TE UVS Niederösterreich 1994/05/17 Senat-SB-93-017

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Veröffentlicht am 17.05.1994
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Spruch

Gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51, wird der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Das Straferkenntnis wird jedoch dahingehend abgeändert, daß die Tatzeit 8. Juli 1992 entfällt.

 

Die Übertretungsnorm zu Punkt 5 hat zu lauten:

§32 Abs1 litd iVm §9 Abs2 Berufsausbildungsgesetz

Der Berufungswerber hat gemäß §64 Abs1 und 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl Nr 52, S 1.600,-- als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens binnen zwei Wochen zu zahlen.

 

Innerhalb gleicher Frist sind der Strafbetrag und die Kosten des Verfahrens erster Instanz zu bezahlen.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde den Beschuldigten vorgeworfen, in L, Straße 15, in seinem Betrieb den namentlich genannten jugendlichen Lehrling beschäftigt zu haben und dabei

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die tägliche zulässige Arbeitszeit des Jugendlichen von 8 Stunden überschritten zu haben (Punkt 1),

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die wöchentliche zulässige Arbeitszeit des Jugendlichen von 40 Stunden überschritten zu haben (Punkt 2)

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die geleisteten Überstunden nicht entsprechend abgegolten zu haben (Punkt 3)

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den jugendlichen Lehrling beschimpft zu haben, wobei es auch zu Tätlichkeiten gekommen sei (Punkt 4)

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den Jugendlichen zu berufsfremden Tätigkeiten, nämlich Rasen mähen, herangezogen zu haben (Punkt 5).

Hiefür wurden über den Beschuldigten zu den Punkten 1 bis 3 Geldstrafen in der Höhe von je S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 1 Tag), zu Punkt 4 eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) sowie zu Punkt 5 eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verhängt.

 

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschuldigte Berufung und bemängelte darin, daß er trotz entsprechenden Antrages von der Behörde erster Instanz nicht einvernommen worden sei. Eine Rechtfertigung vor der Berufungsbehörde könne diesen Mangel nicht sanieren. Die angebotenen Beweise seien nicht berücksichtigt worden. Die vom Jugendlichen im Betrieb eingetragenen Arbeitszeiten stimmten nicht überein mit seinen privaten Aufzeichnungen. Er habe sich für Tätigkeiten wie Zusammenräumen einen weit überhöhten Zeitraum eingetragen, was keinesfalls akzeptabel gewesen sei. Er habe den Jugendlichen auch niemals beauftragt, Arbeitsleistungen, die über die vorgeschriebene Arbeitszeit hinausgehen, vorzunehmen. Es sei dem Jugendlichen freigestanden, nach Beendigung der vorgeschriebenen Arbeitszeit seinen Arbeitsplatz zu verlassen. Hinsichtlich Punkt 4 sei ein entsprechender Tatvorwurf vom Bezirksgericht S P nicht weiter verfolgt worden.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

Nach §11 Abs1 des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen - KJBG - darf die tägliche Arbeitszeit der Jugendlichen 8 Stunden, die Wochenarbeitszeit 40 Stunden nicht überschreiten.

 

Nach §14 KJBG gebührt dem Jugendlichen für Überstunden ein Zuschlag.

 

Nach §22 KJBG ist Dienstgebern gegenüber Lehrlingen eine körperliche Züchtigung jeder Art und Weise untersagt.

 

Nach §9 Abs2 Berufsausbildungsgesetz (BAG) hat der Lehrberechtigte den Lehrling nur zu solchen Tätigkeiten heranzuziehen, die mit dem Wesen der Ausbildung vereinbart sind.

 

Nach §32 Abs1 litd BAG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer den Lehrling zu berufsfremden Tätigkeiten verwendet.

 

Richtig ist zwar, daß der Beschuldigte, obwohl ihm im erstinstanzlichen Verfahren ausreichend Gelegenheit gegeben wurde, sich zu allen Erhebungsergebnissen zu rechtfertigen, eine persönliche mündliche Einvernahme nicht erfolgt ist. Diese ist aber

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ebenso wie die Aufnahme aller weiteren vom Beschuldigten

beantragten Beweise - im Berufungsverfahren erfolgt und eine derartige Ergänzung des Ermittlungsverfahrens auch zulässig. Im Zuge der mündlichen Verhandlung am 11.5.1994 wurde von der Berufungsbehörde nicht nur der Beschuldigte selbst, sondern auch der beschäftigte Jugendliche sowie das anzeigende Organ der Kammer für Arbeiter und Angestellte als Zeugen einvernommen. Aufgrund der glaubwürdigen und schlüssigen Aussagen, insbesondere des vernommenen Jugendlichen, an deren Richtigkeit die Berufungsbehörde zu zweifeln keinen Anlaß findet, ist erwiesen, daß der Beschuldigte sämtliche ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen tatsächlich begangen hat. Die Angaben des Jugendlichen waren eindeutig und widerspruchsfrei. Auch die unterschiedlichen Aufzeichnungen, die der Jugendliche einerseits im Betrieb und andererseits privat zu Hause geführt hat, konnten aufgeklärt werden. Demnach wurden dem Jugendlichen nach Beendigung der im Betrieb eingetragenen Arbeitszeiten noch weitere Arbeiten vom Berufungswerber aufgetragen, wodurch es zu einer Überschreitung dieser im Betrieb eingetragenen Arbeitszeiten in jenem Ausmaß gekommen ist, wie dies vom Jugendlichen persönlich aufgezeichnet wurde. Dabei spielt es keine Rolle, welche Tätigkeiten

