TE Vwgh Erkenntnis 2001/10/2 2000/01/0521

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.10.2001
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde des AT in W, geboren am 1. Jänner 1975, vertreten durch Dr. Erhard Böhm, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 12, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 8. September 2000, Zl. 207.796/0-XII/36/99, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge ein Staatsangehöriger von Benin und am 3. Dezember 1998 in das Bundesgebiet eingereist, beantragte die Gewährung von Asyl. Vor dem Bundesasylamt gab er zu seinem Asylantrag gemäß der im Akt erliegenden Niederschrift ua. Folgendes an:

"Ich wurde noch niemals verurteilt. Ich bin Mitglied der UNSP (Union nationale solidarite pour le peuple) seit 1990, als diese Partei gegründet wurde. Ich bin der Vorsitzende der Jugend. ...

Ich wohnte in Benin immer in Djougou. Ich verließ Djougou am 2.11.1998. An diesem Tag war ich gerade unterwegs, um Handel zu betreiben, als meine Mutter meine Schwester schickte, um mir mitzuteilen, dass das Militär nach mir sucht. ...

Ich gehöre dem Stamm der Dendi an und spreche außer Französisch auch noch Dendi. Ich lebte in Djougou mit meinem Vater, meiner Gattin, meiner Mutter und meinem Kind in einem Haushalt. Meine kleine Schwester und mein kleiner Bruder wohnten auch bei uns. Ich besuchte sechs Jahre lang die Grundschule.

Frage: Was sind die Gründe für Ihre Asylantragstellung?

Antwort: Wir hatten ein Problem mit dem Präsidenten Kerekou. Der Präsident ist aus derselben Provinz wie ich. Er kümmerte sich jedoch überhaupt nicht mehr um Djougou. Wir - die Mitglieder der UNSP - wollten bei den Wahlen März 1990 nicht für Kerekou stimmen. Nach diesen Wahlen kam dann im Jahr 1991 Soglo an die Macht. 1996 sagte die UNSP wieder, dass sie nicht für Kerekou stimmen würde. Ich weiß nicht mehr, in welchem Monat des Jahres 1996 die Wahlen stattfanden. Kerekou wurde wieder zum Präsidenten gewählt. Ab März 1996 war wieder Kerekou an der Macht.

Am 16.6.1998 wurde der Präsident der UNSP namens Suleiman Koura festgenommen, weil man ihm vorgeworfen hatte, Waffen zu besitzen. Man nahm auch meinen Vater und einen Freund des Präsidenten fest.

Frage: Aus welchem Grund wurde Ihr Vater festgenommen?

Antwort: Man warf meinem Vater vor, ein Freund von Suleiman zu sein und sich an dem Komplott beteiligt zu haben.

Frage: An welchem Komplott?

Antwort: Man warf ihm vor, dass er von den Waffen von Suleiman gewusst habe. Man warf meinem Vater auch vor, dass er Mitglied der UNSP sei. Mein Vater ist ein guter Freund von Suleiman.

Ich sprach vor den Wahlen des Jahres 1996 zu den Leuten und sagte diesen, dass sie Kerekou nicht wählen sollten. Aus diesem Grund wurde ich nun vom Militär gesucht.

Frage: Aus welchem Grund sollte man zwei Jahre nach diesen Wahlen nach Ihnen suchen?

Antwort: Kerekou ist ein Diktator. Kerekou hat während seiner 18-jährigen Herrschaft in Benin nichts verändert. Seit Kerekou an der Macht ist, ließ er viele Leute festnehmen. Die UNSP ist stark im Benin.

Frage: Wie schnitt Ihre Partei bei den Parlamentswahlen ab und wann fanden derartige statt?

Antwort: Ich weiß mit dieser Frage nichts anzufangen. Es gab Präsidentenwahlen. Kerekou wurde 1996 gewählt.

Frage: Wie wird im Benin die Regierung gebildet?

Antwort: Die Parteien Fararafia, PRD und die PSE bilden die Regierung. Die größte Partei in Benin ist die Fararafia. Kerekou gehört keiner politischen Partei an.

