TE UVS Niederösterreich 1993/11/23 Senat-MI-92-076

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Veröffentlicht am 23.11.1993
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBlNr 51, grundsätzlich keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

 

Der Spruchteil 1 des erstinstanzlichen Bescheides wird jedoch insoweit abgeändert, als das Ausmaß der verhängten Strafe auf S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) herabgesetzt wird.

 

Der Kostenbeitrag für das Verfahren I Instanz beträgt S 300,--.

 

Die Übertretungsnorm lautet wie folgt:

" 32 Abs1 litd iVm §9 Abs2 Berufsausbildungsgesetz 1969.

 

Die Strafnorm lautet:

§32 Abs1 litd Berufsausbildungsgesetz 1969.

 

Der Strafbetrag und die Kosten des Verfahrens erster Instanz sind binnen 2 Wochen ab Zustellung zu bezahlen

(§59 Abs2 AVG).

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten im Spruchteil 1 vorgeworfen, als Lehrberechtigter am 17. Juni 1991 den namentlich genannten Lehrling zu Tätigkeiten (Grundaushub und Rollschotterschaufeln) anläßlich des Umbaus des Möbeleinrichtungshauses in M*********, B***straße **, herangezogen zu haben, obwohl diese Tätigkeiten mit dem Wesen der Ausbildung als Tischler nicht vereinbar seien. Hiefür wurde über den Beschuldigten eine Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 120 Stunden) verhängt.

 

Im Spruchteil 2 wurde ein nach dem Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetz eingeleitetes Strafverfahren gegen den Beschuldigten eingestellt.

 

Spruchteil 2 ist rechtskräftig, da keine der Parteien Berufung erhoben hat.

 

Gegen Spruchteil 1 richtet sich die vorliegende Berufung des Beschuldigten, in der dieser im wesentlichen vorbringt, daß es sich bei dem Grundaushub um die Entfernung des alten Fußbodens und der bisherigen Schüttung, beim Rollschotterschaufeln um die Einbringung der neuen Schüttung gehandelt habe, wobei diese Tätigkeiten Vorbereitungsarbeiten zur Verlegung des neuen Fußbodens und somit mit dem Wesen der Ausbildung vereinbart seien. Bei einer fachgerechten Verlegung von Holzböden seien Kenntnisse über die Schaffung der Unterkonstruktion unerläßlich. In den in den Ausbildungsvorschriften nach §8 Abs2 BAG enthaltenen Berufungsbildern seien nur die wesentlichen Fertigkeiten und nicht alle berufsbezogenen Tätigkeiten angeführt. Der Berufungswerber ersuchte diesbezüglich, einen fachkundigen Sachverständigen zu befragen und das Straferkenntnis aufzuheben.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

Gemäß §9 Abs2 BAG hat der Lehrberechtigte den Lehrling nur zu solchen Tätigkeiten heranzuziehen, die mit dem Wesen der Ausbildung vereinbar sind.

 

Wer seiner Verpflichtung, den Lehrling nicht zu berufsfremden Tätigkeiten zu verwenden, nicht nachkommt, begeht nach §32 Abs1 litd BAG eine Verwaltungsübertretung.

Werden bei der Errichtung eines Bauwerkes Tätigkeiten von verschiedenen Gewerbetreibenden durchgeführt, so können durchaus Kenntnisse über die jeweils vorgelagerte Tätigkeit für die nachfolgenden Arbeiten von Bedeutung sein. Dem Berufungswerber ist daher grundsätzlich zuzugestehen, daß theoretische Kenntnisse über eine vorhandene Unterkonstruktion bei der fachgerechten Verlegung von Holzböden von Bedeutung sein können. Damit verwechselt er aber eindeutig das Erfordernis der Kenntnis vorgelagerter Arbeiten mit der Befugnis bzw Notwendigkeit der Durchführung selbst. Die Heranziehung des Lehrlings hat sich daher jedenfalls auf jene Tätigkeiten zu beschränken, die der jeweiligen gewerblichen Tätigkeit zuzuordnen sind.

 

Wenngleich die Berufungsbilder nach §8 BAG lediglich die wesentlichen Fertigkeiten und Kenntnisse, die während der Ausbildung zu vermitteln sind, zu enthalten haben, so sind die Grenzen der Ausbildung jedenfalls dort gesetzt, wo eine Tätigkeit eindeutig einem anderen Berufsbild zuzuordnen ist. Die im gegenständlichen Fall von Jugendlichen durchgeführten Arbeiten sind jedenfalls nicht dem Tischlergewerbe, sondern vielmehr dem Baumeistergewerbe zuzuordnen. So ergibt sich etwa aus den Ausbildungsvorschriften für das Berufsbild Maurer (vgl die Verordnung des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 6.Juli 1979, BGBlNr 291), daß zB die Herstellung von Estrichen und die Einbringung von Fußbodenbeschüttungen dem Berufsbild Maurer zuzuordnen ist. Daraus ergibt sich unzweifelhaft, daß die Heranziehung von Jugendlichen für die im Straferkenntnis angeführten Tätigkeiten im Rahmen der Ausbildung zum Tischler kein Raum bleibt. Diese Tätigkeiten sind daher als berufsfremde Tätigkeiten zu qualifizieren und dem Wesen der Ausbildung als Tischlerlehrling unvereinbar.

 

Von der beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dieser Frage war abzusehen, da es sich dabei um eine Rechtsfrage handelt, die einer Beurteilung durch Sachverständige nicht zugänglich ist. Die Berufung erweist sich daher als grundsätzlich unbegründet.

 

Zur Strafbemessung ist festzustellen:

 

Gemäß §19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die Erschwerungs- und Milderungsgründe, das Ausmaß des Verschuldens sowie Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse zu berücksichtigen.

 

Eine Gefährdung der gesetzlich geschützten Interessen ist deshalb erfolgt, da durch die Heranziehung des Lehrlings zu ausbildungsfremden Zwecken das Interesse des Jugendlichen an einer ausschließlich berufsspezifischen Ausbildung verletzt wurde. Dem Beschuldigten ist zumindest fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen. Zu berücksichtigen sind die sich aus der vorgelegten Jahresbilanz ergebenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse.

 

Aktenkundig sind mehrere, jedoch nicht einschlägige Vorstrafen. Erschwerende Umstände liegen daher nicht vor. Mildernd ist lediglich das Tatsachengeständnis. §32 Abs1 BAG sah zum Tatzeitpunkt - dieser ist für die Strafbemessung heranzuziehen - eine Geldstrafe bis zu S 10.000,-- oder Arrest bis zu 3 Wochen vor. Im Hinblick auf die erforderliche Berichtigung der Übertretungsnorm und der Strafnorm - die von der Behörde erster Instanz zitierte Strafnorm sah eine Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder Arrest bis zu 3 Monate vor - war die verhängte Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe angemessen neu festzusetzen.

 

Gemäß §51e VStG konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben, da die Entscheidung lediglich von Rechtsfragen abhängig war.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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