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nämlich Arbeiten im Zuge der Lehrlingsausbildung selbst oder

Aufräumtätigkeiten - vom Jugendlichen ausgeübt wurden. Der Jugendliche wurde jedenfalls über das gesetzlich zulässige Ausmaß hinaus beschäftigt. Die privaten Arbeitsaufzeichnungen decken sich mit den im Straferkenntnis angegebenen Arbeitszeiten und es besteht für die Berufungsbehörde kein Anlaß, an den nachvollziehbaren Angaben des Jugendlichen, der unter Wahrheitspflicht ausgesagt hat, zu zweifeln. Demnach ist auch erwiesen, daß keine Abgeltung der Überstunden erfolgt ist, der Jugendliche beschimpft und auf den Hinterkopf geschlagen wurde und berufsfremde Tätigkeiten, nämlich Rasen mähen, durchgeführt hat. Ob der Jugendliche übermäßig lange Zeiten mit Zusammenräumtätigkeiten in Anspruch genommen hat, ist in diesem Zusammenhang nicht relevant. Es wäre am Dienstgeber gelegen, dafür Sorge zu tragen, daß die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden. Die bloße Anweisung an den Jugendlichen, er müsse dafür Sorge tragen, daß er rechtzeitig mit der Arbeit fertigt wird, ist diesbezüglich nicht ausreichend. Der Beschuldigte hätte durch entsprechende Maßnahmen sicherstellen müssen, daß mit ausreichender Wahrscheinlichkeit dafür gesorgt ist, daß die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen mit gutem Grund erwartet werden kann. Bloße diesbezügliche Anweisungen sind nicht ausreichend, sondern hätte er vielmehr für die Schaffung eines entsprechenden Kontrollsystems auch für den Fall sorgen müssen, daß er selbst nicht im Betrieb anwesend ist. Da er dies unterlassen hat, ist ihm fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen.

 

Zum Punkt 4 des Straferkenntnisses ist festzustellen, daß eine Einsichtnahme in den Akt des Bezirksanwaltes beim Bezirksgericht S, BAZ ***/92, erfolgt ist. Daraus ergibt sich, daß die Anzeige wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung nach §83 StGB nach §90 StPO zurückgelegt wurde. Dazu ist jedoch festzustellen, daß daraus lediglich der Schluß gezogen werden kann, daß der Berufungswerber durch sein Verhalten eine strafbare Handlung im Sinne des §83 StGB nicht begangen hat. Keinesfalls ist darüber hinaus jedoch der Schluß zulässig, daß damit auch das Tatbild nach §22 KJBG nicht verwirklicht worden sei. Eine körperliche Züchtigung liegt nämlich nicht erst dann vor, wenn eine Körperverletzung erfolgt ist, sondern vielmehr ist der vom Jugendlichen dargestellte Vorgang, wonach der Berufungswerber ihm einen Schlag auf den Hinterkopf versetzt hat, jedenfalls als körperliche Züchtigung einzustufen.

 

Zusammenfassend ergibt sich daher, daß der Berufungswerber die ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen begangen hat. Die angegebene Tatzeit im Straferkenntnis hatte jedoch zu entfallen, da es sich hiebei um den Überprüfungszeitpunkt handelt. Die jeweils richtige Tatzeit ist jedoch in den jeweiligen Tatbeschreibungen enthalten. Zum Punkt 5) war die Übertretungsnorm zu berichtigen.

 

Zur Strafbemessung ist festzustellen:

 

Gemäß §19 Abs1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die Erschwerungs- und Milderungsgründe, das Ausmaß des Verschuldens sowie die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse zu berücksichtigen.

 

Eine Verletzung der gesetzlich geschützten Interessen ist deshalb erfolgt, weil der Jugendliche in seinem Anspruch auf ausreichend arbeitsfreie Zeit, Abgeltung der Überstunden sowie seinem Interesse, ausschließlich zu ausbildungsadäquater Tätigkeit herangezogen zu werden und keine Einschränkung seiner körperlichen Integrität dulden zu müssen, verletzt wurde. Dem Berufungswerber ist zumindest fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen.

 

Folgende persönliche Verhältnisse sind zu berücksichtigen:

 

Einkommen ca S 10.000,-- netto monatlich, Einfamilienhaus, Sorgepflicht für Gattin und zwei Kinder.

 

Da Verwaltungsstrafen vorliegen, die jedoch nicht einschlägig sind, sind keine Umstände als mildernd oder erschwerend zu werten. Der Strafrahmen sieht für die Delikte 1 - 4 nach §30 KJBG eine Geldstrafe von S 1.000,-- bis S 15.000,--, für Delikt 5 nach §32 Abs1 BAG eine Geldstrafe bis zu S 10.000,-- oder Arrest bis zu 3 Wochen vor.

 

Im Hinblick auf die dargelegten Strafzumessungsgründe sind die verhängten Strafen durchaus angemessen und keineswegs überhöht, weshalb die Berufung abzuweisen war.

 

Gemäß §64 VStG beträgt der Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren 20 % der verhängten Strafe.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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