Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied
Mag Grauszer über die Berufung des Herrn , geboren am ,
wohnhaft in , , vertreten durch die
Rechtsanwälte , vom
,
gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg
vom 14 11 1994, Zl 300-2805-1993, wegen Bestrafung nach dem
Arbeitnehmerschutzgesetz zu Recht erkannt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs 1 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
1.1 Die Anzeige des Arbeitsinspektorates für den 16 Aufsichtsbezirk vom 26 05 1993 gibt das Erhebungsergebnis einer Überprüfung der Arbeitsinspektionsärztin vom 21 05 1993 wieder, wonach im Bereich der
Tiefdruckmaschine Typ MAN 240 in der Betriebsanlage der in die Absaugung nicht so verstärkt bzw verbessert worden sei, daß die mit Toluol verunreinigte Luft durch eine geräuscharm arbeitende Absauganlage möglichst an der Entstehungs- oder Austrittsstelle abgeführt werde. Zum Zeitpunkt der Feststellung,
die zum Strafantrag geführt hat, sei die Tiefdruckmaschine nicht in Betrieb gewesen, da an den Walzen Reinigungsarbeiten durchgeführt und
die Walzen gewechselt worden seien. Die vorhandenen Bodenabsaugungen seien nicht ausreichend, die bei Reinigungsarbeiten anfallende, mit Toluol verunreinigte Luft zu erfassen. Zwei Arbeitnehmer seien bei den Reinigungsarbeiten einer Konzentration von Toluol von 150 bzw 180
ppm ausgesetzt gewesen. Der MAK-Wert betrage 100 ppm. Unmittelbar über dem Walzbereich seien Werte von 350 bis 400 ppm von der Arbeitsinspektionsärztin gemessen worden, wobei die Arbeitnehmer bei weiterem Hineinbeugen in die Maschine diesen hohen Konzentrationen unmittelbar ausgesetzt gewesen seien. Der Arbeitgeber habe es unterlassen, die mit Toluol verunreinigte Luft durch eine Absauganlage an der Entstehungs- oder Austrittsstelle abzuführen, was
eine Übertretung der §§ 16 Abs 2 und 52 Abs 2 der AAV darstelle, weshalb pro Arbeitsplatz der Arbeitnehmer eine Geldstrafe von S 10000,-- (gesamt sohin S 20000,--) beantragt wurde.
1.2 Im erstinstanzlichen Verfahren gab das Arbeitsinspektorat eine Stellungnahme zu den Rechtfertigungsangaben des Beschuldigten - die Arbeitnehmer hätten entgegen internen Anweisungen bei der Reparatur keine Atemschutzgeräte getragen - am 25 10 1993 ab, in der es heißt, die vorhandene Maschinenabsaugung sei nicht ausreichend, die bei Reinigungsarbeiten entstehenden gesundheitsschädlichen Lösemitteldämpfe (Toluoldämpfe) in entsprechender Weise aus dem Atembereich der Arbeitnehmer abzuführen. Die Maschinenabsaugungen seien für die Abführung der Schadstoffe beim Reinigungsvorgang unwirksam. Der Arbeitgeber habe daher nicht dafür Sorge getragen, durch entsprechende technische Maßnahmen eine für den Reinigungsvorgang an der Tiefdruckmaschine geeignete Absaugvorrichtung zu installieren. Es genüge auch nicht, Atemschutzmasken den Arbeitnehmern zur Verfügung zu stellen, wenn diese von den Arbeitnehmern nicht getragen werden. Die Arbeitnehmer müßten ausreichend informiert werden.
1.3 Das angefochtene Straferkenntnis legt Herrn als
Arbeitgeber zur Last, es unterlassen zu haben, für die Einhaltung
von
Arbeitnehmerschutzvorschriften zu sorgen. Unter Name der Firma: wird
die GesmbH angeführt. Die nichteingehaltenen
Arbeitnehmerschutzvorschriften lauten: Im Bereich der
Tiefdruckmaschine Typ MAN 20 ist die mit Toluol verunreinigte Luft
durch eine geeignete Absauganlage an der Entstehungs- oder
Austrittsstelle abzuführen. Zu Spruch I und II wird unterschieden,
indem der Arbeitsplatz unter Bezeichnung des Namens des
Arbeitnehmers
angeführt wird. Dadurch sei § 31 Abs 2 lit p) des
Arbeitnehmerschutzgesetzes in Verbindung mit § 16 Abs 2 und
§ 52 Abs 2 der AAV verletzt worden. Eine Geldstrafe von S 10000,--
pro Arbeitsplatz wurde verhängt.