Frage: Wie heißt die Partei des früheren Präsidenten?

Antwort: RB

Frage: Welche Partei erhielt die meisten Sitze bei den letzten Parlamentswahlen?

Antwort: Die RB, die Partei des früheren Präsidenten.

Konkret befragt gebe ich an, dass die UNSP zwei Abgeordnete im Parlament hatte.

Vorhalt: Sie behaupten, sich politisch betätigt zu haben, wissen jedoch nicht, wann die letzen Parlamentswahlen stattgefunden haben bzw. fangen Sie mit dieser Frage überhaupt nichts an, weshalb nicht glaubhaft ist, dass Sie tatsächlich politisch tätig waren. Erklären Sie sich bitte dazu.

Antwort: Wir haben nur vor den Präsidentenwahlen Campagnen gemacht.

Vorhalt: Es widerspricht den Tatsachen, wenn Sie behaupten, dass die Fararafia, die PRD und die PSE die stärksten Parteien in der Regierung Benins sind. Erklären Sie sich dazu.

Antwort: Wir haben uns nicht dafür interessiert. Kerekou ist ein Diktator.

Vorhalt: Sie behaupten, Mitglied der UNSP gewesen zu sein und geben an, dass die Abkürzung UNSP Union National Solidarite pour le Peuple bedeute, entspricht dies jedoch nicht den Tatsachen und ist deshalb auch nicht glaubhaft, dass Sie tatsächlich Mitglied dieser Partei waren. Erklären Sie sich bitte dazu.

Antwort: In Benin haben Abkürzungen viele Bedeutungen. Ich kenne jedoch keine weiteren Bedeutungen.

Vorhalt: Es entspricht auch nicht den Tatsachen, dass die RB nach den Parlamentswahlen die stärkste Partei war.

Antwort: Das habe ich nicht gemeint. Das ist die Partei des früheren Präsidenten.

Frage: Welche Partei war dann nach den Parlamentswahlen die stärkste Partei im Parlament?

Antwort: Man hat unseren Vorsitzenden festgenommen.

Beantworten Sie bitte die Frage.

Antwort: die RB.

...

Ich mache meinen Handel und sie müssen mir gut zuhören. Dieser Handel geht gut. Ich verdiene bei einer Reise mindestens 150.000,-- CFA-Franc. Man hat mich gesucht. Warum hätte ich fliehen sollen? Man hat mich gesucht. Wenn man mich festnimmt, bringt mich das Militär um. Würde ich jetzt nach Benin zurückkehren, würde ich getötet, weil ich Mitglied der UNSP bin."

Mit Bescheid vom 12. Jänner 1999 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und sprach aus, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Benin gemäß § 8 AsylG zulässig sei; das Vorbringen des Beschwerdeführers sei mit der in Benin herrschenden Situation nicht vereinbar und auch für sich alleine betrachtet derart unglaubwürdig, dass ihm die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden müsse.

Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhob der Beschwerdeführer Berufung. Im Zuge des Berufungsverfahrens legte er eine Mitgliedskarte der UNSP vor. In der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2000 gab er gemäß dem im Verwaltungsakt erliegenden Protokoll ua. Folgendes an:

"BW: Ich wurde gesucht, weil ich während der Präsidentschaftswahlkampagne in unserem Dorf Djougou Dolmetscher unser Partei war.

VL: Bei welcher Partei sind Sie Mitglied?

BW: UNSP.

VL: Was ist der vollständige Name dieser Partei?

BW: U steht für Union, N steht für National, S für Solidarite und das P für (der BW blättert in mitgebrachten Unterlagen) P für Progres.

VL: Bei der ersten Einvernahme haben Sie angegeben, dass die Abkürzung UNSP für Union National Solidarite pour le Peuple steht und auch heute haben Sie in ihren Unterlagen nachsehen müssen, was diese Abkürzung bedeutet.

