Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Hollinger über die Berufung des Herrn Dieter F gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Brigittenau, vom 13.6.1994, Zl Cst 33.204/B/93, wegen Verwaltungsübertretung gemäß § 103 Abs 1 KFG iVm § 36 lit e KFG entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
Der Berufungswerber hat daher gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 200,--, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu bezahlen.
Begründung:
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Brigittenau, vom 13.6.1994, wurde der Berufungswerber für schuldig erkannt, er habe am 3.12.1993, um 08.30 Uhr, in Wien, H-markt, als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges mit
dem Kennzeichen W-34 nicht dafür gesorgt gehabt, daß am Fahrzeug eine
den Vorschriften entsprechende Begutachtungsplakette angebracht war (Lochung: 2/93). Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs 1 KFG iVm § 36 lit e KFG begangen. Gemäß § 134 KFG wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall 60 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.
Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die Berufung des Beschuldigten, in welcher dieser im wesentlichen ausführt, daß eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorliege und das Verfahren sehr mangelhaft durchgeführt und abgeführt worden sei.
Das Parteiengehör und gesetzliche Vorschriften seien verletzt worden.
Es sei ihm keine Gelegenheit gegeben worden, sich zu rechtfertigen und Beweise zu stellen bzw zu beantragen. Er fühle sich nicht schuldig im Sinne der Anzeige durch die Polizei. Er habe auch gegen die Höhe der Strafe Einwände, auf sein Einkommen sei nicht Rücksicht genommen worden. Der Beschuldigte beantragte weiters eine mündliche Verhandlung.
1) Zur Frage der Rechtzeitigkeit der Berufung:
Das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Brigittenau, vom 13.6.1994, Zl Cst 33.204/B/93, wurde dem Berufungswerber im Postwege zugestellt und von
diesem persönlich am 15.6.1994 übernommen, wobei er den Erhalt mit seiner Unterschrift quittierte. Wann die mit 28.6.1994 datierte Berufung zur Post gegeben wurde, kann nicht ersehen werden, da sich auf dem Kuvert kein Poststempel befindet. Ausgehend von einem zweitägigen Postlauf stellt sich die am 30.6.1994 bei der Erstbehörde
eingelangte Berufung als rechtzeitig dar.
2) Zur Sache selbst:
Um dem Berufungswerber die Möglichkeit einzuräumen, sich mündlich zu rechtfertigen und die von ihm angekündigten Beweise vorzubringen, beraumte der Unabhängige Verwaltungssenat Wien für den 22.11.1994 eine öffentliche mündliche Verhandlung an. Zu dieser Verhandlung wurde auch der Berufungswerber ordnungsgemäß geladen, am 21.11.1994 langte jedoch ein Schreiben des Berufungswerbers, datiert vom 17.11.1994, beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien ein, in welchem der Berufungswerber sein Nichterscheinen zur Verhandlung mit einem Termin bei Gericht entschuldigte (Näheres wird über die Gründe des Nichterscheinens nicht ausgeführt).
Gemäß § 51f Abs 2 VStG, welcher normiert, daß der Umstand, wenn eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung des Erkenntnisses hindert, wurde die Verhandlung trotz der - im übrigen viel zu vage gehaltenen "Entschuldigung" - des Beschuldigten durchgeführt. Hiezu ist zu bemerken, daß die Nichtteilnahme des Berufungswerbers an der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien für
sich noch allein keinen Rechtsnachteil für den Beschuldigten bewirken
kann. Die Folge des Fernbleibens war lediglich, daß der Berufungswerber sich unter anderem dadurch der Möglichkeit begeben hat, an der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken und dabei für ihn sprechende, über die schriftlichen Dispositionen hinausgehende, Umstände geltend zu machen (vgl VwGH vom 20.1.1993, Zl 92/02/0231). Der in der mündlichen Verhandlung einvernommene Zeuge, RevI Wolfgang A, gab folgendes an:
"Mir ist damals das Auto aufgefallen, weil es dort schon eine längere
Zeit gestanden ist, schmutzig war und unter den Reifen lag ebenfalls schon Schmutz. Es hat sich um einen gelben Skoda gehandelt, mit Rostflecken.