2. Der dagegen erhobenen Berufung war aus folgenden - wenn auch nicht vorgebrachten - Gründen Erfolg beschieden:
2.1 Abgesehen davon, daß der Spruch des Straferkenntnisses nicht angibt, in welcher Eigenschaft Herr für die der (als Arbeitgeber) zur Last gelegte Verletzung von
Arbeitnehmerschutzvorschriften zur Verantwortung gezogen wurde, (siehe § 9 VStG), wird durch gegenständlichen Tatvorwurf der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG nicht entsprochen, wonach der Spruch die als erwiesen angenommene Tat zu bezeichnen hat. Danach ist es nämlich rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und
die Identität der Tat unverwechselbar feststeht. Was das erstgenannte
Erfordernis anlangt, sind entsprechende, das heißt in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende, wörtliche Anführungen erforderlich. Was das zweitgenannte Erfordernis anlangt (unverwechselbares Feststehen der Identität der Tat), muß erstens im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, daß der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren (Wiederaufnahmeverfahren) auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen,
und zweitens der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl hiezu insbesondere die Erkenntnisse des VwGH - jeweils eines verstärkten Senates - vom 13 06 1984, Slg NF Nr 11466/A und vom 03 10 1985, Slg NF Nr 11894/A).
Diesen Anforderungen genügt der Tatvorwurf nicht, da er offen läßt, ob die verunreinigte Luft überhaupt nicht, nicht durch eine Absaugeanlage, nicht durch eine geeignete Absaugeanlage (also wirksam) oder nicht an der Entstehungsstelle abgeführt wurde. Der konkret vom Arbeitsinspektorat angezeigte Sachverhalt blieb unberücksichtigt. Tatort und Tatzeit sind überhaupt nicht angeführt.
Die zitierten nicht eingehaltenen Arbeitnehmerschutzvorschriften gibt es in der dargelegten Form unter Bezugnahme auf die angezogenen §§ 16 Abs 2 und 52 Abs 2 der AAV nicht. So bestimmt § 16 Abs 2 AAV in der damals anzuwendenden Fassung, daß aus Arbeitsräumen bei unvermeidlichen nachteiligen Konzentrationen von Schadstoffen in der Luft .... die mit diesen Arbeitsstoffen verunreinigte Luft durch geräuscharm arbeitende Absauganlagen MÖGLICHST an der Entstehungs- oder Austrittsstelle abzuführen ist. Absaugeanlagen müssen SO GESTALTET UND WIRKSAM sein, daß sich Gase, Dämpfe oder Schwebstoffe gesundheitsgefährdender Arbeitsstoffe in einer gefährlichen oder in einer anderen Weise für die Gesundheit nachteiligen Konzentration nicht ansammeln und insbesondere nicht in den Bereich der Atmungsorgane gelangen können. Während also der § 16 Abs 2 AAV die erforderliche Abfuhr von schädlicher Luft durch möglichst an der Entstehungs- oder Austrittsstelle wirkende, jedenfalls aber wirksame Absaugeanlagen regelt, bestimmt § 52 Abs 2 leg cit wie Arbeitsvorgänge bei der Gewinnung, Erzeugung, Verwendung und Lagerung
gesundheitsgefährdender Arbeitsstoffe vorzubereiten, zu gestalten und
durchzuführen sind, um schädliche Luftschadstoffkonzentrationen zu vermeiden, wozu entweder Absaugeanlagen nach § 16 ODER die jeweils sonst erforderlichen Maßnahmen zu treffen sind. Dabei handelt es sich
um zwei verschiedene Delikte, ersteres ist anlagenbezogen, zweiteres arbeitsbezogen. Das zweitgenannte Delikt wurde unbeschadet des Zitats
des § 52 Abs 2 AAV (schon in der Anzeige und) im Straferkenntnis durch den angelasteten Tatvorwurf der fehlenden (oder nicht entsprechenden) Absaugeanlage nicht verwirklicht, da eine tatbestandsmäßig erforderliche Bezugnahme auf die sonstigen Schutzmaßnahmen (hier wohl: Atemschutzgeräte) unterblieb.