BW: Das ist wohl dasselbe, man kann auch sagen Solidarite pour le Peuple, ich hätte auch Volk sagen können. Das bedeutet, dass das P für mehrere Begriffe stehen kann, es geht um die Entwicklung, und zwar die Entwicklung von Djougou.

VL: Welche Funktion haben Sie in der Partei gehabt?

BW: Ich war Dolmetscher, ich habe bei der Kampagne den Dorfbewohnern in ihrer Sprache gedolmetscht.

VL: Sie haben einen Mitgliedsausweis vorgelegt; wo haben Sie diesen Mitgliedsausweis bekommen?

BW: Wenn man bei dieser Partei ist, dann leistet man Mitgliedsbeiträge, der BW zeigt auf die Eintragungen auf der dritten Seite des Ausweises. Dieser Ausweis zeigt, dass ich Mitglied dieser Partei bin.

VL: Wann haben Sie den Ausweis bekommen?

BW: Ich habe vergessen, wann diese Karte gekommen ist.

VL: Meine Frage bezieht sich darauf, wann diese Karte in Ihrem Heimatland ausgestellt worden ist.

BW: Das steht dort.

VL: Das steht aber nicht in der Karte.

BW: (Der Berufungswerber sieht auf Seite 3 der Karte nach)

Die Beiträge beginnen im Jänner 1995.

VL: Da steht, dass Sie Secretaire Administratif gewesen sind, was bedeutet das?

BW: Das bedeutet: unser Sekretär, ein Intellektueller.

VL: Haben Sie sonst noch etwas in der Partei gemacht, außer Dolmetscher?

BW: Ich habe geholfen, dass sich unsere Stadt Djougou

entwickelt.

VL: Was haben Sie da gemacht?

BW: Ich habe alle Leute von Djougou mobilisiert und die Bewohner der Dörfer und habe ihnen gesagt, dass der Präsident Mathieu Kerekou nichts macht. Er ist am 25.10.1972 an die Macht gekommen und von da an bis 1990 hat er nichts gemacht.

VL: Können Sie mir nochmal näher schildern, was diese Soldaten von Ihnen wollten?

BW: Sie suchten nach mir, denn der Präsident hat von uns erfahren, er bezeichnet uns als Deliquenten, er hat wegen uns in Djougou viele Stimmen verloren. Zunächst haben sie den Vorsitzenden unserer Partei festgenommen, dieser heißt Souleymane Koura.

VL: Was wäre Ihnen passiert, wenn Sie die Soldaten erwischt hätten?

BW: Ich habe gesagt, dass sie meinen Vater festgenommen und

mein Vater ist bis jetzt im Gefängnis.

VL: Warum wurde Ihr Vater festgenommen?

BW: Er war ein naher Freund von Koura. Mein Vater ist ein Marabou.

VL: Was bedeutet das?

BW: Der hilft Zauberei zu betreiben, damit sich die Partei entwickelt. Als die Soldaten gekommen sind, um meinen Vater festzunehmen, war ich im selben Haus anwesend und als ich das hörte, sprang ich über die Mauer.

VL: Nach den mir vorliegenden Berichten, die wir dann noch im Einzelnen erörtern werden, gibt es in Benin freie Wahlen und sind einige verschiedene Parteien im Parlament vertreten. Warum sollte Ihre Partei verfolgt werden?

BW: Weil unsere Partei den Präsidenten beschimpft hat, weil er nichts macht und er ist aus unserer Provinz. Sie wissen, Benin besteht aus sechs Provinzen.

VL: Ich habe hier eine Liste, der in Benin zugelassenen Partei und hier steht ua. auch Ihre Partei drauf. Seit 1990 ist ihre Partei anerkannt.

BW: Ja.

VL: Wie heißt der Führer Ihrer Partei?

BW: Souleymane Koura war der Vorsitzende. Nachher wurde

Zommarou Walis Vorsitzender. Wer jetzt die Partei leitet, weiß ich

nicht.

VL: Sagt Ihnen der Name Bruno Amoussou etwas?

