TE Vwgh Erkenntnis 2001/10/2 99/01/0015

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Veröffentlicht am 02.10.2001
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde des B P in H, geboren am 17. November 1977, vertreten durch Dr. Gerhard O. Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 16. Dezember 1998, Zl. 206.171/0-XI/35/98, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein der albanischen Volksgruppe zugehöriger jugoslawischer Staatsangehöriger aus dem Kosovo, reiste am 2. September 1998 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 3. September 1998 die Gewährung von Asyl. Bei seiner Vernehmung am 12. Oktober 1998 gab er an, er stamme aus Brezna, wo er bei seiner Mutter gelebt habe und sei zuletzt bei einem Onkel in Polishte, rund zehn Kilometer von Prizren entfernt, aufhältig gewesen. Er sei wegen des Krieges aus seiner Heimat geflüchtet; er habe Angst vor dem Krieg gehabt. Zum Zeitpunkt der Ausreise habe es im und um das Dorf Polishte Kämpfe gegeben; er habe dort mehrere Tote gesehen. Aus religiösen oder politischen Gründen fühle er sich nicht verfolgt. Müsste er in sein Heimatland zurückkehren, würde er sicher erstochen werden, weil er vom Staat Jugoslawien geflüchtet sei.

Mit Bescheid vom 16. Oktober 1998 wies das Bundesasylamt den Asylantrag ua. mit der Begründung - gemäß § 7 AsylG - ab, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv), weil ihm in seinem Herkunftsland keine Verfolgung drohe.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, seine Angst, die ihn zur Flucht bewogen habe, gründe sich auf die derzeitigen Ereignisse im Kosovo. Die Motive seiner Flucht seien darin gelegen, dass er sich vor den kriegerischen Vorgängen in Sicherheit bringen habe wollen und nicht Opfer des gewaltsamen Vorgehens der serbischen Armee und der Polizei habe werden wollen. Nach der Flucht tausender Kosovo-Albaner nach Montenegro seien die dortigen staatlichen Grenzen geschlossen worden und es werde Kosovo-Albanern verwehrt, das Gebiet zu betreten.

In einem Schreiben vom 24.11.1998 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass sie beabsichtige, bei ihrer Berufungsentscheidung von folgenden (auszugsweise wiedergegebenen) Tatsachen auszugehen:

"Es ist amtsbekannt, dass es im Kosovo in den vergangenen Jahren zu vermehrten (auch gewaltsamen) Übergriffen auf Angehörige der albanisch-stämmigen Bevölkerung durch serbische Behören gekommen ist. Es liegen vielfach Berichte über Verhöre, Hausdurchsuchungen und Festnahmen vor. Ferner wurde die albanischstämmige Bevölkerungsgruppe in sozialer Hinsicht vielfach benachteiligt, verloren im Zeitraum seit 1990 über 14.000 Kosovo-Albaner ihren Arbeitsplatz, welcher in der Regel von Serben eingenommen wurde, und wurde auch das parallele albanische Erziehungswesen (Schule und Universität) schwer in Mitleidenschaft gezogen (Bericht der österreichischen Botschaft in Belgrad vom 12.11.1996, Zahl: 224.21/2/96; Human Rights Watch 1998, 254;

Commission on Human Rights des UN Economic und Social Coucil, Minderheitenbericht früheres Jugoslawien vom 25.10.1996, 8 ff;

Auswärtiges Amt der BRD, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der BRJ, Stand April 1998).

Aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich ferner, dass sich Übergriffe auf albanisch-stämmige Staatsangehörige im Wesentlichen auf den Kosovo beschränkten. So sind insbesondere aus Zentralserbien (hier wiederum primär aus Belgrad) keine Diskriminierungen oder Menschenrechtsverletzungen gegenüber Angehörigen von Minderheiten bekannt.