Ich dachte ursprünglich, das Auto könnte gestohlen sein und habe es daher näher angeschaut. Im Zuge meiner Kontrolle konnte ich feststellen, daß die Begutachtungsplakette schon lange abgelaufen war
und kam es daher zu einer Cst-Anzeige.
Mit der Überprüfung von Begutachtungsplaketten habe ich eigentlich
sonst nicht so viel zu tun und kann ich mich daher an dieses Fahrzeug
noch so gut erinnern.
Ich habe das Fahrzeug von außen genauestens kontrolliert und konnte ich nur feststellen, daß die Begutachtungsplakette abgelaufen war. Die Reifen waren in Ordnung, ebenso die Gläser von Scheinwerfern und Leuchten."
Aufgrund der Ermittlungsergebnisse und insbesonders aufgrund der oben
angeführten Zeugenaussage des RevI A ist der Unabhängige Verwaltungssenat Wien aber zu der Auffassung gelangt, daß sich weder die Einvernahme des von der Verhandlung ausgebliebenen Beschuldigten,
noch die Aufnahme weiterer Beweise als notwenig erweist und war daher
die Verhandlung im Hinblick auf § 51h Abs 1 VStG nicht zu vertagen, sondern wurde im Anschluß an die Zeugenaussage der Berufungsbescheid verkündet.
Der Berufungswerber wird noch darauf aufmerksam gemacht, daß es ihm selbstverständlich freigestanden wäre, wenn er aufgrund eines Termines bei Gericht unabkömmlich war, einen mit der Sachlage vertrauten bevollmächtigten Vertreter zu entsenden. Auf diese Möglichkeit wurde der Berufungswerber, genauso wie auf § 51f Abs 2 VStG, durch den Ladungsbescheid vom 11.10.1994 aufmerksam gemacht und
hatte der Berufungswerber diesen Ladungsbescheid eigenhändig am 20.10.1994 übernommen, sodaß dem Berufungswerber für allfällige Dispositionen ein genügend langer Zeitraum zur Verfügung gestanden ist, zumal Gerichtstermine schon längerfristig bekannt sind.
In rechtlicher Hinsicht ergibt sich folgendes:
Gemäß § 103 Abs 1 Z 1 KFG hat der Zulassungsbesitzer dafür zu sorgen,
daß das Fahrzeug (der Kraftwagen mit Anhänger) und seine Beladung, unbeschadet allfälliger Ausnahmegenehmigungen oder -bewilligungen, den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht.
Gemäß § 36 lit e KFG dürfen Kraftfahrzeuge ... nur verwendet werden,
wenn ... eine den Vorschriften entsprechende Begutachtungsplakette
(§ 57a Abs 5 und 6) am Fahrzeug angebracht ist.
Dem Vorbringen des Berufungswerbers in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 17.11.1994, wonach der in Rede stehende PKW, Kennzeichen W-34 nicht in seinem Eigentum stehe, sondern von seiner Mutter gekauft und bezahlt worden sei, ist entgegenzuhalten, daß der Berufungswerber unbestrittenermaßen Zulassungsbesitzer des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges ist und § 103 Abs 1 Z 1 KFG für den Zulassungsbesitzer auch dann gilt, wenn er nicht Eigentümer des Fahrzeuges ist (OGH 20.9.1966, 11OS83/66; ZVR 1967/188). Aufgrund der schlüssigen und widerspruchsfreien Zeugenaussage im Zusammenhalt mit der Anzeige des Meldungslegers ergibt sich aber unzweifelhaft, daß das auf den Berufungswerber zugelassene Kraftfahrzeug nicht mehr den gesetzlichen Bestimmungen entsprochen hat, da es nicht mit einer gültigen Begutachtungsplakette versehen war.
RevI A hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien zeugenschaftlich einvernommen inhaltlich klar und widerspruchsfrei und zudem unter der Wahrheitsverpflichtung des § 289 StGB ausgesagt. Außerdem unterliegt der Zeuge auf Grund seines Diensteides und auf Grund seiner verfahrensrechtlichen Stellung nicht
nur der Wahrheitspflicht, sondern treffen ihn im Falle einer Verletzung dieser Pflicht nicht nur straf- sondern auch dienstrechtliche Sanktionen.