BW: Er ist der Kopf von einer Partei, aber ich kenne seine

genaue Geschichte nicht.

VL: Ihre Partei ist bei den Wahlen mehrmals ein Bündnis mit einer anderen Partei eingegangen, wissen Sie mit welcher?

BW: Mit der Partei RB.

VL: Nach meinen Unterlagen war es aber die sozialdemokratische Partei.

BW: Das weiß ich nicht. Das kann auch nach mir gewesen sein.

VL: Das war schon im Jahr 1991.

BW: Ja, das kann sein, dass sie sich zusammen geschlossen haben. Es ist möglich, ich hab mich mit meinen Angelegenheiten beschäftigt und habe deshalb nicht gewusst, dass sie sich zusammen geschlossen haben. Ich weiß, dass es die Partei PSD gibt, es ist möglich, dass sich die Parteien zusammengeschlossen haben.

VL: Aus welchem Teil des Landes kommen Sie?

BW: Aus dem Norden.

VL: Warum sollten gerade Sie Schwierigkeiten haben, es gibt

genug Funktionäre in Ihrer Partei?

BW: Ich habe den Präsidenten beschimpft, ich habe ihn wirklich beschimpft, weil er nichts tut.

VL: Welche Parteien sind die wichtigsten Parteien, die bei

Ihnen im Parlament vertreten sind?

BW: RB.

VL: Was heißt das?

BW: Ich kann sagen, dass ich es vergessen habe oder dass das viele Bedeutungen hat. Wenn man das RB bei uns verwendet, dann bedeutet das Republique Benin, aber das kann auch noch was anderes auch bedeuten.

VL: Welche Parteien gibt es sonst noch?

BW: Es gibt dann noch die FARA ALAFIA.

VL: Wissen Sie noch sonstige Parteien?

BW: Ich habe sie vergessen, aber es gibt noch weitere.

VL: Welchen Beruf haben Sie?

BW: Verkäufer. Ich kaufe ein und verkaufe. Ich bin ein Händler. Ich kaufe Materialien in Tchamba und verkaufe sie in Cotonou, unserer Hauptstadt.

VL: Sind Sie in die Schule gegangen?

BW: Ein bisschen.

VL: Wenn Sie für die Partei übersetzt haben, in welche

Sprache haben Sie übersetzt?

BW: Ich habe in Dendi übersetzt.

...

VL: Vor dem BAA haben Sie gesagt, dass Sie Vorsitzender der UNSP waren.

BW: Ich hatte zwei Rollen. Ich war auch für die Jugend der Stadt Djougou zuständig und sie akzeptierten alles was ich sagte."

Mit Bescheid vom 8. September 2000 wies der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab; gemäß § 8 AsylG iVm § 57 Fremdengesetz 1997 wurde weiter festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Benin zulässig sei.

