TE UVS Niederösterreich 1994/10/04 Senat-WB-93-463

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Veröffentlicht am 04.10.1994
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Spruch

Frau S T, geb 19**, vertreten durch Hrn Mag M E, H*****gasse **, **** W***, hat

gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft W vom ***199*, Zl 3-*****-

9*, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen nach dem Arbeitsinspektionsgesetz

(ArbIG), BGBl Nr 143/1974 fristgerecht Berufung erhoben.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat durch das Mitglied Dr P

entschieden wie folgt

Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 AVG, BGBl Nr 51/1991 keine Folge

gegeben und

das erstinstanzliche Straferkenntnis in seinen Schuld-, Straf- und Kostenaussprüchen vollinhaltlich bestätigt.

 

Die Berufungswerberin hat gemäß § 64 Abs 1 und Abs 2 VStG, BGBl Nr 52/1991 idgF

insgesamt S 2.400,-- als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens binnen 2

Wochen zu zahlen.

 

Innerhalb gleicher Frist sind der Strafbetrag von S 12.000,-- und die Kosten des Strafverfahrens erster Instanz in der Höhe von S 1.200,-- zu bezahlen (§ 59 Abs 2 AVG).

Text

Mit dem bekämpften Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft W vom ***199*, Zl 3-*****-9*, wurde über Frau S T in ihrer Eigenschaft als Inhaberin ihres

Gewerbebetriebes, F T, Transportunternehmen und Silotransporte in ****

M*********, wegen Unterlassung der fristgerechten Vorlage der vom Arbeitsinspektorat für den 7. Aufsichtsbezirk angeforderten Verzeichnisse über

die ausgegebenen Fahrtenbüchern von allen Lenkern - Punkt 1 des Straferkenntnisses - und der Nichtvorlage der Fahrtenbücher bzw. Fahrtenbuchdurchschläge von allen Lenkern für August 1992 - wie im Punkt 2 des

erstinstanzlichen Bescheides angelastet - und somit wegen Übertretung der Bestimmungen des § 5 Abs 2 ArbIG eine Geldstrafe in der Höhe von insgesamt S

12.000,--, 2 x S 6.000,--, im Nichteinbringungsfalle eine Ersatzfreiheitsstrafe

von 2 x je 120 Stunden, zusammen 240 Stunden, gemäß § 18 Abs 1 ArbIG verhängt.

 

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschuldigte durch ihren ausgewiesenen

Rechtsvertreter fristgerecht Berufung und begründete vorliegendes Rechtsmittel

einerseits damit, daß die Strafbehörde erster Instanz von einem fortgesetzten

Delikt ausgehen hätte müssen, da durch so einen angelasteten Verstoß gegen die Verwaltungsvorschriften lediglich die Kontrolle der Einhaltung der den

gesundheitlichen Schutz der Arbeitnehmer dienenden Vorschriften erschwert werde

und somit die Voraussetzungen für die Annahme eines Vorliegens des

fortgesetzten

Deliktes gegeben seien.

 

Die Nichtvorlage der angeführten Arbeitszeitaufzeichnungen für August 1992

stellten somit eine Fortsetzung der Nichtvorlage der Arbeitszeitaufzeichnungen

für Juli 1992 dar und sei eine neuerliche Bestrafung wegen dieses Deliktes

rechtswidrig.

 

Im übrigen sei es unrichtig, daß wegen der Nichtvorlage der Verzeichnisse über

die ausgegebenen Fahrtenbücher sowie der Fahrtenbücher bzw. Fahrtenbuchdurchschläge je eine Geldstrafe verhängt worden sei.

 

Weiters wäre die Bestrafung wegen der Nichtvorlage der Verzeichnisse gemäß § 18

ArbIG rechtswidrig und wäre die richtige Strafnorm die Bestimmung des § 28 Abs 1

AZG, welche die spezielleren Bestimmungen hinsichtlich der Nichtvorlage der

angeforderten Unterlagen aufweise, weshalb die Nichtvorlage dieser Aufzeichnungen auch ausschließlich nach dem AZG zu bestrafen sei.

