Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Schnizer-Blaschka über die Beschwerde vom 14.10.1994 gemäß Art129a Abs1 B-VG des Herrn Kurt P, derzeit Justizanstalt S, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wie folgt entschieden:
Die Beschwerde wird gemäß §67c Abs3 AVG zurückgewiesen.
Begründung:
1. In seiner Beschwerde vom 14.10.1994 beantragt der Beschwerdeführer, "der Unabhängige Verwaltungssenat Wien möge den angefochtenen Akt, die belangte Behörde habe mir die mir gemäß §68 Abs1, 2 StVG zustehende ärztliche bzw auf Anordnung des Anstaltsarztes vorzunehmende fachärztliche Behandlung vom 29.8. bis 2.9.1994 vorenthalten, für rechtswidrig erklären und erkennen, ich sei zumindest in dem Recht, nach den Bestimmungen des StVG ärztlich untersucht und behandelt zu werden, sowie gemäß Art3 MRK einer unmenschlichen Behandlung nicht unterworfen zu werden, verletzt worden". Im Hinblick auf die Sachverhaltsdarstellung verweist der Beschwerdeführer auf seine Beschwerde vom 1.9.1994 (siehe unten Punkt 2.)
2. Bereits mit seiner Beschwerde vom 1.9.1994 (ergänzt mit ha am 6.9.1994 eingelangtem Schriftsatz) hatte der Beschwerdeführer beantragt, der Unabhängige Verwaltungssenat Wien möge den angefochtenen Akt, die belangte Behörde habe ihm die ihm gemäß den Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes zustehende ärztliche bzw fachärztliche Behandlung zumindest vom 29.8.1994 bis 31.8.1994 vorenthalten, für rechtswidrig erklären und erkennen, er sei zumindest in dem Recht, nach den Bestimmungen des StVG ärztlich untersucht und behandelt zu werden sowie gemäß Art3 MRK einer menschenunwürdigen Behandlung nicht ausgesetzt zu sein, verletzt."
Begründend führte er in dieser Beschwerde aus, er befinde sich im Vollzug einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe in der JA-J und habe seit dem 27.8.1994 starke Zahnschmerzen im Bereich des linken Unterkiefers. In der Folge sei er trotz stärker werdender Schmerzen nur dem Arzt in der Krankenabteilung vorgeführt worden. Wäre er rechtzeitig in fachärztliche Behandlung überwiesen worden, wäre ihm "die äußerst schmerzvolle Ausbreitung der Entzündung und der mögliche Verlust von mehr als einem Backenzahn sowie die haufenweise Einnahme möglicherweise nierenschädigender Medikamente durch mehrere Tage erspart geblieben."
Die Überstellung des Beschwerdeführers von der JA J in die JA S war dieser Beschwerde zufolge am 2.9.1994 erfolgt.
3. Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 22.9.1994, UVS-02/31/00077/94, wurde diese Beschwerde vom 1.9.1994 gemäß §67c Abs3 AVG zurückgewiesen, wobei begründend folgendes ausgeführt wurde:
Gemäß §119 StVG haben die Strafgefangenen das Recht, hinsichtlich des ihre Person betreffenden Vollzuges in angemessener Form mündlich oder schriftlich Ansuchen zu stellen. Zu diesem Zweck haben sie sich in Fällen, die keinen Aufschub dulden, an den zunächst erreichbaren Strafvollzugsbediensteten, sonst zu der in der Hausordnung festzusetzenden Tageszeit an den hiefür zuständigen Strafvollzugsbediensteten zu wenden.
§120 Abs1 leg cit bestimmt:
"(1) Die Strafgefangenen können sich gegen jede ihre Rechte betreffende Entscheidung oder Anordnung und über jedes ihre Rechte betreffende Verhalten der Strafvollzugsbediensteten beschweren. Über die Art der ärztlichen Behandlung können sich die Strafgefangenen jedoch nur nach §122 beschweren."
§122 StVG lautet:
"Die Strafgefangenen haben das Recht, durch Ansuchen und Beschwerden das Aufsichtsrecht der Vollzugsbehörden anzurufen. Auf solche Ansuchen oder Beschwerden braucht den Strafgefangenen jedoch kein Bescheid erteilt zu werden."
