Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag Schöbinger über die fristgerecht eingebrachte Berufung des Herrn Günther F gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 4. u 5. Bezirk vom 20.8.1993, MBA 4/5 - S 7588/92, wegen Übertretung des §366 Abs1 Z4 Gewerbeordnung 1973, BGBl Nr 50/1974, idgF, entschieden:
Gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG wird das angefochtene Straferkenntnis in der Schuldfrage mit der Maßgabe bestätigt, daß die Strafnorm "§366 Abs1 Einleitungssatz iZm Z4 leg cit" zu lauten hat.
Der Berufung wird jedoch insoferne Folge gegeben, als die Geldstrafe von S 10.000,-- auf S 7.000,-- und die festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen auf 7 Tage herabgesetzt wird. Dementsprechend wird der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gemäß §64 Abs1 und 2 VStG mit S 700,-- festgesetzt.
Der Berufungswerber hat gemäß §64 Abs3 VStG die mit S 1.027,20 bestimmten Barauslagen zu ersetzen.
Dem Berufungswerber wird gemäß §65 VStG kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vorgeschrieben.
Begründung:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der nunmehrige Berufungswerber (BW) für schuldig erkannt, es als gewerberechtlicher Filialgeschäftsführer der B AG mit dem Sitz in
N zu verantworten zu haben, daß am 10.8.1992 in Wien, W-gasse, die mit Bescheiden des Magistratischen Bezirksamtes für den 4./5. Bezirk vom 20.12.1984, MBA 4/5 - Ba 38.774/1/84, und vom 17.1.1986, MBA 4/5 - BBa 38.774/3/85, genehmigte Betriebsanlage nach folgenden Änderungen ohne die erforderliche Genehmigung (§81 GewO) betrieben wurde:
1) der links der Garageneinfahrt gelegene Pflichtstellplatz wurde als Lager verwendet, wobei im Brandfall eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Nachbarn und Kunden möglich war;
2) im Flaschenlager wurde ein Flaschenrückgabeautomat aufgestellt, wobei im Brandfall eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Kunden möglich war, da die Türe zwischen Verkaufsraum und Flaschenlager durch die Aufstellung des Flaschenautomaten offengehalten war;
3) im Kundenbereich wurde ein Ladegerät für eine Bodenreinigungsmaschine aufgestellt, wobei für die Kunden eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit gegeben war, da das Ladegerät infolge der mangelnden Entlüftung in diesem Bereich ein explosives Luft-Gas-Gemisch bilden konnte.
Wegen Übertretung des §366 Abs1 Z4 Gewerbeordnung 1973, BGBl Nr 50/1974, in der geltenden Fasung, wurde über ihn eine Geldstrafe von S 10.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen verhängt. Ferner wurde ihm gemäß §64 VStG ein Beitrag von S 1.000,-- zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt.
In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung wurde vorgebracht, daß Herr Christian B gemäß §9 Abs2 Satz2 VStG - wie sich aus dem Bestellungsdekret ergibt - verantwortlicher Beauftragter sei. Weiters sei der Genannte auch als Verantwortlicher im Sinne des §47 Gewerbeordnung anzusehen. Die zeugenschaftliche Einvernahme des Genannten wurde beantragt. Bezüglich der Strafbemessung wurden die Milderungsgründe des §34 Z2, 15, 16 und 18 StGB geltend gemacht.
In der am 6.6.1994 vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien durchgeführten - und am 16.12.1994 zur Verkündung des Berufungsbescheides fortgesetzten - öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde nach Erörterung der Sachlage auf die Einvernahme des beantragten Zeugen Christian B verzichtet. Weiters wurde festgestellt, daß der Genannte weder zum Tatzeitpunkt noch zum Verhandlungszeitpunkt (6.6.1994) zum gewerberechtlichen Filialgeschäftsführer der verfahrensgegenständlichen Filiale bestellt war. Weiters wurde seitens des Rechtsvertreters des BW ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Änderungen der gegenständlichen Betriebsanlage sofort nach Anzeigenlegung wieder zur Gänze rückgängig gemacht worden seien. Durch die Änderung der Betriebsanlage seien auch keinerlei nachteilige Folgen entstanden. Derartige Folgen seien auch nicht aktenkundig. Außerdem hätten nach dem 10.8.1992 keinerlei Beanstandungen mehr stattgefunden. Das Berufungsvorbringen hinsichtlich der Geltendmachung des Milderungsgrundes des §34 Z16 StGB wurde in der Verhandlung vom 6.6.1994 zurückgezogen.
Der Rechtsvertreter des BW verzichtete ausdrücklich auf eine Einladung zur mündlichen Verhandlung betreffend die Verkündung des Berufungsbescheides.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:
Der objektive Tatbestand wird in der Berufung nicht bestritten und ist daher aufgrund der Anzeige (AV des MBA 4/5 vom 12.8.1992) als erwiesen anzusehen.
