TE UVS Wien 1994/03/17 03/21/105/94

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Veröffentlicht am 17.03.1994
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Behandlung der Beschwerde vom VwGH mit Beschluß vom 20.5.1994, GZ 94/02/0196, abgelehnt Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat über die Berufung des Herrn Lothar K, wohnhaft in O, M-straße, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Simmering, vom 10.12.1993, Zl Pst 866-Sg/93, wegen Übertretung des §99 Abs2 litc iVm §18 Abs1 StVO entschieden:

Gemäß §66 Abs4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß die Tatumschreibung zu lauten hat:

"Sie (Lothar K) haben am 13.3.1993 um 18.40 Uhr in Wien, Autobahn A 4 ca 200 m nach Abfahrt S-Haide Fahrtrichtung stadtauswärts als Lenker des KKW mit dem Kennzeichen FN-5 (D) den Sicherheitsabstand zu dem vor Ihnen fahrenden Fahrzeug nicht eingehalten und haben sich dadurch besonders rücksichtslos gegenüber anderen Straßenbenützern verhalten, indem der Abstand zu dem Vorderfahrzeug bei der gefahrenen Geschwindigkeit von 100 km/h lediglich 1,00 bis 1,50 m betragen hat."

Der Berufungswerber hat daher gemäß §64 Abs1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von 600,--, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu bezahlen.

Text

Begründung:

Mit Straferkenntnis vom 10.12.1993, Zl Pst 866-Sg/93, erkannte die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Simmering, den Berufungswerber schuldig, er habe am 13.3.1993, um 18.40 Uhr in Wien, Autobahn A 4 ca 200 m nach Abfahrt S-Haide Fahrtrichtung stadtauswärts als Lenker des KKW FN-5 (D) den Sicherheitsabstand zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug nicht eingehalten. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach §99 Abs2 litc iVm §18 Abs1 StVO begangen. Gemäß §99 Abs2 litc StVO wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall 4 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerechte Berufung des Beschuldigten, in welcher dieser Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 17.3.1994 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der rechtsfreundliche Vertreter des Beschuldigten teilnahm und der Meldungsleger Inspektor S und Inspektor K zeugenschaftlich einvernommen wurden.

Folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt wird als erwiesen festgestellt:

Der Berufungswerber fuhr als Lenker des mit dem im Spruch des Straferkenntnisses genannten Kfz zur Tatzeit in Wien, Autobahn A 4, Fahrtrichtung stadtauswärts. Zirka 200 m nach Abfahrt S-Haide scherte der Berufungswerber aus der sich am rechten Fahrstreifen mit ca 80 km/h fortbewegenden Kolonne aus, wechselte auf den linken Fahrstreifen und ordnete sich dort unmittelbar hinter dem Zivilstreifenkraftwagen, welcher mit 100 km/h unterwegs war, ein. Der Berufungswerber schloß rasch auf das vor ihm fahrende Fahrzeug auf und folgte diesem unter Einhaltung eines Abstandes von lediglich 1,00 bis 1,50 m. Erst nachdem der Zivilstreifenkraftwagen die Heckjalousie hochfuhr und die Aufschrift "Halt Polizei" zu sehen war, verringerte der Berufungswerber seine Fahrgeschwindigkeit und vergrößerte sich dadurch der Abstand zu dem Streifenkraftwagen.

Unbestritten ist, daß der Berufungswerber zur Tatzeit am Tatort als Lenker unterwegs war. Die von ihm und vom Streifenkraftwagen gefahrene Geschwindigkeit bleib weiters ebenso unbestritten, wie der Umstand, daß der Berufungswerber unmittelbar hinter dem Streifenkraftwagen gefahren ist.

Hinsichtlich der Frage mit welchem Sicherheitsabstand der Berufungswerber dem Streifenkraftwagen gefolgt ist, lagen dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien zwei prinzipiell divergierende Darstellungen vor, nämlich die Angaben der Zeugen, die einen Abstand von lediglich 1,00 - 1,50 m beobachteten und die Verantwortung des Berufungswerbers, er sei zunächst 30 bis 40 m hinter dem StKw gefahren, nachdem dieser die Geschwindigkeit kurzfristig verringerte, habe der Tiefenabstand für einen Zeitraum innerhalb einer Sekunde ca 27 m betragen, sodaß die Berufungsbehörde im Rahmen der ihr eingeräumten Beweiswürdigung einer Version den Vorzug einzuräumen hatte.