Aber auch in Montenegro, wo ca. 7% der Bevölkerung der albanischen Minderheit angehören, fanden bis lang keine Übergriffe auf Albaner statt (Commission on Human Rights, aaO, 19; U.S. Departement of State, Serbia-Montenegro Country Report on Human Rights Practices for 1997, 4; UNHCR, Information zu Kosovo vom 14.07.1998). Vielmehr halten sich in Montenegro derzeit zwischen 30.000 und 46.425 (UN Inter - Agency, Update on Kosovo Situation Report 64, 19.-13. September 1998; US-State Departement, APA 690 vom 03.11.1998) albanisch-stämmige Kosovo-Flüchtlinge unbehelligt auf. Dank der großzügigen Hilfsbereitschaft der örtlichen Bevölkerung in Grenzorten hätten die meisten Flüchtlinge privat bei Verwandten oder Freunden untergebracht werden können. Nur wenige Vertriebene wären in Sammelunterkünften untergebracht (UNHCR, Information zu Kosovo vom 14.07.1998, 5). Im Hinblick auf das Memorandum der Regierung der Republik Montenegro vom 11.9.1998 erscheint jedoch eine Überschreitung der Binnengrenzen zwischen dem Kosovo und der Republik Montenegro derzeit schwierig bzw. nicht möglich (vgl. auch die Kritik des UNHCR in: UN Inter-Agency, Update on Kosovo Situation Report 63, 12.-18. September 1998). Anhaltspunkte dafür, dass Montenegro von außerhalb des Staatsgebietes nicht zugängig wäre, liegen hingegen nicht vor. In der BR Jugoslawien halten sich außerhalb des Kosovo und Mazedonien rund 20.000 Kosovo-Flüchtlinge auf (UN Inter-Agency, Update on Kosovo Situation Report 65, 24. - 29. September 12998).

Amtsbekannt ist ferner, dass die Wahrscheinlichkeit, dass albanisch-stämmige Staatsangehörige im Falle ihrer Rückkehr in den Heimatstaat massiven staatlichen Repressionen ausgesetzt wären, als gering einzustufen ist. Wenngleich von diversen Unterstützungsgruppen der Kosovo-Albaner laufend neue Fälle angeblicher Menschenrechtsverletzungen berichtet werden, ergab eine objektive Prüfung seitens des deutschen Außenamtes, dass hinter einem Großteil der Meldungen staatliche Maßnahmen ohne Misshandlungscharakter (vor allem polizeiliche Befragungen, Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen und gerichtliche Prozesse bei Straftätern) standen (vgl Auswärtiges Amt der BRD, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der BRJ, Stand April 1998; BAFI, BRJ- Information, Juli 1998, 15). Rückkehrer kosovo-albanischer Abstammung finden jedoch selten Arbeit bzw. erhalten keine Sozialhilfe (BAFI, BRJ- Information, Juli 1998, 16).

Vermehrte Übergriffe abgelehnter Asylantragssteller waren lediglich im Falle der Rückkehr in den Kosovo zu verzeichnen, wobei hiefür hauptsächlich der Verdacht ausschlaggebend war, dass derartige Personen im Ausland für die UCK oder ähnliche Organisationen tätig gewesen waren. ... So stellt auch das Schwergewicht der von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe dokumentierten Fälle solche der Rückführung oder Rückkehr in den Kosovo dar. Geringfügigere Übergriffe sind abgesehen davon nur vom Flughafen Belgrad bzw. ein einziger durch montenegrinische Behörden verzeichnet.

Die jüngste Entwicklung selbst stellt sich wie folgt dar: In der Nacht zum 13. Oktober 1998 kam es zu einer Einigung zwischen Jugoslawiens Staatspräsident Slobodan Milosevic und dem US Sondervermittler Richard Holebrooke, worin als wesentliche Punkte der Truppenabzug aus dem Kosovo, die Stationierung von 2.000 OSZE-Beobachtern im Kosovo und die Luftraumüberwachung durch die NATO vereinbart wurden. Am Abend beschloß die serbische Regierung einen Elf-Punkte-Plan mit den folgenden wichtigsten Punkten:

Politische Lösung: Ein Abkommen über die Grundelemente einer politischen Lösung soll bis 2. November vereinbart werden.

Wahlen: Abhaltung von allgemeinen Wahlen für ein Provinzparlament und lokale Selbstverwaltungsorgane sowie die Gerichte unter Aufsicht der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) innerhalb von neun Monaten.