Die belangte Behörde legte zugrunde, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Benin und Händler sei und dass er vor seiner Ausreise in Djougou gewohnt habe. Er habe eine unbedenklich erscheinende Mitgliedskarte der Partei UNSP vorgelegt, weshalb sie (die belangte Behörde) davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer Mitglied dieser Partei sei. Es könne allerdings nicht festgestellt werden, dass er für die Partei UNSP - über die bloße Mitgliedschaft hinausgehend - politisch aktiv gewesen sei. Die von ihm geschilderten Fluchtgründe, wonach er sein Heimatland im November 1998 wegen Verfolgung durch das Militär (angebliche Beteiligung an einem Putschversuch) verlassen habe, könnten den Feststellungen mangels Glaubwürdigkeit nicht zugrunde gelegt werden. So habe er bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt die vollständige Parteibezeichnung der Partei UNSP nicht richtig angeben können; auch in der mündlichen Berufungsverhandlung habe er in den von ihm mitgebrachten Unterlagen Nachschau halten müssen, um die Frage nach der Parteibezeichnung vollständig beantworten zu können. Einem "Administrativsekretär" bzw. Dolmetsch der Partei müsste die vollständige Parteibezeichnung jedoch wohl bekannt sein. Dem Beschwerdeführer sei weiter nicht bekannt gewesen, dass seine Partei mit der sozialdemokratischen Partei ein Wahlbündnis eingegangen sei. Er habe auch nicht erklären können, welche Aufgaben er als "Administrativsekretär" (laut Mitgliedsausweis) ausgeübt haben solle; er habe lediglich angegeben, dass er ein Sekretär, ein Intellektueller, gewesen sei. Die Frage schließlich, wann der von ihm vorgelegte Mitgliedsausweis ausgestellt worden sei, habe er erst beantworten können, nachdem er im Mitgliedsausweis nachgelesen habe. Dazu komme, dass die Kenntnisse des Beschwerdeführers über die politischen Gegebenheiten in Benin überaus begrenzt seien und dass ihm von den zahlreichen in Benin tätigen politischen Parteien neben seiner eigenen Partei lediglich die Partei "RB" und die Partei "Fard al Afia" bekannt gewesen seien, wobei er die vollständige Bezeichnung der Partei "RB" nicht habe angeben können. Daraus sei der Schluss zu ziehen, dass der Beschwerdeführer politisch nicht aktiv gewesen sei und nicht die von ihm angegebene bedeutende Position in der Partei UNSP eingenommen habe. Daraus ergebe sich weiter, dass die von ihm geschilderten, mit dieser Position als Dolmetscher und Administrativsekretär in Zusammenhang stehenden Verfolgungsmaßnahmen nicht den Tatsachen entsprechen könnten. Davon abgesehen seien die vom Beschwerdeführer geschilderten politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen (ungesetzliche Verhaftungen, mögliche ungesetzliche Tötung durch Militärangehörige ) mit der allgemeinen Situation in Benin nicht in Einklang zu bringen. Diesbezüglich stellte die belangte Behörde fest, dass die Republik Benin durch ein demokratisches Staatssystem und grundsätzlich freie und faire Wahlen gekennzeichnet sei; der Staatspräsident Kerekou, der das Land 1972 bis 1989 als kommunistischer Militärherrscher regiert habe, sei 1996 in freien und fairen Wahlen zum Präsidenten gewählt worden; am 20. März 1999 hätten freie und faire Parlamentswahlen stattgefunden; die Regierungsparteien stellten 42, die Oppositionsparteien 41 der insgesamt 83 Abgeordneten; auf Grund des knappen Wahlergebnisses komme dem Parlament und den einzelnen Abgeordneten relativ große Bedeutung zu; grundsätzlich respektiere die Regierung die Menschenrechte der Bürger; lediglich in sehr wenigen Fällen sei es 1999/2000 zu Übergriffen von Seiten der Polizeibehörden gekommen; die Partei UNSP sei eine der sehr zahlreichen offiziell registrierten politischen Parteien in Benin; ihre vollständige Bezeichnung laute "Union nationale pour la solidarite et le progres"; sie habe sich vor den Parlamentswahlen mit der sozialdemokratischen Partei PSD zu einem Wahlbündnis zusammengeschlossen; dieses Wahlbündnis sei im Parlament mit mehreren Abgeordneten vertreten; es könne nicht festgestellt werden, dass die politische Betätigung der Partei UNSP irgendwelchen Einschränkungen unterliege; Anfang 1999 habe Präsident Kerekou die Partei RB beschuldigt, einen Putsch gegen die Regierung vorzubereiten; diese Anschuldigungen seien in der Folge wieder zurückgenommen worden.

