TE UVS Tirol 1994/11/09 19/162-3/1993

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Veröffentlicht am 09.11.1994
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Spruch

Gemäß §66 Abs4 AVG iVm §§24, 51, 51c und 51e Abs2 VStG wird der Berufung insoweit Folge gegeben, als die Verwaltungsübertretung nach §7 Abs2 StVO der Strafbestimmung des §99 Abs3 lita StVO unterstellt wird. Im übrigen wird die Begründung als unbegründet abgewiesen.

 

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wird geändert, die ersten drei Absätze haben zu lauten:

 

"Der Beschuldigte E D hat am 18.2.1993 gegen 17.00Uhr den PKW in Abfaltersbach auf der Gemeindestraße im Bereich der unübersichtlichen Rechtskurve zwischen der Drechslerei Kraler und der Tischlerei Rauchegger in südwestliche Richtung gelenkt und ist dabei vor Erreichen der in der Kurve gelegenen Verkehrsinsel nicht am rechten Fahrbahnrand, sondern in der Straßenmitte gefahren, obwohl die Fahrbahnbreite im Bereich der Verkehrsinsel nur 5,60 m beträgt, sodaß der Lenker des entgegenkommenden Fahrzeuges sei Fahrzeug nach rechts verreißen mußte, um einen Zusammenstoß zu verhindern.

 

Der Beschuldigte hat dadurch eine Verwaltungsübertretung nach §7 Abs2 StVO begangen.

Gemäß §99 Abs3 lita StVO wird über ihn eine Geldstrafe von S 3.000,-- verhängt."

 

Gemäß §64 Abs2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens S 600,-- zu bezahlen.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber eine Geldstrafe S 3.000,-- wegen der im Spruch angeführten Verwaltungsübertretung unter Anwendung der Bestimmung des §99 Abs2 litc StVO auferlegt.

 

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung wurde ausdrücklich die Ergänzung des Beweisverfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat durch Einvernahme und Gegenüberstellung des Beschuldigten und des Zeugen S beantragt und dazu begründend ausgeführt, daß die Erstbehörde in weitgehenden Passagen allein der Zeugenaussage S gefolgt sei, obwohl sich diese mit der Aussage des Beschuldigten nicht vereinbaren lasse. Ein einfacher Ortsaugenschein hätte ergeben, daß die Einhaltung einer Geschwindigkeit von 50 bis 60 km/h auf der schmalen und überaus kurvigen Straße praktisch unmöglich sei, im Begegnungsbereich sei jedenfalls das Gebot des Fahrens auf halbe Sicht zu beachten, dem offensichtlich auch der Zeuge S nicht entsprochen habe könne, da es ansonsten wohl nicht zu einer Ausweichlenkung seinerseits gekommen wäre. Soweit dem Berufungswerber eine Übertretung nach §7 Abs2 vorgeworfen werde, sei festzuhalten, daß es bei der Notwendigkeit des Fahrens auf halbe Sicht nicht vordringlich auf die Einhaltung des rechten Fahrbahnrandes ankomme, sondern darauf, daß innerhalb der halben eingesehenen Sichtstrecke angehalten werden kann. Darüberhinaus sei die Bestimmung des §99 Abs2 litc StVO nicht anwendbar, da weder besonders gefährliche Verhältnisse geherrscht hätten, noch besondere Rücksichtslosigkeit vorgelegen sei. Ein Zusammenhang zwischen der Blutalkoholkonzentration und dem Fahren am rechten Fahrbahnrand könne im Sinne einer besonderen Rücksichtslosigkeit nicht angenommen werden, da auch bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,0 Promille und Nichteinhaltung des rechten Fahrbahnrandes Gefahrenmomente auftreten könnten.

 

Der unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat erwogen:

 

Nach §7 Abs2 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert, insbesondere in unübersichtlichen Kurven, vor Fahrbahnkuppen, bei ungenügender Sicht, beim Überholtwerden und bei Gegenverkehr am rechten Fahrbahnrand zu fahren. Er darf hiebei aber nicht Personen gefährden oder Sachen beschädigen.