Festlegung von Prozedur und Regeln bis 9. November.

     Beobachter: Bis 19. Oktober soll eine Vereinbarung über die

Stationierung internationaler Beobachter ausgehandelt werden.

     Gleichberechtigung: Serbien garantiert den Albanern und

anderen Bevölkerungsgruppen im Kosovo volle Gleichberechtigung.

     Lokale Polizei: Schaffung von lokalen Polizeieinheiten, die

den Gemeinden unterstellt und entsprechend dem Bevölkerungsanteil zusammengesetzt sein sollen.

Straffreiheit: Allen am Kosovo-Konflikt aktiv Beteiligten wird Straffreiheit zugesichert, ausgenommen bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder das internationale Recht. Bereits verhängte Strafen gegen Kosovo-Albaner wegen politischer Delikte sollen gemildert werden.

ß(APA 498, 696 AA vom 13.10.1998, "Der Standard" vom 15. Oktober 1998).

Den täglichen Medienberichten zufolge läuft die Umsetzungsphase wie folgt: Es wurden bereits (mindestens 70) OSZE-Beobachter entsandt und fanden NATO- Überwachungsflüge sowie die geforderten Truppenrückzugsbewegungen statt. Von der NATO wurde die Reduzierung der Polizei von 14.500 Polizisten auf 10.000 gefordert, wovon am 27./28. Oktober 1998 allein 4.000 abgezogen sind. Während sich die jugoslawischen Bundesarmee vorbildlich an die Vereinbarung zum Truppenrückzug hält, räumten die Polizeieinheiten zwar ihre festen Straßensperren, richteten dafür aber mobile Patrouillen ein. Aufgrund des aufrechten Einsatzbefehls der NATO im Fall der Nichteinhaltung der Vereinbarung und der genauen Beobachtung des Fortschreitens deren Umsetzung ist davon auszugehen, dass den Kampfhandlungen nunmehr ein tatsächliches Ende gesetzt wurde. Vereinzelt gemeldete Übergriffe werden nach internationaler Einschätzung überwiegend UCK- Aktivisten als Verursachern zugeschrieben. Die UCK versucht, sich als albanische Polizei zu etablieren. Die Zahl der nach der Flucht aus den Dörfern unter freiem Himmel lebenden Kosovo-Albaner nimmt täglich ab, sodass sich dzt. von den ursprünglich fast 300.000 Menschen nur noch zwischen wenigen hundert und ca. 5.000 im Freien aufhalten würden (vgl. UNHCR, APA 671 AA vom 03.11.1998; IS- State Department, APA 690 AA vom 03.11.1998)."

Von der ihm von der belangten Behörde eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme zu den in Aussicht genommenen Feststellungen hat der Beschwerdeführer keinen Gebrauch gemacht.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien zulässig sei. Ausgehend von den in ihrem Schreiben angekündigten Feststellungen begründete die belangte Behörde ihren Bescheid im Wesentlichen damit, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine Anhaltspunkte für eine drohende individuelle Verfolgung zu entnehmen seien; subjektive Befürchtungen vor Übergriffen genügten nicht. Der Beschwerdeführer sei bei den serbischen Behörden in keiner Weise in Erscheinung getreten. Im Übrigen bestehe insbesondere im Bundesstaat Montenegro sowie in Zentralserbien eine inländische Fluchtalternative. Soweit der Beschwerdeführer seine Gefährdung im Sinne des § 57 FrG mit der Situation im Kosovo begründe und er im Falle einer Abschiebung mit behördlichen Sanktionen rechne, sei ihm entgegenzuhalten, dass sich Übergriffe auf albanisch-stämmige Bürger Jugoslawiens ausschließlich auf den Kosovo bzw. punktuell auf den Flughafen Belgrad, also nicht auf das gesamte Staatsgebiet bezögen. Vermehrte Übergriffe gegen abgelehnte Asylantragsteller seien lediglich bei einer Rückkehr in den Kosovo zu verzeichnen, wobei hauptsächlich der Verdacht ausschlaggebend sei, dass derartige Personen im Ausland für die UCK oder ähnliche Organisationen tätig gewesen wären.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Kernpunkt der Feststellungen der belangten Behörde zur - damaligen - jüngsten Entwicklung im Kosovo ab dem 13. Oktober 1998 ("Holbrooke/Milosevic- Abkommen") ist die Vereinbarung eines serbischen Truppenabzuges aus dem Kosovo, der Stationierung von OSZE- Beobachtern und einer Luftraumüberwachung durch die NATO sowie, dass die Umsetzung dieser Maßnahmen im Gange sei; auf Grund des aufrechten Einsatzbefehles der NATO könne tatsächlich mit einem Ende der Kampfhandlungen gerechnet werden.

