TE Vwgh Erkenntnis 2001/10/4 98/08/0112

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Veröffentlicht am 04.10.2001
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ASVG §225 Abs3;
GSVG 1978 §115 Abs1 Z1;
GSVG 1978 §115 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter in Wien, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kohlmarkt 11, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 5. März 1998, Zl. 121.012/2-7/97, betreffend Anerkennung der Nachentrichtung von Beiträgen gemäß § 115 Abs. 3 GSVG (mitbeteiligte Parteien: 1. G in I, vertreten durch Dr. Jörg Hobmayer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 9/II; 2. Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) hat der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt Aufwendungen von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die am 16. Juni 1926 geborene Erstmitbeteiligte beantragte am 18. November 1996 bei der belangten Behörde die Anerkennung verspätet entrichteter Beiträge zur Pensionsversicherung der gewerblichen Wirtschaft für den Zeitraum vom 1. März 1958 bis 31. Mai 1961 und die Anerkennung noch zu entrichtender Beiträge für Juni 1961 bis Oktober 1962 mit der Begründung, die von ihrem im August 1996 verstorbenen Mann beantragte Invaliditätspension sei mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom 5. November 1996 wegen Nichterfüllung der Wartezeit abgelehnt worden, es lägen lediglich 139 von erforderlichen 180 Beitragsmonaten vor. Würden für die genannten Zeiträume, in denen der Mann der Erstmitbeteiligten bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft pflichtversichert gewesen sei, die entrichteten Beiträge als wirksam entrichtet anerkannt werden bzw. könnten die Beiträge wirksam nachentrichtet werden, würde die Wartezeit für die Invaliditätspension, aber auch für die Witwenpension der Erstmitbeteiligten erfüllt sein. Die Erstmitbeteiligte beziehe eine Pension nach dem GSVG in der Höhe von S 7.330,--, habe ein Einkommen aus Vermietung von S 2.000,-- und übe eine geringfügige Beschäftigung für ein Entgelt von S 3.000,-- aus. Diesem Gesamteinkommen von S 12.330,-- stünden Betriebskosten für ihre Eigentumswohnung von S 5.550,--, jährliche Rückzahlungen an die Wohnbauförderung von S 19.570,-- sowie monatliche Telefon- und Stromkosten von S 884,-- gegenüber.

Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft teilte zu diesem Antrag am 12. Juni 1997 mit, der verstorbene Ehemann der Erstmitbeteiligten sei vom 17. Dezember 1958 bis 26. Oktober 1962 Inhaber einer Berechtigung für die Ausübung des Tischlereigewerbes und vom 14. Februar 1958 bis 26. Oktober 1962 Inhaber einer solchen für das Steinholzlegergewerbe gewesen. Versicherungspflicht habe von März 1958 bis Oktober 1962 bestanden. Trotz rechtzeitiger Beitragsvorschreibungen seien die Beiträge für März 1958 bis Mai 1961 erst nach Ablauf der Fünfjahresfrist (§ 115 Abs. 1 Z. 1 GSVG) und daher rechtsunwirksam entrichtet worden. Die nicht entrichteten Beiträge für den Zeitraum Juni 1961 bis Oktober 1962 seien abgeschrieben worden. Exekutionen seien erfolglos gewesen; am 20. November 1964 sei über das Vermögen des verstorbenen Ehemannes der Konkurs eröffnet worden. Zum Stichtag 1. Juli 1996 habe er bei der nunmehr beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt die Invaliditätspension beantragt, welche mit Bescheid vom 5. November 1996 mangels Erfüllung der Wartezeit abgelehnt worden sei.

Die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter gab der belangten Behörde mit Schreiben vom 31. Juli 1997 bekannt, der verstorbene Ehemann der Erstmitbeteiligten habe zum Stichtag 1. Juli 1996 139 Versicherungsmonate nachgewiesen, weshalb für die Erfüllung der Wartezeit 41 Beitragsmonate fehlten. Für 39 Monate seien Beiträge rechtsunwirksam entrichtet worden, für die weitere Zeit der Versicherungspflicht fehlten Beitragszahlungen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Antrag der Erstmitbeteiligten Folge und anerkannte die Beiträge für die Zeit vom März 1958 bis Juli 1961 als wirksam entrichtet. In der Begründung führte die belangte Behörde nach einer Darstellung des Verfahrensganges und der Voraussetzungen des § 115 Abs. 3 GSVG aus, es gehe im Anlassfall nicht um die von der Judikatur abgelehnte Anerkennung der Wirksamkeit verspätet entrichteter Beiträge, wenn damit eine höhere Leistung aus der Pensionsversicherung erlangt würde, sondern die Witwenpension sei unabhängig von der bezogenen Eigenpension zu beurteilen. Die besondere Härte ergebe sich im konkreten Fall schon durch eine Gegenüberstellung der Einnahmen- und Ausgabensituation der Erstmitbeteiligten, der somit durch die Nichtanerkennung verspätet entrichteter Beiträge zur Pensionsversicherung ein Nachteil in ihren versicherungsrechtlichen Verhältnissen erwachsen würde, der bei ihren Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnissen von wesentlicher Bedeutung wäre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde, zu der die Erstmitbeteiligte eine Gegenschrift erstattet hat, während die belangte Behörde unter Vorlage der Verwaltungsakten davon Abstand genommen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die für den Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes (GSVG) lauten (auszugsweise):