 

Aus all diesen Gründen werde daher der Antrag auf ersatzlose Behebung des Straferkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Einstellung des anhängigen Verwaltungsstrafverfahrens gestellt, in eventu die Abänderung des Straferkenntnisses dahingehend begehrt, daß allenfalls eine Bestrafung nach § 28 Abs 1 AZG erfolge, und daß wegen der Nichtvorlage der Verzeichnisse über die ausgegebenen Fahrtenbücher sowie die Fahrtenbücher bzw. Fahrtenbuchdurchschläge nur eine Geldstrafe verhängt werde.

 

Im Rahmen des erteilten Parteiengehörs hat das am Verfahren mitbeteiligte

Arbeitsinspektorat nach Kenntnis des Berufungsvorbringens den gestellten

Strafantrag vollinhaltlich aufrecht gehalten und die Bestätigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses beantragt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat daher wie folgt erwogen:

 

Die Berufung erweist sich als nicht berechtigt.

 

Vorweg ist festzuhalten, daß von der Anberaumung einer öffentlichen mündlichen

Verhandlung gemäß der Bestimmung des § 51 e Abs 2 VStG abgesehen werden konnte.

 

Ferner wurde der dem Straferkenntnis der Behörde erster Instanz zugrundeliegende

Sachverhalt von der Rechtsmittelwerberin der Richtigkeit nach nicht bestritten.

 

I

Die Ausführungen der Einschreiterin, im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren wären die Voraussetzungen für das Vorliegen eines

fortgesetzten Delikes gegeben, sind rechtsirrig.

 

Die einzelnen Übertretungen wegen Nichtvorlage des Verzeichnisses über die

ausgegebenen Fahrtenbücher sowie wegen Nichtvorlage der Fahrtenbücher bzw dieser Durchschläge, stellen kein fortgesetztes Delikt dar.

 

Unter einem fortgesetzten Delikt versteht man eine Reihe von gesetzwidrigen

Einzelhandlungen, die vermöge der Gleichartigkeit der Begehungsform, sowie der

äußeren Begleitumstände im Rahmen eines erkennbaren zeitlichen Zusammenhanges

sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzepts des Täters zu einer Einheit

zusammentreten (vgl VwGH vom 19.5.1980 Slg 10.138A verstärkter Senat uva).

 

Das bedeutet, daß eine Mehrheit von an sich selbständigen, nacheinander

gesetzten Handlungen, deren jede für sich den Tatbestand desselben Deliktes

erfüllt, durch ein gemeinsames Band zu einer rechtlichen Einheit verbunden sein

muß und dann rechtlich als ein einziges Delikt zu behandeln ist. Alle Teilakte

der Handlungsreihe stellen somit rechtlich nur eine einzige Handlung

dar (VwGH 5.7.1982, 3593/80).

 

So sich die Einschreiterin darauf beruft, daß wegen der Nichtvorlage dieser

Aufzeichnungen für andere Monate des Jahres 1992 sowie für Jänner 1993

Verwaltungsstrafverfahren anhängig seien und darauf basierend argumentiert, daß

somit ein fortgesetzes Delikt anzunehmen ist, ist sie darauf hinzuweisen, daß

die schriftlichen Aufforderungen des Arbeitsinspektorates, die Aufzeichnungen

für einen bestimmten Zeitraum vorzulegen, den Fortsetzungszusammenhang auf jeden

Fall unterbrechen, da die hinsichtlich jeder gesonderten Aufforderung folgende

Nichtentsprechung einen speziellen Willens- und Tatentschluß der Arbeitgeberin

hervorrufen mußte und es somit an dem für die Annahme des Vorliegens eines

fortgesetzten Deliktes notwendigen einheitlichen Willensentschlusses mangelt.

 

Das von der Berufungswerberin zum Beweis ihres Vorbringens zitierte Erkenntnis

des Verwaltungsgerichtshofes vom 17.3.1988, Zl 88/08/0087, kann vorliegendenfalls nicht zum Tragen kommen, da in diesem Erkenntnis nur die Frage

behandelt wird, ob je Arbeitnehmer eine eigene Übertretung oder aber eine

einheitliche Übertretung vorliegt, wenn einer einzigen Aufforderung, Arbeitszeitaufzeichnungen vorzulegen, nicht nachgekommen wird.