Bei dieser Prognose handelt es sich um eine Spekulation der belangten Behörde, der zwar das genannte Abkommen, aber keine Feststellungen über tatsächliche Gegebenheiten zu Grunde liegen, die den von der belangten Behörde gezogenen Schluss auf ein Ende aller Kämpfe zuließen, zumal diesem Abkommen monatelange Kampfhandlungen zwischen serbischen Sicherheitskräften und der UCK vorangingen, die mit Übergriffen auf die albanisch-stämmige Zivilbevölkerung verbunden waren; ein Aufhören dieser Übergriffe stand nicht fest. Es trifft zwar zu, dass grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, die Annahme begründen können, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Vor dem Hintergrund der lange Zeit andauernden Repressionen und in Anbetracht der von der Behörde ergänzend festgestellten weiteren UCK-Aktivitäten hätte es jedoch eines längeren Beobachtungszeitraumes sowie der Feststellung von auf eine friedliche Entwicklung hindeutenden Tatsachen bedurft, um im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides eine Prognose dergestalt vorzunehmen, wie sie von der belangten Behörde angestellt wurde.

Vor diesem Hintergrund ist zur Behauptung einer asylrelevanten Verfolgung aller Albaner im Kosovo allein auf Grund ihrer ethnischen Zugehörigkeit zunächst auszuführen, dass es der Verwaltungsgerichtshof insbesondere aufgrund von Medienberichten als notorisch ansieht, dass mit der Reaktion serbischer Sonderpolizei auf einen Überfall auf eine reguläre Polizeipatrouille durch "albanische Separatisten" am 28. Februar 1998 eine neue Stufe der seinerzeitigen "bewaffneten" Auseinandersetzungen im Kosovo begonnen hatte. Diese Auseinandersetzungen gingen auch mit vermehrten Übergriffen auf die albanische Zivilbevölkerung einher. Derartige Vorgänge, insbesondere in Ländern, aus denen viele Asylwerber nach Österreich kommen, sind vom Bundesasylamt und vom unabhängigen Bundesasylsenat als Spezialbehörden jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 6. Juli 1999, Zlen. 99/01/0058 bis 0063). Es ist auch allgemein bekannt, dass sich die Aktionen der serbischen Kräfte zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (16. Dezember 1998) nicht auf den ganzen Kosovo bezogen haben (vgl. das Erkenntnis vom 22. Dezember 1999, Zl. 98/01/0639, mwN). Eine asylrelevante Verfolgung wäre dann zu bejahen gewesen, wenn der Asylwerber aus einer Gegend stammte, in der Aktionen der genannten Art mit der für die Asylgewährung maßgeblichen Wahrscheinlichkeit zu befürchten waren und keine besonderen Umstände vorlagen, die es unwahrscheinlich machten, dass der Asylwerber davon betroffen sein könnte (vgl. das Erkenntnis vom 20. Oktober 1999, Zl. 99/01/0204). Zwar waren für den Bereich von Prizren für den in Frage stehenden Zeitpunkt verstärkte Aktionen der genannten Art nicht notorisch, der Beschwerdeführer hatte aber darauf hingewiesen, dass es Kämpfe in der Umgebung von Polishte, wo er sich zuletzt aufgehalten habe, und auch kleine Kämpfe direkt im Dorf gegeben und er Tote gesehen habe. Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht auseinander gesetzt und dazu keine Feststellungen getroffen. Folgt man den Angaben des Beschwerdeführers, so stammt er aus einem Ort in einem Bereich, auf den sich die damaligen serbischen Aktivitäten bereits erstreckt hatten. Unter Berücksichtigung der für die Beurteilung des Beschwerdefalles maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (§ 41 Abs. 1 VwGG) konnte bei einem ethnischen Albaner, der aus einer solchen Region bzw. aus einem daran angrenzenden Gebiet kam, auf das sich die Aktionen schon ausgeweitet hatten bzw. eine Ausweitung der Aktionen nicht auszuschließen war, daher - anders als für den Zeitraum vor dem 28. Februar 1998 - nicht von vornherein gesagt werden, dass die bloße Zugehörigkeit zur albanischen Bevölkerungsgruppe nicht ausreichte, die Flüchtlingseigenschaft zu begründen. In einem solchen Fall ist es vielmehr erforderlich, bei der Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft auch das genannte Amtswissen einzubeziehen (vgl. das Erkenntnis vom 12. Mai 1999, Zl. 98/01/0576).

