Herr R G, wohnhaft in **** K******* ***, hat gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft N vom ** S******** 199*, Zl 3-****-9*, betreffend
Bestrafung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 - StVO, fristgerecht
Berufung
erhoben.
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich hat durch
das Mitglied
Mag. K über diese Berufung wie folgt entschieden
Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen
Verwaltungsverfahrensgesetzes
1991, BGBl Nr 51 - AVG, keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis zu Punkt 1 vollinhaltlich bestätigt.
Zu Punkt 2 des Straferkenntnisses wird der Berufung § 66 Abs 4 AVG teilweise
Folge gegeben. Der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wird zu Punkt 2 insoweit geändert, als die verhängte Geldstrafe von S 3.000,-- auf S 2.000,-- herabgesetzt wird.
Des weiteren wird dadurch obligatorisch gemäß § 64 VStG der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz von S 500,-- auf S 400,-- abgeändert.
Der Berufungswerber hat gemäß § 64 Abs 1 und 2 des Verwaltungsstrafgesetzes
1991, BGBl Nr 52 - VStG, S 400,-- als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu Punkt 1 des Straferkenntnisses binnen zwei Wochen zu
bezahlen.
Innerhalb gleicher Frist sind der Strafbetrag und die Kosten des Verfahrens
erster Instanz zu bezahlen (§ 59 Abs 2 AVG).
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis erkannte die Bezirkshauptmannschaft N den Rechtsmittelwerber für schuldig, am ** A***** 199*, um **** Uhr, im Gemeindegebiet von G********, auf der H*******straße, auf Höhe des Bahnkilometers **,*, in Fahrtrichtung A**** O*** Allee, das Motorrad mit dem
behördlichen Kennzeichen ** *** *, gelenkt zu haben und
1.
dieses Fahrzeug bei einem Verkehrsunfall nicht sofort angehalten zu haben,
obwohl das Verhalten am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem
Zusammenhang stand, indem er beim Überholen einer Radfahrergruppe mit dem
rechten Rückspiegel seines Fahrzeuges die Radfahrerin J B (die erste der
3köpfigen Radfahrergruppe) streifte, wodurch diese zu Sturz kam und
sich dabei
verletzte;
2.
bei einem Verkehrsunfall mit verletzten Personen die nächste Polizei oder
Gendarmeriedienststelle nicht sofort verständigt zu haben, obwohl das Verhalten
am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stand.
Die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz lastete dem Beschuldigten zu
Punkt 1.
die Übertretung gemäß §§ 99 Abs 2 lit a und 4 Abs 1 lit a StVO 1960 an und
verhängte über den Beschuldigten eine Geldstrafe gemäß § 99 Abs 2 lit a StVO in Höhe von S 2.000,-- und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden.
Zu Punkt 2.
wird dem Beschuldigten die Übertretung gemäß §§ 99 Abs 2 lit a und 4 Abs 2 StVO
1960 zur Last gelegt und über ihn eine Geldstrafe gemäß § 99 Abs 2 lit a StVO in Höhe von S 3.000,-- und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden verhängt.
Gemäß § 64 Abs 2 VStG wurde der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster
Instanz in Höhe von S 500,-- festgesetzt.
Dagegen hat der Beschuldigte fristgerecht Berufung erhoben.
Als Berufungsgründe wendet der Rechtsmittelwerber ein, er sei sich keiner Schuld
im Sinne der Anschuldigungen bewußt. Er habe sein Motorrad nach ca 200 bis 300 m
angehalten und sei ca zwei Minuten später zur Unfallstelle zurückgekehrt. Dort
habe er erfahren, daß bereits die Gendarmerie verständigt worden sei.
Im übrigen sei er unter einem schweren Schock gestanden.
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich hat dazu rechtlich
erwogen
Zumal der Rechtsmittelwerber sein Vorbringen ausdrücklich auf die rechtliche
Beurteilung der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz stützt, konnte gemäß § 51
e Abs 2 VStG von der Durchführung einer öffentlich mündlichen
Verhandlung
abgesehen werden.
Gemäß § 4 Abs 1 lit a StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort
mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehen, wenn
sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.
Gemäß § 4 Abs 2 StVO haben, sofern bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt
worden sind, alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehen, Hilfe zu leisten; sind sie
dazu nicht fähig, so haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen.
Ferner haben sie die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle
sofort zu
verständigen.
Zweifellos und vom Beschuldigten auch nicht bestritten, stand dieser als Lenker
des Motorrades ** *** *, zum Tatzeitpunkt am Tatort mit einem Verkehrsunfall in
ursächlichem Zusammenhang, bei dem eine Person verletzt worden ist. Obwohl der Rechtsmittelwerber von diesen Umstand Kenntnis erlangte, die Berührung zwischen
seinem Motorrad und den dabei verletzten Radfahrer brachte den Beschuldigten aus
dem Gleichgewicht, hat er das Fahrzeug nicht sofort, sondern erst
200 bis 300 m
nach dem Verkehrunfall angehalten.
Wenn der Rechtsmittelwerber meint, die lange Anhaltestrecke wäre darin
begründet, weil er zum Austarieren seines Fahrzeuges längere Zeit gebraucht
habe, ist dem nicht zu folgen. Es liegt in der Natur der Sache, daß nach
Berührungen, insbesondere, wenn das Fahrzeug ins Schleudern gerät, der Lenker
automatisch die Geschwindigkeit vermindert und letztlich durch
Bremsen versucht
sein Fahrzeug unter seine Herrschaft zu bringen.
Angesichts der vom Beschuldigten gewählten Geschwindigkeit von ca 100 km/h könne
daher der Anhalteweg keinesfalls 200 bis 300 m betragen.