Rechtlich folge, dass für den Beschwerdeführer keine aktuelle Verfolgungsgefahr bestehe, weil er die von ihm behaupteten politischen Aktivitäten und die daraus resultierende politisch motivierte Verfolgung durch den Staatspräsidenten nicht habe glaubhaft machen können. Im Übrigen liege selbst unter hypothetischer Zugrundelegung des vom Beschwerdeführer erstatteten Vorbringens im Hinblick auf die allgemeine politische Situation in Benin kein hinreichender Anhaltspunkt für eine aktuelle, politisch motivierte Verfolgung vor; der Beschwerdeführer habe lediglich allgemein ausgeführt, den nunmehrigen Präsidenten 1996 "beleidigt" zu haben und deshalb Ende 1998 vom Militär gesucht worden zu sein; ein konkreter Anhaltspunkt für eine politisch motivierte Verfolgung hinreichender Intensität (länger dauernde Inhaftierung oder dgl.) lasse sich aus diesen Ausführungen nicht ableiten.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Seitens des Bundesasylamtes war das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Gänze als unglaubwürdig erachtet worden. Demgegenüber folgte die belangte Behörde diesem Vorbringen insoweit, als sie feststellte, der Beschwerdeführer sei Mitglied der UNSP. Es sei allerdings nicht glaubhaft, dass er die von ihm behauptete politische Tätigkeit als Dolmetscher der UNSP und als "Administrativsekretär" tatsächlich ausgeübt habe und dass er aus seinem Heimatland wegen Verfolgung durch das Militär geflüchtet sei.

Gegen diese Beweiswürdigung wendet sich der Beschwerdeführer im Ergebnis zu Recht:

Die belangte Behörde folgte seiner Behauptung, er sei Mitglied der UNSP, im Hinblick darauf, dass die von ihm im Berufungsverfahren vorgelegte Mitgliedskarte der UNSP unbedenklich erscheine. Ist diese Mitgliedskarte unbedenklich, so gilt das aber auch für die darauf vermerkte Funktionsbezeichnung des Beschwerdeführers, wonach er "Secretaire administratif" sei. Damit wird zwar nichts über die konkrete Parteitätigkeit des Beschwerdeführers ausgesagt, doch stellt die erwähnte Funktionsbezeichnung immerhin ein beachtliches Indiz dafür dar, dass ihm tatsächlich Aufgaben im Rahmen der Parteiorganisation zukamen und dass er diese auch ausführte. Näherhin hat der Beschwerdeführer seine Tätigkeit im Wesentlichen damit charakterisiert, dass er im Zuge des Wahlkampfs für die Präsidentschaftswahlen 1996 als Dolmetscher fungiert habe. In der Berufungsergänzung vom 9. Juni 1999 wurde das dahin konkretisiert, dass er die Ansprachen des Parteiführers "Süleiman Koura" aus dem Französischen in die Regionalsprache "Dendi" übersetzt habe. Dass der Beschwerdeführer tatsächlich Französisch beherrscht, steht auf Grund seiner in dieser Sprache durchgeführten Einvernahme fest. Dass er auch des "Dendi" kundig ist, wurde von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogen (in der Niederschrift des Bundesasylamtes ist unter der Rubrik "Sprachen" neben dem Französischen eine "unbekannte Sprache" angeführt). Von da her ist die Version des Beschwerdeführers, er habe Dolmetschertätigkeiten für die UNSP ausgeführt, jedenfalls dann plausibel, wenn in der engeren Heimat des Beschwerdeführers (Djougou und Umgebung) die offizielle Staatssprache des Benin, Französisch, nicht allgemein verstanden wird. Hiezu hat die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen.