 

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:

 

Der Berufungswerber ist unbestritten am 18.2.1993 gegen 17.00 Uhr mit dem PKW in Abfaltersbach auf der zwischen  Hausnr 9 (Drechslerei Kraler) und dem gegenüberliegenden Wirtschaftsgebäude gelegenen Gemeindestraße in Richtung Süden gefahren. Auf Höhe der westlichen Ecke des Gebäudes Nr9, die unmittelbar an den östlichen Fahrbahnrand der Gemeindestraße anschließt, beträgt deren Breite genau 4 Meter. In der Folge weitet sich die Straße trichterförmig in südliche Richtung, die Fahrbahn wird durch eine Verkehrsinsel geteilt, wobei der nordwestlich gelegene Ast, den der Berufungswerber benützt hat, eine Fahrbahnbreite von 5,60 m zur Verkehrsinsel aufweist. Die Entfernung zwischen dem nördlichen Teil der Verkehrsinsel und jener nördlich der Verkehrsinsel gelegenen Stelle der Gemeindestraße, an der die Fahrbahnbreite genau 5 Meter beträgt,bemißt sich ca. mit 8 Metern. Sowohl der Zeuge S als auch der Berufungswerber hielten dabei eine Geschwindigkeit von ca. 30 bis 40 km/h ein. Dem Zeugen S gelang es noch, die Engstelle zwischen der Verkehrsinsel und der nordöstlich davon gelegenen Fahrbahnbegrenzung (Breite 5,60 Meter) zu verlassen und rechts entlang der Verkehrsinsel auszuweichen, bevor der Berufungswerber diese Stelle passiert hat. Der Berufungswerber hat die Gemeindestraße in deren Mitte befahren, bevor er jene Stelle erreicht hat, an der sich die Gemeindestraße auf 5 Meter verbreitet. Zum Zeitpunkt der vorangeführten Fahrt war beim Berufungswerber eine Blutalkoholkonzentration von etwa 0.7 Promille gegeben.

 

Der vorangeführte Sachverhalt steht fest aufgrund der Gendarmerieanzeige vom 2.3.1993, der Verantwortung des Berufungswerbers, der Aussage des als Zeugen einvernommenen W S sowie der Aussage der A S als Auskunftsperson bei der Gendarmerie, aufgrund des Gutachten des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 18.3.1993 sowie des aufgrund im Zuge des Berufungsverfahrens eingeholten Vermessungsplanes (Kopie) der Gemeinde Abfaltersbach im Maßstab 1:500.

 

Zur Fahrgeschwindigkeit hat sich der Berufungswerber dahingehend geäußert, daß es sein könne, daß er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h zwischen dem Gasthaus Mitterdorfer und der Kunstmühle Stallbaumer nicht eingehalten habe, er habe nicht auf den Tacho geachtet. Es sei aber vollkommen unrichtig, daß er diese Geschwindigkeit wesentlich überschritten hätte (Punkt 4 der Stellungnahme vom 7.4.1993). Unter Punkt 5 der selben Stellungnahme hat der Berufungswerber weiters darauf hingewiesen, daß der Zeuge W S mit einer weit über 30 km/h gelegenen Geschwindigkeit gefahren sei. In seiner Berufung bezeichnet der Berufungswerber die Einhaltung einer Geschwindigkeit von 50 bis 60 km/h auf der schmalen und überaus kurvigen Straße als praktisch unmöglich. Der Zeuge W S hat von einem "Höllentempo" des Berufungswerbers bei dieser Fahrt gesprochen, er hat die Geschwindigkeit des entgegenkommenden Fahrzeuges auf ca. 50 bis 60 km/h geschätzt.

 

Dieser Aussage ist unter Berücksichtigung der regelmäßigen Überschätzung der Geschwindigkeit entgegenkommender Fahrzeuge zu entnehmen, daß sowohl der Berufungswerber als auch der Zeuge W S eine Fahrgeschwindigkeit von ca. 40 km/h eingehalten haben. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß bei einer Fahrgeschwindigkeit von 40 km/h in der Sekunde eine Strecke von 11 m zurückgelegt wird sowie des Umstandes, daß es dem Zeugen S noch gelungen ist, nach rechts um die Verkehrsinsel auszuweichen, bevor der Berufungswerber die Engstelle passiert hat, ist davon auszugehen, daß der Zeuge S den Berufungswerber zu einem Zeitpunkt wahrgenommen hat, in dem dieser jene Stelle der Gemeindestraße, an der sie sich auf 5 m ausweitet, noch nicht passiert hat. In diesem relativ schmalen Straßenteil ist die Einschätzung, ob ein Kraftfahrzeuglenker den rechten Fahrbahnrand einhält oder in der Straßenmitte fährt, relativ leicht möglich. Die Berufungsbehörde hatte daher keine Bedenken, Diese Aussage des Zeugen S ihrer Entscheidung zugrundezulegen, zumal diese Aussage auch von der im PKW des Zeugen S mitfahrenden Schwester des Zeugen, A S, vor der Gendarmerie bestätigt wurde.