Dem Berufungsvorbringen, Herr Christian B sei nicht nur gemäß §9 Abs2, 2. Satz VStG sondern auch im Sinne des §47 GewO für die gegenständliche Verwaltungsübertretung verantwortlich, ist einerseits entgegenzuhalten, daß der Genannte zum Tatzeitpunkt nicht zum gewerberechtlichen Filialgeschäftsführer der verfahrensgegenständlichen Filiale bestellt gewesen ist, und andererseits, daß die Bestellung des Genannten zum verantwortlichen Beauftragten im Sinne des §9 Abs2, 2. Satz VStG den BW bei der vorliegenden Übertretung gewerberechtlicher Vorschriften nicht zu entlasten vermag, da die GewO im §9 Abs1 und §370 Abs2 und 4 selbstständige Regelungen hinsichtlich der Delegierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der nach außen zur Vertretung berufenen Organe juristischer Personen trifft. Es ist daher für den Bereich des Gewerberechtes nach dem diesbezüglichen klaren Wortlaut des §9 Abs1 VStG, der die Subsidiarität dieser Bestimmung gegenüber allfälligen entsprechenden Regelungen in den besonderen Verwaltungsgesetzen normiert, §9 Abs2 VStG nicht anwendbar (VwGH 125.12.1987 Slg 12590 A).
Gemäß §5 Abs1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Da zum Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört, genügt somit iS der vorzitierten gesetzlichen Bestimmung für die Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.
Mangels weiteren Berufungsvorbringens bezüglich der Verschuldensfrage ist daher davon auszugehen, daß dem BW die Glaubhaftmachung seines mangelnden Verschuldens an der Begehung der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung nicht gelungen ist.
Zur Strafbemessung:
Die Schutzinteressen des §74 Abs2 GewO wurden in nicht bloß geringfügigem Ausmaß verletzt, weshalb der objektive Unrechtsgehalt der Tat nicht unwesentlich ist, selbst wenn die Tat sonst keine nachteiligen Folgen nach sich gezogen hat. Derartige nachteilige Folgen sind nicht aktenkundig.
Das Verschuldensausmaß ist als eher gering zu werten, da dem BW eine bloß fahrlässige Tatbegehung angelastet werden konnte. Laut Auskunft der MA 63-Zentralgewerberegister vom 28.10.1993 wurde der BW bereits zweimal wegen Übertretung der Gewerbeordnung rechtskräftig bestraft, wobei die zuletzt genannte Strafe wegen "Betreiben ohne Genehmigung, Nichteinhaltung von Bescheidauflagen" S 15.000,-- betrug. Die vorherige Strafe betraf das Nichtbereithalten einer Waage.
Von der Erstinstanz wurde offensichtlich nur die Strafe von S 15.000,-- als erschwerende einschlägige Vorstrafe berücksichtigt. Entgegen der Begründung des Straferkenntnisses, in welcher keine Milderungsgründe berücksichtigt sind, waren dennoch die vom BW ins Treffen geführten Milderungsgründe des §34 Z2 sowie des §34 Z15 StBG zuzuerkennen. Der geltend gemachte Milderungsgrund des §34 Z18 StGB (Begehen der Tat vor längerer Zeit und Wohlverhalten seither) konnte nicht zuerkannt werden, da nach der Judikatur des VwGH bei der Strafbemessung das Wohlverhalten des Beschuldigten nach Verwirklichung des Straftatbestandes im allgemeinen nicht zu berücksichtigen ist (VwGH vom 4.7.1989, 89/08/0064-0068). Das Wohlverhalten seit Begehung einer Übertretung muß längere Zeit angedauert haben, um einen Strafmilderungsgrund dazustellen, wobei ein Zeitraum von ungefähr 2 Jahren nicht genügt (VwHG vom 28.9.1988, 88/02/0109). Laut eigenen Angaben bezieht der BW ein monatliches Nettoeinkommen von S 22.000,-- 14x jährlich, verfügt über kein Vermögen und ist sorgepflichtig für 2 Kinder. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des BW sind daher insgesamt - wie dies auch schon von der Erstbehörde angenommmen wurde - als durchschnittlich zu werten.
Die Herabsetzung der verhängten Strafe konnte unter Bedachtnahme auf das eher geringe Verschuldensausmaß und die obzitierten - von der Erstbehörde nicht berücksichtigten - Milderungsgründe erfolgen. Eine weitere Strafherabsetzung kam jedoch im Hinblick auf die übrigen Strafzumessungsgründe und unter Berücksichtigung des für die gegenständliche Verwaltungsübertretung geltenden Höchststrafsatzes von S 50.000,-- nicht in Betracht. Die Auferlegung des Barauslagenersatzes stützt sich auf die zwingende Vorschrift des §64 Abs3 VStG und stellt die Zeugengebühr des von R zur Verhandlung am 6.6.1994 angereisten Zeugen, Herrn Christian B, dar.
Die Spruchänderung diente der richtigen Zitierung der Strafnorm.