Ungeachtet dessen kam dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft jedenfalls dann nicht zu, wenn ihm - wie von der belangten Behörde zu Grunde gelegt - eine "inländische Flüchtlingsalternative" offen stand. Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer diesbezüglich auf das Gebiet von Zentralserbien und Montenegro verwiesen. Was zunächst das nicht näher umschriebene Gebiet "Zentralserbien" anlangt, so stützt sich der Bescheid lediglich auf den Umstand, dass dort keine Verfolgungshandlungen an aus dem Kosovo stammenden ethnischen Albanern "bekannt geworden" seien. Dieser Umstand allein vermag jedoch schon deshalb die Annahme einer "inländischen Fluchtalternative" nicht zu rechtfertigen, weil offen bleibt, ob überhaupt Fluchtbewegungen von Kosovo-Albanern nach "Zentralserbien" stattgefunden haben und die belangte Behörde selbst fest hält, dass es an ausreichend dokumentierten Berichten aus Zentralserbien fehlt. Was die Fluchtmöglichkeit nach Montenegro anlangt, hat die belangte Behörde in ihrem Vorhalt vom 24. November 1998 eingeräumt, dass im Hinblick auf das Memorandum vom 11. September 1998 eine Überschreitung der Binnengrenze zwischen dem Kosovo und der Republik Montenegro zum damaligen Zeitpunkt schwierig bzw. nicht möglich gewesen sei. Diese Einschätzung entspricht im Übrigen dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung, wonach es Kosovo-Albabern verwehrt worden sei, montenegrinisches Gebiet zu betreten und zwar ohne die von der belangten Behörde hinzu gefügte Einschränkung auf die Binnengrenze. Daran knüpft zwar im Vorhalt der belangten Behörde die Aussage, es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Montenegro von außerhalb des Staatsgebietes nicht "zugängig" wäre, doch konnte das bloße Fehlen von Anhaltspunkten dafür jedenfalls dann nicht als Beurteilungsgrundlage ausreichen, wenn die von der Behörde angenommene Sperre der Binnengrenzen massiv auf einen Stopp der Aufnahme weiterer Flüchtlinge hinweist. Zu Recht wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde in diesem Punkt eine Verletzung von Verfahrensvorschriften vor. Zumindest für den Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides lässt sich ohne weitere Ermittlungen nicht sagen, dem Beschwerdeführer stehe eine "Übersiedlung" nach Montenegro offen (vgl. das Erkenntnis vom 22. Dezember 1999, Zl. 98/01/0622).

Zusammenfassend ergibt sich daher, dass der bekämpfte Bescheid rechtswidrig ist; soweit die belangte Behörde mit einer Änderung der Verhältnisse auf Grund des mehrfach genannten Abkommens vom 13. Oktober 1998 argumentiert, hat sie die Rechtslage verkannt (vgl. das Erkenntnis vom 8. September 1999, Zl. 99/01/0126). Zudem vermögen die Feststellungen die Annahme des Bestehens einer "inländischen Fluchtalternative" für den Beschwerdeführer nicht zu tragen, wobei die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung nicht mehr ins Gewicht fällt und der angefochtene Bescheid schon wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 2. Oktober 2001

Schlagworte

Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999010015.X00

Im RIS seit

06.12.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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