Richtig ist - das lässt auch die Beschwerde unbestritten -, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt die vollständige Bezeichnung der UNSP nicht korrekt wiedergab und dass er auch in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde - dem Protokoll über diese Verhandlung folgend - bei Beantwortung der darauf gerichteten Frage zögerte. Das spricht auf den ersten Blick tatsächlich gegen eine prominente Tätigkeit des Beschwerdeführers innerhalb der UNSP, doch hätte sich die belangte Behörde vor einer Wertung dieses Umstandes zu Lasten des Beschwerdeführers mit seiner Erklärung auseinander setzen müssen, dass es in Benin üblich sei, Abkürzungen verschiedene ähnliche Bedeutungen zuzuschreiben. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid des Bundesasylamtes zutreffend darauf hingewiesen, dass bei Anlegung europäischer Maßstäbe auf afrikanische Verhältnisse besondere Vorsicht geboten ist (vgl. insoweit auch das hg. Erkenntnis vom 6. März 2001, Zl. 2000/01/0232). Der Kenntnisstand des Beschwerdeführers über die politischen Gegebenheiten in Benin wäre daher nur dann aufschlussreich, wenn Erfahrungswerte über das durchschnittliche politische Wissen in Benin und über die Kenntnisse von politischen Funktionsträgern im Besonderen bestünden. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer immerhin grob über die politische Entwicklung in Benin Bescheid wusste und dass er datumsmäßig genau konkretisierte Angaben über die nach der Darstellung seiner Fluchtgeschichte wesentliche Inhaftierung des Führers der UNSP - Souleyman Koura - zu erstatten vermochte. Andererseits ist zu beachten, dass er gemäß seiner Aussage eine nach europäischen Verhältnissen nur sehr eingeschränkte Schulbildung genoss (sechs Jahre Grundschule) und dass seine Tätigkeit für die UNSP in erster Linie - wenn auch "publikumswirksame" - Dolmetscherdienste umfasste, die nicht zwingend politische Detailkenntnisse voraussetzen müssen.

Was die "allgemeine Situation" in Benin anlangt, so zeichnete die belangte Behörde - den von ihr herangezogenen Unterlagen folgend - ein weitgehend positives Bild, mit dem die Darstellung des Beschwerdeführers nicht in Einklang zu bringen sei. Dabei bleibt jedoch unberücksichtigt, dass der derzeitige Präsident Benins, Kerekou, nach den weiter getroffenen Feststellungen Anfang 1999 die Partei RB (das ist nach den von der belangten Behörde zugrunde gelegten Berichten die Partei seines Amtsvorgängers und Kontrahenten Soglo) beschuldigte, einen Putsch gegen die Regierung vorzubereiten. Zwar seien diese Anschuldigungen in der Folge wieder zurückgenommen worden, doch bleibt festzuhalten, dass die vom Beschwerdeführer geschilderte Inhaftierung des Führers der UNSP, Souleyman Koura, und seines Vaters zu diesem - laut dem von der belangten Behörde herangezogenen Berichtsmaterial aus "wahltaktischen" Gründen erhobenen - Putschvorwurf insoweit Parallelen zeigt, als sie gemäß der vor dem Bundesasylamt schon im Dezember 1998 abgegebenen Darstellung gleichfalls im Hinblick auf den - unbegründeten - Vorwurf eines "Komplotts" erfolgt sein soll. Angesichts dessen kann das Vorbringen des Beschwerdeführers ohne Überprüfung der behaupteten Inhaftierung des Souleyman Koura nicht mit der allgemeinen Situation in Benin für unglaubwürdig erklärt werden, zumal nicht auszuschließen ist, dass es sich bei dieser Verhaftung (und damit im Zusammenhang beim behaupteten Vorgehen gegen den Beschwerdeführer selbst) um einen auch von der belangten Behörde grundsätzlich als möglich eingeräumten - in den von ihr herangezogenen Unterlagen nicht dokumentierten - "Ausnahmefall" handelt.

Zusammenfassend ergibt sich aus dem Gesagten, dass dem Beschwerdeführer am Boden der gepflogenen Ermittlungen ohne schlüssige Begründung die Glaubwürdigkeit versagt worden ist. Davon ausgehend kann der bekämpfte Bescheid jedoch keinen Bestand haben, weil die Eventualbegründung der belangten Behörde, unter Zugrundelegung des Vorbringens des Beschwerdeführers fehle ein konkreter Anhaltspunkt für eine politisch motivierte Verfolgung hinreichender Intensität (wie z.B. länger dauernde Inhaftierung), außer Acht lässt, dass diesem Vorbringen zufolge der Vater des Beschwerdeführers - so der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2000 - "bis jetzt im Gefängnis" ist.

Der bekämpfte Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 2. Oktober 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000010521.X00

Im RIS seit

22.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten