die Backwaren weitergegeben wurden bestreitet der

 

Berufungswerber nicht.

Zu den erstmals in der Berufung vorgebrachten Ausführungen, die mitgeführte Backware sei zunächst ordnungsgemäß in Zellophanpapier bzw Alufolie verpackt gewesen sowie sie sei von Vereinsmitgliedern im

 

Zuge der Rast möglicherweise sorglos an einen gemeinsamen Ort abgelegt worden, ist folgendes festzustellen:

Im Zuge der Einvernahme gab der Zeuge Christian Do über Vorhalt des Berufungsvorbringens an, daß er beim Beschuldigten weder Zellophanpapier noch Alufolie entdeckt habe.

Der Zeuge, welcher in dieser Eigenschaft der Wahrheitspflicht unterlag, machte einen durchaus glaubwürdigen Eindruck und es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß dieser den Berufungswerber wahrheitswidrig hätte belasten wollen. Seine Aussage stimmt auch mit den Angaben des Berufungswerbers im erstinstanzlichen Verfahren insofern überein, daß die Backwaren jedenfalls am Boden gelagert waren. Im Einspruch vom 23.6.1993 hat der Berufungswerber selbst zugegeben, daß kein eigener Verkaufsstand eingerichtet worden war, weshalb notwendigerweise die Waren am Boden gelagert sein mußten.

Dem

 

Berufungsvorbringen, es sei die Backware zunächst ordnungsgemäß in Zellophanpapier bzw Alufolie verpackt gewesen, konnte in Anbetracht des Erhebungsberichtes der Magistratsabteilung 59 - Marktamtsabteilung fd 1. Bezirk, sowie aufgrund der Aussage des Zeugen Christian Do, daß in der Umgebung des Berufungswerbers weder Zellophanpapier noch Alufolie vorhanden waren, keinen glauben geschenkt werden.

Aufgrund des durchgeführten Verfahrens ist erwiesen, daß der Berufungswerber Burek mit Fleisch- und Käsefüllung auf dem Boden in einen Bananenkarton bereitgehalten und nicht vorgesorgt hat, daß das Lebensmittel nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden kann.

Es war noch zu prüfen, ob der Berufungswerber Vorsorge getroffen hat,

 

die ihm nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar sind. Als derartige Vorkehrung wäre die Lagerung der Backwaren mindestens 50 cm über dem Boden sowie eine Abdeckung, eventuell mit Zellophanpapier, möglich gewesen, um die Ware gegen Anhusten, Betasten zu schützen. Der Berufungswerber konnte aber einen solchen Nachweis nicht erbringen. Die Unterlassung der möglichen und zumutbaren Vorsorge zur Vermeidung

 

nachteiliger hygienischer Beeinflussung von Lebensmittelverzehrprodukten oder Zusatzstoffen gefährdet in nicht unerheblichen Maß den von der Vorschrift angestrebten Zweck der Vermeidung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Kosumenten. Unter Berücksichtigung des bis zu S 25.000,-- reichenden Strafrahmens

 

erscheint die von der erstinstanzlichen Behörde verhängten Geldstrafe

 

im Ausmaß von S 1.000,-- (trotz des Milderungsgrundes der bisherigen verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit) durchaus angemessen und

 

selbst für den Fall, daß der Berufungswerber Einkommens- und Vermögenslos sowie sorgepflichtig sein sollte, nicht zu hoch, zumal sie sich ohnehin im untersten Bereich bewegt und nur einen Bruchteil der möglichen Höchststrafe beträgt.

5. Gemäß § 51f Abs 2 VStG erfolgte die Durchführung der Verhandlung und die Fällung des Erkenntnisses in Abwesenheit der Verfahrensparteien.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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