Sie hat sich hiebei zugunsten der Schilderung des Meldungslegers und des zweiten Sicherheitswachebeamten, Beifahrer im StKw, entschieden.

Beide Zeugen haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien zeugenschaftlich einvernommen inhaltlich klar und widerspruchsfrei und zudem unter der Wahrheitsverpflichtung des §289 StGB ausgesagt. Außerdem unterliegen die Zeugen auf Grund ihres Diensteides und auf Grund ihrer verfahrensrechtlichen Stellung nicht nur der Wahrheitspflicht, sondern treffen sie im Falle einer Verletzung dieser Pflicht nicht nur straf- sondern auch dienstrechtliche Sanktionen.

Auch konnte die Aktenlage keinerlei Hinweis darüber abgeben, daß die Zeugen den ihnen offenbar unbekannten Berufungswerber durch eine unrichtige Aussage wahrheitswidrig einer verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung hätten aussetzen wollen. Der Berufungswerber hingegen hatte zweifellos ein Interesse, durch seine Darstellung ein Kalkül herbeizuführen, welches ihm Straffreiheit gewährleistet beziehungsweise ermöglicht. Es konnte zudem nicht ausgeschlossen werden, daß er den angezeigten Vorgängen nicht dieselbe Aufmerksamkeit beigemessen hat als der Meldungsleger.

Kleinere Widersprüchlichkeiten, wie vom Beschuldigtenvertreter nach der Verhandlung aufgezeigt, sprechen nicht für die Unglaubwürdigkeit der Zeugen, sondern im Gegenteil für die Ernsthaftigkeit, mit welcher die Zeugen über ihrer Wahrnehmungen berichteten und dafür, daß die Aussagen offensichtlich vor der Verhandlung nicht abgesprochen wurden.

Es wurde daher der angezeigte Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt.

Die vom Berufungswerber in diesem Zusammenhang gestellten Beweisanträge, zum Beweis für die Richtigkeit seiner Angaben, waren allesamt aus folgenden Gründen abzuweisen:

1. Zum Beweisantrag auf Einvernahme des Beschuldigten selbst und dessen Gattin im Rechtshilfeweg ist auszuführen, daß der Berufungswerber die Möglichkeit hatte, sich durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter am Verfahren und auch an der mündlichen Verhandlung selbst zu beteiligen und hat er von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht. Eine Schmälerung seiner Parteienrechte kann daher nicht erblickt werden, insbesonders da dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien eine persönliche Einvernahme des Beschuldigten auch nicht als erforderlich erschien. Auf §10 AVG und auf §51f Abs2 VStG wird hingewiesen. Zur Einvernahme der Gattin des Beschuldigten ist zu bemerken, daß im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen ist, und vom Berufungswerber selbst auch gar nicht behauptet wurde, daß die Gattin des Beschuldigten Beifahrerin im vom Berufungswerber gelenkten KFZ war, somit konkrete Wahrnehmungen vom Vorfall haben konnte.

2. Anfertigung einer Skizze der Tatörtlichkeit und Überprüfung der technischen Nachvollziehbarkeit auf deren Richtigkeit mittels eines technischen Amtssachverständigen: Unklar erscheint es zunächst dem Unabhängigen Verwaltungssenat, wie die Positionen von zwei sich bewegenden Fahrzeugen - anders als etwa die Endposition von zwei Fahrzeugen nach einem Verkehrsunfall, auf einer Skizze dargestellt werden kann, kann eine Skizze naturgemäß doch nur eine Momentaufnahme bieten. Die Fahrsituation selbst ist für den Unabhängigen Verwaltungssenat auf Grund der beiden Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung genügend geklärt, sodaß es weder einer Skizze der Örtlichkeit, noch einer Auswertung durch einen technischen Sachverständigen bedarf.