Insofern kann daher auch nicht davon gesprochen werden, daß der Beschuldigte
sofort nach dem Verkehrsunfall sein Fahrzeug angehalten hat. Vielmehr liegt der Verdacht nahe, daß der Beschuldigte sich zunächst seinen in Rede stehenden Pflichten, zu entziehen suchte.
Dafür spricht letztlich auch das anschließende Verhalten des Rechtsmittelwerbers. Dieser kam zu Fuß zur Unfallstelle zurück, gab sich zwar
als Unfallszeuge zu erkennen, nicht aber als fahrerflüchtiger Motorradfahrer.
Im übrigen ist das Wort sofort im Sinne obiger Gesetzstelle, im wörtlichen Sinn
zu verstehen, sodaß der Verpflichtete so rasch wie möglich die Verständigung
vorzunehmen hat (VwGH 12. April 1973, 1833/72; 11. September 1974, ZvR 1975/53).
Dem Schutzunterworfenen dieser Norm soll damit rascheste Hilfe im Fall seiner
Verletzung gewährleistet werden. Das Anhalten des Fahrzeuges in einer Entfernung
von mehreren hundert Metern kann daher als sofortiges Anhalten nicht qualifiziert werden.
Wenn der Rechtsmittelwerber darüber hinaus vermeint, die nächste Polizei oder
Gendarmeriedienststelle wäre nach seiner Rückkehr bereits von dritter Seite
verständigt worden, so ist dieser Umstand nicht geeignet, ihn selbst
zu
entlasten.
Das vom Gesetzgeber verlangte sofortige Handeln setzt ein Tätigwerden all jener
Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem
Zusammenhang steht in unmittelbarer zeitlichen Folge auf das Unfallsgeschehen
voraus.
Da diese Person als Beteiligte des Geschehens auch in örtlichem Zusammenhang zur
verletzten Person stehen müssen, sofern sie rechtmäßig ihr Fahrzeug anhalten,
hat initiativ die Verständigung der nächsten Polizei oder Gendarmeriedienststelle durch diese zu erfolgen.
Sei es durch die persönliche Verständigung der Polizei oder Gendarmeriedienststelle oder eine durch Boten veranlaßte Verständigung.
Keinesfalls dürfen die sich im Gesetz genannten Personen darauf verlassen, daß
die Sicherheitsorgane von dritter Seite verständigt werden.
Letztlich ist die Rechtfertigung des Beschuldigten, er wäre einige Minuten
später zur Unfallstelle zurückgekehrt, zu diesem Zeitpunkt habe jedoch bereits
jemand die Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall verständigt, Indiz dafür,
daß der Rechtsmittelwerber nicht sofort gehandelt hat, da andere Personen
hinreichend Zeit gefunden haben, zwischenzeitig seiner Verpflichtung
gemäß zu
handeln.
Zur Strafbemessung durch die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz
ist
auszuführen:
Gemäß § 19 VStG ist die Grundlage für die Bemessung von Strafen stets das Ausmaß
der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen,
deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst
nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Darüber hinaus sind die Erschwerungs- und Milderungsgründe, das Ausmaß des Verschuldens sowie die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Durch die übertretenen Verwaltungsnormen soll gewährleistet werden, daß die an
einem Verkehrsunfall beteiligten Personen und ihre Identität festgehalten wird,
um allenfalls für Rückfragen, Zeugenaussagen und ähnlichem zur Verfügung zu
stehen.
Weiters soll dadurch gewährleistet werden, daß verletzte Personen raschest
medizinisch versorgt werden können und die Unfallstelle abgesichert wird. Durch
das Verhalten des Beschuldigten wurde dieser Schutzzweck der Normen verletzt,
wenngleich durch die Rückkehr des Beschuldigten der Schutzzweck der Norm nicht
vereitelt wurde.
Eine Vorstrafenabfrage durch die Bezirkshauptmannschaft N ergab, daß der
Rechtsmittelwerber bisher verwaltungsstrafbehördlich unbescholten ist.
Das Verschulden des Rechtsmittelwerbers an der Herbeiführung der Tat ist als
bedingt vorsätzlich zu qualifizieren.
Als geschulten Lenker eines Fahrzeuges war dem Rechtsmittelwerber bekannt, daß
er insbesondere bei einem von ihm verursachten Verkehrsunfall mit Personenschaden sein Fahrzeug anzuhalten, die entsprechende Hilfe zu leisten und
die nächste Gendarmerie- oder Polizeidienststelle zu verständigen hat.
Der Berufungswerber hat sohin ernstlich für möglich halten müssen, durch seine
Handlungen die in Rede Verwaltungsübertretung zu begehen.
Als mildernd war demnach die bisherige Unbescholtenheit als erschwerend
demgegenüber die vorsätzliche Begehung der Straftat zu werten.
Der 25jährige, ledige Beschuldigte bezieht laut eigenen Angaben als Pauser ein
monatliches Nettoeinkommen von S **.000,--, verfügt über kein
Vermögen und hat
keine Sorgepflichten zu tragen.
Angesichts der vorgenannten Strafzumessungsgründe erscheint die von der
Bezirkshauptmannschaft N zu Punkt 1 festgesetzte Strafe als schuldund
tatangemessen.
Die unbegründete strengere Bestrafung des Beschuldigten zu Punkt 2 trotz
gleicher Strafdrohung gemäß § 99 Abs 2 lit a StVO von S 500,-- bis S 30.000,--
ist demgegenüber nicht nachvollziehenbar und wird deswegen zu Punkt 2 die
verhängte Geldstrafe in Höhe von S 3.000,-- auf S 2.000,-- herabgesetzt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung zu Punkt 1 ergibt sich obligatorisch aus § 64 VStG.