 

II

So die Täterin weiters vermeint, durch den Ausspruch einer Geldstrafe sowohl

wegen der Nichtvorlage der Verzeichnisse über die ausgegebenen Fahrtenbücher als

auch wegen der Nichtvorlage der Fahrtenbücher bzw. der Fahrtenbuchdurchschläge

sei eine unzulässige Doppelbestrafung erfolgt, irrt sie über den Geltungsbereich

des § 22 VStG, welche Norm vorsieht, daß, wenn jemand durch verschiedene

selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat, oder eine Tat

unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt,

die Strafen

nebeneinander zu verhängen sind.

 

Von unechter Idealkonkurrenz spricht man dann, wenn der Täter zwar nur eine

deliktische Handlung begangen hat, die jedoch Merkmale mehrere Deliktstypen

aufweist, wobei aber mit der Unterstellung unter einen Deliktstypus

der

Unrechtsgehalt voll erfaßt wird.

 

Die beiden gegenständlichen Übertretungen können nicht als einheitliches Delikt

angesehen werden, das Verzeichnis über die ausgegebenen Fahrtenbücher wird zu

einem anderen Zweck, von einer anderen Person, und zu einer anderen Zeit

erstellt als die Eintragungen in die Fahrtenbücher selbst. Hinsichtlich der Fahrtenbücher ist der Arbeitgeber zur Kontrolle verpflichtet,

während er das Verzeichnis als Beweis für die Ausgabe der Fahrtenbücher selbst

zu erstellen hat und erfolgte daher eine gesonderte Bestrafung zu

den Punkten 1

und 2 des Straferkenntnisses zurecht.

 

III

Die Heranziehung der Strafnorm der Bestimmung des § 18 ArbIG im vorliegenden

Fall ist zulässig.

 

§ 5 Abs 2 des ArbIG 1974 zählt demonstrativ die Unterlagen auf, die den

Arbeitsinspektionsorganen zur Einsicht vorgelegt werden müssen. Nach dem zweiten

Satz des § 5 Abs 2 gilt dies auch für Unterlagen, die nach Arbeitnehmerschutzvorschriften zu führen sind.

 

Diese Bestimmung erfaßt alle Unterlagen, die mit dem Arbeitnehmerschutz im Betrieb zusammenhängen, um es dem Arbeitsinspektor zu ermöglichen, sich

jederzeit und umfassend über das zu unterrichten, was er in Hinblick auf seine

Aufgabenstellung in einem konkreten Fall benötigt. Diese Norm beinhaltet auch

die Verpflichtung, jene Unterlagen zur Einsichtnahme freizugeben, die ansonsten

versperrt aufbewahrt werden und nur einem bestimmten Personenkreis zugänglich

sind, und gilt dies auch für Papiere, die über ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis Auskunft geben können.

 

Bspw. besteht eine Vorlageverpflichtung der Lohn- und Gehaltslisten nicht nur

nach dieser Bestimmung des § 5 Abs 2 sondern auch nach § 26 Abs 2

AZG.

 

Die Strafbestimmungen hinsichtlich der Nichtbefolgung der Vorlageverpflichtung

nach § 5 Abs 2 ArbIG sind in § 18 Abs 1 legcit enthalten. Diese Norm enthält

zwei Straftatbestände, wobei zur Zuordnung zu einem dieser beiden nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die klare, unmißverständliche

und

ausreichend konkretisierte Tatumschreibung genügt.

 

Da im Spruch des Straferkenntnisses der Beschuldigten die Tat insoweit in

konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht worden ist, daß sie in die Lage

versetzt wurde, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren auf den konkreten

Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen,

und der Spruch geeignet ist, sie rechtlich davor zu schützen, wegen desselben

Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden, ist sowohl der

zwingenden Bestimmung des § 44 a VStG Genüge getan worden, als auch durch die Textierung und durch die Anführung der richtigen Strafbestimmung eine klar

erkennbare Zuordnung der Tat unter den in § 18 Abs. 1 ArbIG enthaltenen

Tatbestand der Vereitelung der Erfüllung der Aufgaben der Arbeitsinspektion

erfolgt ist (vgl Geppert, Arbeitsinspektion und Arbeitnehmerschutz,

Seiten 360

ff).