"§ 115. (1) Als Beitragszeiten sind anzusehen:

     1. Zeiten der Beitragspflicht ..., wenn die Beiträge

innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Kalendermonates, für den

sie gelten sollen, ... innerhalb von fünf Jahren nach Feststellung

der endgültigen Beitragsgrundlage wirksam ... entrichtet worden

sind; ...

(3) In Fällen besonderer Härte kann der Bundesminister für soziale Verwaltung auch Beiträge als wirksam entrichtet anerkennen, die für Zeiten gemäß Abs. 1 Z. 1 nach Ablauf des dort bezeichneten Zeitraumes entrichtet werden. Besondere Härte ist insbesondere dann anzunehmen, wenn dem Versicherten ansonst ein Nachteil in seinen versicherungsrechtlichen Verhältnissen erwächst, der unter Berücksichtigung seiner Familien- und Einkommensverhältnisse von wesentlicher Bedeutung ist, und der Versicherte seine Anmeldung zur Versicherung nicht vorsätzlich unterlassen hat, oder wenn die rechtzeitige Beitragsentrichtung infolge unverschuldet eingetretener ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse des Versicherten unterblieben ist."

In der Beschwerde wird zunächst als Ermessensmissbrauch gerügt, dass ohne Antrag der Erstmitbeteiligten auch die Beiträge für die Monate Juni und Juli 1961 als wirksam entrichtet anerkannt worden seien, weil für die Zeit vom Juni 1961 bis Oktober 1962 keine Beiträge entrichtet worden seien.

Schon mit diesem Argument ist die beschwerdeführende Pensionsversicherungsanstalt im Recht. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich bereits im Erkenntnis vom 19. Mai 1983, 82/08/0174, ausgesprochen, dass die mit der im Beschwerdefall anzuwendenden Regelung im Wesentlichen gleich lautende Bestimmung des § 225 Abs. 3 ASVG auf Grund der in ihr verwendeten Worte "als wirksam entrichtet" dahingehend auszulegen sei, dass die entsprechenden Beiträge bereits vor ihrer möglichen Anerkennung entrichtet sein müssen (vgl. jüngst das Erkenntnis vom 23. Februar 2000, 2000/08/0008). Ohne die von der belangten Behörde zu Unrecht anerkannten Monate Juni und Juli 1962 - die Entrichtung von Beiträgen für diese Zeit vor ihrer Anerkennung durch den angefochtenen Bescheid geht aus der Aktenlage nicht hervor und wird auch nicht behauptet - ist die Wartezeit (180 Monate) aber nicht erfüllt.

Das von der belangten Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung gebrauchte Argument, die Eigenpension spiele für die Betrachtung insofern keine Rolle, als diese durch den Bezug der Witwenpension nicht erhöht würde, weshalb das von der Rechtsprechung geforderte Kriterium, die Maßnahme dürfe nicht der Erhöhung einer Leistung aus der Pensionsversicherung dienen, nicht zutreffe, kann dahinstehen, weil das Gesetz darauf abstellt, ob "dem Versicherten" die dort näher bezeichneten Nachteile erwachsen. Da die Witwe nicht der Versicherte ist, kann sie in der Versicherung des Verstorbenen nichts nachentrichten. Es kann auf sich beruhen, ob diese Frage anders zu beurteilen wäre, wenn die Mitbeteiligte im Rahmen eines Witwenfortbetriebes im Sinne des § 134 GSVG die Versicherungszeiten des Verstorbenen als eigene Versicherungszeiten erworben hätte und im Rahmen des (danach) eigenen Versicherungsverlaufes eine Anerkennung unwirksamer Versicherungszeiten des Verstorbenen beantragt hätte, weil ein solcher Fall hier nicht vorliegt.

Somit entspricht die von der belangten Behörde vertretene Auffassung nicht der Rechtslage, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 4. Oktober 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998080112.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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