Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr Pipal über die Berufung des Herrn Gerhard C, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Mariahilf, vom 14.2.1994, Zl Cst 2661-Mh/93, wegen Übertretung des § 23 Abs 2 StVO, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und das
angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß in der
Tatumschreibung anstelle der Worte "... mit dem ... gehalten" die
Worte "... den ... abgestellt" stehen und das Kennzeichen "ZE-13"
lautet.
Der Berufungswerber hat gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 140,--, das sind
20 % der verhängten Geldstrafe, zu bezahlen.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher S 910,--.
Begründung:
1. Der gegenständlichen Berufung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber schuldig erkannt, er habe am 5.6.1993, um 12.25 Uhr, in Wien, M-gasse
mit dem PKW ZE-13 außerhalb eines Parkplatzes und nicht am Rande der Fahrbahn und parallel zum Fahrbahnrand gehalten.
Hiedurch habe er § 23 Abs 2 StVO verletzt, weswegen über ihn gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO eine Geldstrafe von S 700,--, bei Uneinbringlichkeit 42 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und ihm ein entsprechender Verfahrenskostenbeitrag auferlegt wurde. Dieser Sachverhalt wurde aufgrund einer Organstrafverfügung eines Sicherheitswachebeamten festgestellt.
Nach einer Lenkerauskunft wurde an den Berufungswerber eine entsprechende Strafverfügung gerichtet.
In dem fristgerechten Einspruch wurde vorgebracht, das Fahrzeug sei neben einer rechteckigen Baumscheibe und somit am äußersten rechten Fahrbahnrand parallel zu diesem abgestellt gewesen. Aus einer hierauf durch den Meldungsleger angefertigten Tatortskizze ist ersichtlich, daß die rechte Begrenzung der Baumscheibe 0,20 Meter
vom Gehsteigrand entfernt und parallel zu diesem liegt, die linke 2,15 Meter.
Nach weiteren Ermittlungsschritten der Behörde brachte der Berufungswerber vor, man könne von einem Straßenverkehrsteilnehmer nicht verlangen, daß er allein aus der geringen Entfernung von 20 cm zwischen der Baumscheibeneinfriedung und dem Gehsteig den Schluß ziehe, die Baumscheibeneinfriedung stelle keinen neuen Fahrbahnrand, sondern eine "Verkehrsinsel" dar.
Nach Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses wurde in einer fristgerechten Berufung lediglich die rechtliche Beurteilung der Erstbehörde bekämpft und im wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt.
2. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:
Gemäß § 23 Abs 2 StVO ist ein Fahrzeug außerhalb von Parkplätzen, sofern sich aus Bodenmarkierungen oder Straßenverkehrszeichen nicht anderes ergibt, zum Halten und Parken am Rande der Fahrbahn und parallel zum Fahrbahnrand aufzustellen.
Ob durch eine am Fahrbahnrand gelegene Baumscheibe ein neuer Fahrbahnrand entsteht, neben dem das Halten und Parken erlaubt ist, oder ob diese Baumscheibe - ähnlich wie eine Schutzinsel im Sinne des
§ 2 Abs 1 Z 13 StVO 1960 - einen i n n e r h a l b der Fahrbahn befindlichen Straßenteil darstellt, neben dem das Halten und Parken verboten ist, richtet sich nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien danach, ob die Baumscheibe erkennbar vom normalen Fahrbahnrand, das heißt vom Gehsteig, getrennt ist oder nicht. Denn auf einer Seite einer Fahrbahn kann es immer nur einen einzigen Fahrbahnrand geben (vgl VwGH 20.2.1981, 02/2275/80). Da im vorliegenden Fall die Baumscheibe keinerlei Verbindung zum Gehsteig hat und erkennbar rund 20 cm vom Gehsteigrand entfernt ist, entsteht kein neuer Fahrbahnrand, sodaß neben der Baumscheibenbegrenzung das Halten und Parken verboten ist. Das seitens des Berufungswerbers zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.10.1982, 82/02/0121, betrifft insofern einen anderen Fall, als es dort um eine "Verkehrsinsel" geht, die eine entsprechende räumliche Ausdehnung hat, sodaß sie zwei
Fahrbahnen mit jeweils einem eigenen Fahrbahnrand entstehen läßt. Im vorliegenden Fall kann naturgemäß bei dem 20 cm breiten Teil der Fahrbahn, der zwischen der Baumscheibe und dem Gehsteig liegt, nicht von einer zweiten Fahrbahn gesprochen werden, außerdem ist die Baumscheibe nicht derart räumlich ausgedehnt.
Somit ist die objektive Verwirklichung der angelasteten Verwaltungsübertretung als erwiesen anzusehen.
Da zum Tatbestand der übertretenen Verwaltungsvorschrift der Eintritt
eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und diese Bestimmung über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nichts normiert, kann der Täter zufolge § 5 Abs 1 VStG nur dann straflos bleiben, wenn
er glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung dieser Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Diese Glaubhaftmachung
ist im gegenständlichen Fall nicht gelungen, weil weder vorgebracht wurde noch hervorgekommen ist, daß die Einhaltung dieser Verwaltungsvorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können. Daher ist die dem Berufungswerber zur Last gelegte Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht als erwiesen anzusehen.
Es wird von fahrlässiger Tatbegehung mit nicht geringem Verschulden
ausgegangen.
Zur Strafbemessung wird folgendes ausgeführt:
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient
und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach
sich
gezogen hat.
Gemäß Abs 2 der angeführten Bestimmung sind im ordentlichen
Verfahren
(§§ 40-46 VStG) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die übertretene Verwaltungsvorschrift dient dem Interesse an der Vermeidung von Verkehrsbeeinträchtigungen, weshalb der objektive Unrechtsgehalt der Tat, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, als nicht geringfügig zu betrachten ist.
Milderungs- und Erschwerungsgründe kamen nicht hervor. Im Hinblick auf diese Strafzumessungsgründe und den gesetzlichen Strafrahmen kam eine Herabsetzung der Geldstrafe - auch für den Fall der Einkommens- und Vermögenslosigkeit sowie des Vorliegens von Sorgepflichten - nicht in Betracht, weil die Strafe ohnehin am unteren Ende der möglichen Strafbemessung liegt und general- sowie spezialpräventive Erwägungen eine geringere Strafe verbieten. Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens
stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 64 Abs 1 und 2 VStG.