Auch konnte die Aktenlage keinerlei Hinweis darüber abgeben, daß der Zeuge den ihm offenbar unbekannten Berufungswerber durch eine unrichtige Aussage wahrheitswidrig einer verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung hätte aussetzen wollen.
Entspricht der Zustand eines zum Verkehr zugelassenen Fahrzeuges nicht (mehr) den gesetzlichen Bestimmungen, dann ergibt sich aus § 103 Abs 1 KFG aber die Pflicht des Zulassungsbesitzers, alle ihm zumutbaren Maßnahmen vorzukehren, um die Verwendung des Fahrzeuges im
öffentlichen Verkehr durch Dritte zu verhindern (VwGH vom 29.4.1987, Zl 87/03/0045). Es kann den Berufungswerber sohin nicht entlasten, daß der PKW einer anderen Person überlassen worden ist.
Abschließend ist noch folgendes festzuhalten:
Entgegen dem Vorbringen des Berufungswerbers in seiner schriftlichen Mitteilung vom 17.11.1994, ist der Unabhängige Verwaltungssenat Wien nicht der Auffassung, daß der schriftlichen Berufung gegen das Straferkenntnis vom 13.6.1994 ein Formgebrechen anhaftet. Wenn der Berufungswerber in diesem Zusammenhang meint, seine schriftliche Berufung weise keine Unterschrift auf und hätte die Behörde ihm auftragen müssen, dieses Formgebrechen zu beheben, so ist der Berufungswerber auf § 13 Abs 4 AVG zu verweisen, wonach die Behörde, wenn sie Zweifel darüber hat, ob das Anbringen von der darin genannten Person stammt, eine Bestätigung durch ein schriftliches Anbringen mit eigenhändiger und urschriftlicher Unterschrift auftragen kann. Im gegenständlichen Fall kann aber kein Zweifel darüber bestehen, daß die handschriftlich verfaßte Berufung vom Beschuldigten selbst stammt, weist sie doch das gleiche Schriftbild auf, wie sich im erstinstanzlichen Akt befindliche, eigenhändig unterschriebene, Anbringen des Beschuldigten.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien war daher nicht verpflichtet, den Berufungswerber zur Unterfertigung seiner Berufung aufzufordern. Im übrigen ist der Berufungswerber noch darauf hinzuweisen, daß aufgrund der fixen Geschäftsverteilung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien eine Zusammenlegung des gegenständlichen Verfahrens mit anderen ha anhängigen Verfahren nicht möglich ist.
Zur Strafbemessung ist folgendes auszuführen:
Die Tat schädigte in nicht unerheblichem Maße das Interesse an der ausschließlichen Verwendung von verkehrstüchtigen und verkehrssicheren und ordnungsgemäß ausgestatteten Kraftfahrzeugen im öffentlichen Verkehr.
Der Unrechtsgehalt der Tat war beträchtlich, hat die Begutachtungsplakette doch zur Tatzeit, 3.12.1993, die Lochung "2/93"
aufgewiesen.
Das Verschulden des Berufungswerbers kann nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist, noch aufgrund der Tatumstände anzunehmen war, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.
Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kommt dem Berufungswerber nicht mehr zugute.
Eine einschlägige Verwaltungsvormerkung wurde erschwerend gewertet. Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und auf den bis zu
S 30.000,-- reichenden Strafsatz, ist die verhängte Geldstrafe, insbesonders im Hinblick auf den doch beträchtlichen Unrechtsgehalt der Tat und der einschlägigen Verwaltungsvormerkung, selbst bei unterdurchschnittlichem Einkommen und Vermögenslosigkeit und dem Bestehen von gesetzlichen Sorgepflichten, nicht nur durchaus angemessen und keineswegs zu hoch, sondern nach Dafürhalten des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien auch unbedingt angebracht, soll die Strafe doch dazu dienen, den Berufungswerber in Hinkunft von der Begehung gleichartiger Taten wirkungsvoll abzuhalten. Eine Herabsetzung der Geldstrafe kam daher nicht in Betracht. Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens
stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 64 Abs 1 und 2 VStG.