 

IV

Die seitens der Beschuldigten behauptete Spezialität des AZG gegenüber der Bestimmung des § 5 ArbIG ist nicht gegeben.

 

Spezialität liegt vor, wenn der eine Delikttypus zunächst alle Merkmale des

anderen enthält, darüberhinaus aber auch noch andere, durch die der Sachverhalt

in einer spezifischen Weise erfaßt wird, wodurch die beide Deliktstypen

zueinander im Verhältnis von Gattung und Art stehen. Dabei geht das spezielle

Delikt dem allgemeinen Delikt vor, letzteres wird durch ersteres verdrängt.

 

Der Straftatbestand des § 18 Abs 1 in Verbindung mit § 5 Abs 2 ArbIG unterscheidet sich vom Straftatbestand des § 17 Abs 2 AZG letzter Satz in Verbindung mit § 28 AZG, weshalb der Fall der Spezialität in dieser Verwaltungsstrafsache nicht zum Tragen kommen kann.

 

Da vorliegendenfalls von einer Vereitelung der Aufgaben der Arbeitsinspektion

ausgegangen werden muß, da der Erfolg einer Amtshandlung durch das Verhalten der Arbeitgeberin in Frage gestellt wird, kommt auch die höhere

Strafdrohung des § 18 ArbIG zum Tragen.

 

Der VwGH hat im Erkenntnis vom 28.1.1991, Zl 90/19/0247 einen Bescheidspruch,

der den Arbeitgeber aufgrund der Nichtvorlage der Arbeitszeitaufzeichnungen eine Verwaltungsübertretung gemäß § 18 Abs 2 AZG vorwarf und gemäß § 18 Abs 1 ArbIG

bestrafte, als nicht rechtswidrig erkannt.

Da § 28 AZG nur dann anzuwenden ist, wenn die Tat nicht nach anderen

Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, ist die Anwendung

des § 18 Abs 1 ArbIG gesetzeskonform.

 

Die Beschuldigte hat im gegenständlichen Fall die angelasteten Verwaltungsübertretungen sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht

und in der Schuldform des bedingten Vorsatzes verwirklicht, da die Täterin den

tatbildmäßigen Erfolg nicht bezweckte, sie seinen Eintritt auch nicht als gewiß

voraussah, ihn aber für möglich hielt und sich mit ihm abfand.

 

Das Vorliegen weiterer Schuld- bzw. Strafausschließungsgründe wurde von der Bestraften weder behauptet noch waren solche aus dem gesamten

Akteninhalt

ersichtlich.

 

Hinsichtlich der Höhe der verhängten Strafen wurde vom Senat

entschieden wie

folgt:

 

Unter Zugrundelegung der in § 19 VStG normierten Strafzumessungsgründe

erscheinen die von der Strafbehörde erster Instanz im Rahmen des ihr zustehenden

Ermessens verhängten deliktsbezogenen Geldstrafen, welche im unterdurchschnittlichen Bereich des gesetzlichen Strafrahmens liegen, sowohl als

tat- und schuldangemessen als auch persönlichkeitsadäquat und sogar unter

Berücksichtigung unterdurchschnittlicher allseitiger finanzieller und

wirtschaftlicher Verhältnisse der Beschuldigten notwendig, der Einschreiterin

die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens klarzumachen und sie in Hinkunft von der Setzung gleichgelagerter Verhaltensweisen abzuhalten, wobei bei der Höhe der Strafzumessung zusätzlich ein generalpräventiver Zweck zu berücksichtigen war,

keine Milderungsgründe, wohl aber der Umstand des Nichtvorliegens der

Unbescholtenheit und der mehrmaligen Bestrafung aus dem Bereich des Arbeitnehmerschutzes zu werten war, und das Ausmaß der Bestrafung sowohl mit den Intentionen des Gesetzgebers als auch mit der ständigen Judikatur des

Verwaltungsgerichtshofes, der Übertretungen, die sich direkt oder auch indirekt

gegen die höchstpersönlichen Rechte der Arbeitnehmer richten, oder die Kontrolle

der Einhaltung der arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften vereiteln oder

erschweren, einen erheblichen Unrechtsgehalt beimißt, in Einklang.

 

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch genannten Gesetzesstellen.

 

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Berufung ein Erfolg zu versagen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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