TE UVS Wien 1994/11/04 07/08/1019/93

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Veröffentlicht am 04.11.1994
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr Pipal über die Berufung des Herrn Jae Keun C, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 6. und 7. Bezirk, vom 22.9.1993, Zl MBA 6/7- S/07773/93, wegen Übertretung des § 74 Abs 5

Z 1 des Lebensmittelgesetzes 1975 in Verbindung mit § 1 Abs 1 und § 3 Abs 1 Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993, BGBl Nr 72/93, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Zif 3 VStG

eingestellt.

Der Berufungswerber hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Begründung:

1. Der gegenständlichen Berufung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe es als zur Vertretung nach außen Berufener, nämlich als handelsrechtlicher Geschäftsführer (§ 9 Abs 1 VStG) der

K

Gesellschaft mbH zu verantworten, daß diese Gesellschaft am 3.2.1993 in Wien, K-straße, Lebensmittel, und zwar 1. eine Partie Kala Jeera East End und 2. eine Partie Tamarind East End zum Verkauf bereitgehalten und dadurch in Verkehr gesetzt hat, die insofern nicht

entsprechend den Bestimmungen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973 (LMKVO 1973) gekennzeichnet

waren, als die Kennzeichnung nicht in deutscher Sprache erfolgt ist, somit nicht leicht verständlich war.

Er habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 74 Abs 5 Z 1 des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG 1975) in Verbindung mit § 1 Abs 1 und § 3 Abs 1 LMKVO 1993, BGBl Nr 72/93 verletzt, weswegen über ihn gemäß

§ 74 Abs 5 Z 1 LMG 1975 jeweils eine Geldstrafe von S 1.000,--, insgesamt S 2.000,--, falls diese uneinbringlich sind, eine Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils einem Tag, insgesamt zwei Tage, verhängt und ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von S 200,-- auferlegt wurde.

Gegen dieses Straferkenntnis wurde fristgerecht eine zulässige Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien eingebracht.

2. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs 1 lit a der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 müssen die Kennzeichnungselemente (Angaben) leicht verständlich sein und sind an gut sichtbarer Stelle deutlich lesbar und dauerhaft auf der Verpackung oder auf einem mit ihr verbundenen Etikett anzubringen; sie dürfen nicht durch andere Angaben oder Bildzeichen verdeckt oder getrennt werden.

Gemäß § 44 a Z 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Der Verwaltungsgerichtshof hat erkannt, daß es nach dieser Bestimmung

rechtlich geboten ist, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß

1.) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird,

2.) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

Was den vorstehenden Punkt 1.) anlangt, sind entsprechende, dh in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende, wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch die bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können.

Was den vorstehenden Punkt 2.) anlangt, muß

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, daß der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren (Wiederaufnahmeverfahren) auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen,

und

b) der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich

davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (VwGH, verstärkter Senat, 13.6.1984, Slg 11466A).

Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs 2) vorgenommen worden ist. Nach Abs 2 beträgt die Verjährungsfrist bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat. Ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

Nach § 32 Abs 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung

(Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung udgl), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, unterbricht eine Verfolgungshandlung nur dann die Verjährung, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (vgl ua das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19.10.1978, SlgNF Nr 9664/A und das Erkenntnis vom 19.6.1990, Zl 89/04/0266). Dabei ist zur Beantwortung der Frage, ob Verjährung im Sinne des § 31 Abs 1 VStG eingetreten ist, von der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a Z1 VStG

auszugehen (vgl hiezu ua das Erkenntnis vom 19.6.1990 Zl 89/04/0266) und das dem Beschuldigten zur Last gelegte Handeln unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Z 1 VStG in den Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschrift gemäß § 44a Z 2 VStG näher zu konkretisieren und individualisieren (vgl VwGH 22.12.1992, Zl 91/04/0199). Im vorliegenden Fall wurde gegen den Beschuldigten eine einzige Verfolgungshandlung gerichtet, und zwar eine Strafverfügung vom 30.7.1993. Darin findet sich ebenso wie im Straferkenntnis der Vorwurf, daß "die Kennzeichnung nicht in deutscher Sprache erfolgt ist, somit nicht leicht verständlich war".

Nach § 3 Abs 1 lit a LMKV müssen die Kennzeichnungselemente "leicht verständlich" sein, während gemäß § 2 Abs 1 LMKV 1973 die Kennzeichnung "mit Ausnahme handelsüblicher fremdsprachiger Bezeichnungen, in deutscher Sprache" zu erfolgen hatte. Nun ist freilich nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien durch diese geänderte Formulierung der maßgeblichen Rechtsvorschrift keine im vorliegenden Fall relevante Veränderung der

Beurteilungskriterien eingetreten, nach denen die Einhaltung der Kennzeichnungspflicht zu prüfen ist. So ist auch weiterhin davon auszugehen, daß für die durchschnittlichen Konsumentenschichten nur die deutsche Sprache als " leicht verständlich" anzusehen ist, abgesehen von handelsüblichen fremdsprachigen Bezeichnungen, wie zB "light" u dgl. Eine - zusätzliche - Kennzeichnung in einer oder mehreren Fremdsprachen ist jedoch zulässig (vgl Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr C 95/7 vom 5.4.1993). Die neue Formulierung in der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993, wonach die Kennzeichnung "leicht verständlich" sein muß, diente

offensichtlich dem Zweck, eine terminologische Angleichung an die Regelung innerhalb der Europäischen Union herbeizuführen. Nach Art 14 der Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18.12.1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür müssen die im Art 3 und Art 4

Abs 2 der Richtlinie genannten Angaben "in einer dem Käufer leicht verständlichen Sprache abgefaßt sein, es sei denn, die Unterrichtung des Käufers ist durch andere Maßnahmen gewährleistet". Da weiters das Gemeinschaftsrecht, insbesondere Art 30 EWG-Vertrag, ein Verbot versteckter Handelshemmnisse vorsieht, ist nach der Rechtsprechung des EuGH eine nationale Regelung, die schlechthin für die Lebensmittelkennzeichnung die ausschließliche Verwendung einer bestimmten Sprache vorschreibt, unzulässig (Peeters-Urteil vom 18.6.1991). Es ist vielmehr zwischen der notwendigen Bekämpfung versteckter Handelshemmnisse und dem Recht des Verbrauchers auf verständliche Informationen abzuwägen.

Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, daß die ausschließliche

Kennzeichnung in englischer Sprache nicht etwa zulässig ist. Doch muß

sich aus dem Tatvorwurf in einer Verfolgungshandlung ergeben, welches

Kennzeichnungselement nicht leicht verständlich ist und aus welchem Grund.

Die in der gegenständlichen Strafverfügung gewählte Formulierung, daß

"die Kennzeichnung nicht in deutscher Sprache erfolgt ist, somit nicht leicht verständlich war", ist zu wenig präzise. Denn bei den beanstandeten Packungen fehlen einige Kennzeichnungselemente, zB das Mindesthaltbarkeitsdatum, andere sind nicht leicht verständlich, weil

es sich um fremdsprachige Bezeichnungen handelt, die den durchschnittlichen Konsumentenschichten nicht ausreichend bekannt sind, zB "Nett Weight 250 grams (When packed)", wieder andere sind leicht verständlich im Sinne der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung

1993, weil es sich um unübersetzbare Sachbezeichnungen handelt, zB "Tamarind".

Da jedoch keine ausreichend konkrete Verfolgungshandlung gesetzt wurde, war das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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