Schon aus der Anzeige ergibt sich, daß die bestehende Absaugeanlage eben nicht ausreichend wirksam war (siehe § 16 Abs 2 AAV), da bei Reparaturarbeiten (und Maschinenstillstand) Toluoldämpfe nicht abgesaugt werden, sodaß sich die gemessene und zu vermeidende Toluolkonzentration in der Luft ansammeln konnte. Darauf nimmt das Straferkenntnis jedoch keinen Bezug; ebensowenig auf den Einwand in den Rechtfertigungsangaben, eine Verstärkung der Absaugung sei aus drucktechnischen Gründen nicht möglich (siehe § 68 Abs 1 iVm § 52 Abs 2 AAV).
Ein auf die angezogenen Tatbestände konkret abstellender und entsprechender Tatvorwurf läßt sich aber auch der ersten Verfolgungshandlung, dem Beschuldigtenladungsbescheid vom 16 02 1994,
nicht entnehmen. Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Tat, dem 21 05 1993, ist hinsichtlich der dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat Verfolgungsverjährung eingetreten, weshalb spruchgemäß zu entscheiden
war.
2.2 Abgesehen davon, daß die Begründung des Straferkenntnisses jede Auseinandersetzung mit den Rechtfertigungsangaben vermeidet und in nicht nachvollziehbarer Weise die Tat einfach aufgrund des Akteninhaltes und des Umstandes, daß Sie die Ihnen zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht widerlegen konnten, als erwiesen annimmt, fehlt auch jede Auseinandersetzung mit der Frage, ob es sich
beim Reparaturort (an der Tiefdruckmaschine) um unterschiedliche Arbeitsplätze von zwei Mitarbeitern gehandelt hat
(siehe Rechtfertigung vom 30 06 1994), sodaß zu Recht zwei Delikte anzunehmen waren. Bei einem Arbeitsplatz, an dem auch gleichzeitig mehrere Arbeitnehmer tätig sind, liegt eine einheitliche Tat (= eine Strafe) vor. Nur bei einer Mehrzahl konkreter Arbeitsplätze (ohne wirksame Absaugung) liegt - wegen der Vielzahl von Gefährdungsquellen
für die Gesundheit von Arbeitnehmern - keine einheitliche Tat vor, sodaß mit einer Strafe pro Arbeitsplatz vorzugehen ist.
2.3 Zum Berufungsvorbringen sei angemerkt, daß die Verwendung von Atemschutzmasken bzw -geräten (als persönliche Schutzausrüstung) die nach § 16 Abs 2 AAV geforderte, zur Vermeidung der Ansammlung von schädlichen Luftschadstoffen WIRKSAME Absaugeanlage, wobei die Luft MÖGLICHST an der Entstehungs- oder Austrittsstelle abzuführen ist, grundsätzlich nicht ersetzen kann. Da die vorhandene Absaugung offenbar bei Maschinenstillstand unwirksam ist, wird in erster Linie eine für den Reparaturfall bzw Reinigungsfall wirksame Absaugeanlage vorzukehren sein. Sollte dies, wie behauptet, aus drucktechnischen Gründen nicht möglich sein, so wäre diesbezüglich mit dem Arbeitsinspektorat eine Lösung herbeizuführen, wobei im Hinblick auf
§ 52 Abs 2 und § 68 Abs 1 AAV (Undurchführbarkeit) zu klären wäre, ob
die Atemschutzgeräte für den Reparaturfall ausreichende andere Schutzmaßnahmen darstellen, zumal Undurchführbrkeit der verlangten Schutzmaßnahme (Verstärkung bzw Verbesserung der Absaugung) behauptet wurde. Das gegenständliche Strafverfahren ist hiefür nicht geeignet.
Das Zuwiderhandeln gegen interne Anweisungen zum Tragen von Atemschutzgeräten stellt kein iSd § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG geeignetes Vorbringen dar, die Schuldlosigkeit darzulegen. Der Verantwortliche hat ein geeignetes und wirksames Kontroll- und Maßnahmensystem zur Hintanhaltung von Übertretungen darzulegen, wobei
die Erteilung von Weisungen nach der höchstgerichtlichen Judikatur nicht genügt. Außerdem war die Nichtverwendung von Atemschutzgeräten nicht Gegenstand dieses Strafverfahrens, jedenfalls nicht vom Tatvorwurf erfaßt.