 

Unter Punkt 5 der Stellungnahmevom 7.4.1993 hat der Berufungswerber ausgeführt, daß die Fahrbahn auf der Gemeindestraße im unübersichtlichen Rechtskurvenbereich auf Höhe der Tischlerei Rauchegger derart eng sei, daß es keinesfalls auf das Fahren am äußerst rechten Fahrbahnrand ankomme, sondern ohnedies das Fahren auf halbe Sicht geboten ist.

 

Dem ist entgegenzuhalten, daß eine allfällige Notwendigkeit des Fahrens auf halbe Sicht nicht verfahrensgegenständlich ist und keinesfalls das Gebot des §7 Abs2 StVO aufhebt. Bei engen und unübersichtlichen Straßen kommt dem strengen Einhalten der rechten Fahrbahnseite erhöhte Bedeutung zu, sodaß ein Verstoß gegen diese Regel besonders schwer wiegt (OGH 12.9.1968, ZVR 1969/257).

 

Aufgrund des Vorgesagten steht fest, daß der Berufungswerber die ihm angelastete Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht verwirklicht hat.

 

Zur Strafbemessung:

 

Der Unrechtsgehalt der Verwaltungsübertretung ist gravierend,weil der Berufungswerber die Verkehrssicherheit, zu deren Schutz die Bestimmungen des §7 Abs2 StVO normiert wurden, in mehrfacher Hinsicht gefährdet hat ( unübersichtliche Rechtskurve, enge Fahrbahn, Gegenverkehr). Die Verschuldensform wurde von der Erstinstanz zutreffend als grobe Fahrlässigkeit qualifiziert.

 

Für die Anwendung des §99 Abs2 litc StVO ist es erforderlich, daß zu dem an sich strafbaren Verhalten des Täters noch zusätzliche Sachverhaltselemente hinzukommen müssen, wenn angenommen werden soll, daß die Tat unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen wurde.

 

Die von der Erstbehörde im Spruch angeführtrn Sachverhaltselemente finden zur Gänze ihre Deckung in der Bestimmung des §7 Abs2 StVO. Sie wurden beim Unrechtsgehalt entsprechend berücksichtigt.

 

Da die Erstbehörde dem unwidersprochen gebliebenen Gutachten des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 18.03.1993, wonach das auffällige Verhalten des Beschwerdeführers eine alkoholbezogene Enthemmug gezeigt habe, und daß bereits ab 0,5 Promille die doppelte Unfallgefährdung gegeben sei, nicht eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit im Sinne des §5 Abs1 StVO entnommen hat, war es nicht zulässig, diese dem Berufungswerber im Wege des §99 Abs2 litc StVO zu unterstellen.

 

Mildernde Umstände lagen nicht vor, der Berufungswerber scheint strafvorgemerkt auf.

 

Wegen des gravierenden Unrechtsgehaltes der Verwaltungsübertretung kann eine Herabsetzung der verhängten Geldstrafe trotz des wesentlich geringeren Strafrahmens des § 99 Abs3 lita StVO nicht in Betracht. Die verhängte Geldstrafe entspricht somit dem Unrechtsgehalt der Verwaltungsübertretung und dem Verschulden, sie steht mit den wirtschaftlichen Verhältnissen des Berufungswerbers selbst dann in Übereinstimmung, wenn diese als ungünstig zu bezeichnen wären.

 

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil die neuerliche Einvernahme des Zeugen S nur deshalb beantragt wurde, weil dieser anders ausgesagt hat als der Berufungswerber. Es war nicht zu erkennen, was sich durch eine Gegenüberstellung des Zeugen mit dem Beschuldigten daran ändern sollte. Die Durchführung eines Ortsaugenscheines erschien ebenfalls entbehrlich, weil die Berufungsbehörde ohnedies nicht von der Einhaltung einer Geschwindigkeit von 50 bis 60 km/h ausgegangen ist.

 

Im übrigen stützt sich die Entscheidung auf die bezogenen Gesetzesstellen.

 

Aus den angeführten Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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