3. Durchführung eines Lokalaugenscheines unter Tatrekonstruktion mit gleichartigen Fahrzeugen und

4. Durchführung einer Stellprobe mit typengleichen Fahrzeugen mit der Überprüfung der Sichtverhältnisse über den Rückspiegel und Einschätzung des Tiefenabstandes: Voraussetzung für die Abhaltung eines Augenscheines ist die Aufklärungsbedürftigkeit eines für die Entscheidung wesentlichen Sachverhaltselementes (VwGH 25.5.1970, 1469/68, 15.12.1986, 83/10/0284). Durch die beiden Zeugenaussagen ist aber der Sachverhalt so hinreichend geklärt, daß es eines Lokalaugenscheines nicht mehr bedurfte. Des weiteren ist der Vorfall in allen Details und Phasen nicht mehr rekonstruierbar, dies auch bei Verwendung von typengleichen Fahrzeugen. Außerdem wurde der Sicherheitsabstand zwischen den beiden Fahrzeugen nicht nur durch eine Blick in den Rückspiegel geschätzt, sondern hat sich der Beifahrer auch umgedreht und hat durch das Rückfenster geschaut, sodaß eine - mögliche - Sichteinschränkung beim Blick in den Rückspiegel nicht zu untersuchen war.

Das Straferkenntnis war daher in der Schuldfrage zu bestätigen. Die Abänderung im Spruch diente der genauen Tatumschreibung.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich folgendes:

Gemäß §18 Abs1 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird. Der Berufungswerber ist darauf hinzuweisen, daß bei einer Übertretung nach §18 Abs1 der Eintritt eines Verkehrsunfalles nicht Voraussetzung der Strafbarkeit ist (VwGH 1.7.1987, 87/02/0012).

Als Sicherheitsabstand ist mindestens der Reaktionsweg einzuhalten, der in Metern drei Zehntel der Höhe der eingehaltenen Geschwindigkeit in km/h beträgt (21.9.1984, 84/02/0198). Der vom Berufungswerber eingehaltene Abstand zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug betrug aber bei einer eingehaltenen Gechwindigkeit von 100 km/h lediglich 1,00 m bis 1,50 m und erwies sich eindeutig als zu gering bemessen, sodaß dem Berufungswerber das rechtzeitige Anhalten nicht möglich gewesen wäre, wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst geworden wäre.

Zur Strafbemessung ist folgendes auszuführen:

Die Tat schädigte in erheblichem Maße das Interesse an der Verkehrssicherheit. Der Unrechtsgehalt war auf Grund der eklatanten Verletzung des Sicherheitsabstandes und im Hinblick auf die gefahrene Geschwindigkeit und auf das starke Verkehrsaufkommen, welches im Falle eines Verkehrsunfalles für zahlreiche Verkehrsteilnehmer Folgen gehabt hätte, ebenfalls erheblich.

Dazu kommt, daß der Berufungswerber mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern die Vorschrift über das "Hintereinanderfahren" verletzt hat. In diesem Zusammenhang ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen (VwGH 25.9.1986, 86/02/0058). Der VwGH hat in diesem Erkenntnis ausgesprochen, daß dann, wenn beim Hintereinanderfahren mit ca 85 km/h der Abstand zum Vorderfahrzeug "etwa 3 m" beträgt, dies eine besondere Rücksichtslosigkeit im Sinne des §99 Abs2 litc darstellt. Umsomehr hat dieser Rechtssatz bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von 100 km/h und einem Abstand zum Vorderfahrzeug von 1,00 - 1,50 m zu gelten.

Das Verschulden des Berufungswerbers kann nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist, noch aufgrund der Tatumstände anzunehmen war, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.

Die aktenkundige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Berufungswerbers wurde schon von der Behörde erster Instanz zutreffend als mildernd bewertet.

Richtig ist, daß das "verkehrsgefährdende Verhalten des Bestraften" nicht erschwerend zu werten ist, sondern wurde dieser Umstand ja bereits bei der Heranziehung des höheren Strafrahmens berücksichtigt. Eine Herabsetzung der Strafe kam jedoch auf Grund des oben geschilderten besonders großen Unrechtsgehaltes nicht in Betracht.

Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und auf den von S 500,-- bis S 30.000,-- reichenden Strafrahmen ist die verhängte Geldstrafe - selbst bei einem mangels Angabe des Berufungswerbers geschätzten durchschnittlichen Einkommen und einem allfälligen Bestehen von gesetzlichen Sorgepflichten - durchaus angemessen und keineswegs zu hoch, zumal weitere Milderungsgründe nicht hervorgetreten sind.

Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des §64 Abs1 und 2 VStG.

Schlagworte
Abstand beim Hintereinanderfahren; besondere Rücksichtslosigkeit
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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