Gemäß §67a Abs1 Z2 AVG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.
Die Regelungen über die sogenannte Maßnahmenbeschwerde dienen - wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont (vgl zB VwGH 29. 6. 1992, 91/15/0147, und die dort zitierte Vorjudikatur) - nur der Schließung einer Lücke im Rechtsschutzsystem, nicht aber der Eröffnung einer Zweigleisigkeit für die Verfolgung ein- und desselben Rechtes. Was in einem Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, kann daher nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde sein (vgl auch VwSlg 9461 A/1977).
Im Beschwerdefall hätte der Beschwerdeführer hinsichtlich der von ihm behaupteten Verweigerung einer fachärztlichen Betreuung die Möglichkeit einer Austragung im Verwaltungsverfahren gemäß §§120 ff StVG zur Verfügung. Für die erhobenen Maßnahmenbeschwerde besteht daher im vorliegenden Fall von vornherein kein Raum (siehe hiezu insbesondere VwGH 16.9.1992, 92/01/0713, betreffend einen völlig vergleichbaren Fall der Verweigerung einer ärztlichen Betreuung während eines Strafvollzugs).
Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unzulässig und war daher zurückzuweisen.
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsansicht abzugehen. Soweit der Beschwerdeführer nunmehr unter Bezugnahme auf diesen Bescheid - zusammengefaßt - ausführt, seine Beschwerde richte sich "gegen die Art der ärztlichen Behandlung", für welche eine Austragung im Verwaltungsweg nicht in Betracht komme, ist ihm zu entgegnen, daß unter Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne des §67a Abs1 Z2 iVm §67c AVG nach der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts eine solche Amtshandlung zu verstehen ist, die ein behördliches Handeln im Rahmen der der Behörde zustehenden Befehls- und Zwangsgewalt darstellt, der in irgendeiner Form eine rechtsfeststellende oder rechtserzeugende Wirkung beigemessen werden kann und bei der es sich um einen gegen eine individuell bestimmte Person gerichteten Verwaltungsakt und somit um eine Amtshandlung individuellen normativen Inhaltes handelt (vgl etwa VfSlg 7346). Darüber hinaus muß es sich um einen verwaltungsbehördlichen Befehl mit unverzüglichem Befolgungsanspruch an den Beschwerdeführer handeln, der erforderlichenfalls mit sofortigem Zwang durchgesetzt worden wäre (VfSlg 8327; vgl auch zB VwSlg 9439 A oder Beschluß des VwGH vom 30.9.1986, Zlen 86/04/0144-0149).
Die - hier behauptetermaßen unzulängliche - Ausübung ärztlicher Kunst kann im Rahmen eines derartigen Beschwerdeverfahrens nicht überprüft werden, da es dem bekämpften Vorgang an sämtlichen Merkmalen für die Qualifikation als Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im obigen Sinn mangelt, insbesondere an jenen der normativen Wirkung und des sofortigen Befolgungsanspruches.
5. Die Beschwerde war daher gemäß §67c Abs3 AVG zurückzuweisen, und zwar soweit sie sich gegen die vorenthaltene fachärztliche Behandlung vom 29.8.1994 bis 31.8.1994 richtet, weil entschiedene Sache vorliegt (Identität des Beschwerdeantrages mit dem Beschwerdeantrag vom 1.9.1994, über den bereits mit ha Bescheid vom 22.9.1994, UVS-02/31/00077/94, rechtskräftig abgesprochen wurde; siehe hiezu Punkt 2.), und soweit sie sich gegen die Vorenthaltung der fachärztlichen Behandlung nach diesem Zeitpunkt bis 2.9.1994 richtet, weil das bekämpfte Vorgehen (bzw die Unterlassung) - sofern die ärztliche Behandlung selbst gemeint war - keine verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt darstellt (Punkt 4.) bzw - nimmt man den Beschwerdeantrag (Punkt 1.) wörtlich - aus den unter Punkt 3.) dargelegten Erwägungen.