TE UVS Niederösterreich 1995/01/10 Senat-MD-93-750

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Veröffentlicht am 10.01.1995
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl 51/1991 - AVG, mit der Maßgabe Folge gegeben, daß die zu Punkt 1. der Tatbeschreibung ergangenen Schuld-, Straf- und Kostenaussprüche gemäß §45 Abs1 Z1 VStG aufgehoben und die zu Punkt 2. der Tatbeschreibung gemäß den §§ 99 Abs3 litb in Verbindung mit §4 Abs5 StVO verhängte Geldstrafe von S 2.000,-- sowie die für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ausgesprochene Ersatzfreitheitsstrafe von 48 Stunden auf jeweils die Hälfte herabgesetzt werden.

 

Der gemäß §64 Abs2 des Verwaltungsstrafgesetzes BGBl 52/1991 - VStG anteilig zu Punkt 2. vorgeschriebene Kostenbeitrag für das erstinstanzliche Verfahren wird demnach von S 200,-- auf S 100,-- vermindert.

 

Gemäß §59 Abs2 AVG sind der Kostenbeitrag zum erstinstanzlichen Verfahren sowie die ausgesprochene Geldstrafe innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung zu bezahlen.

Text

Die Bezirkshauptmannschaft xx erkannte die Berufungswerberin mit Straferkenntnis vom 25. Oktober 1993, Zl 3-*****-93, für schuldig, am 8. April 1993, um 1.30 Uhr, in B************, auf dem Bahnhofsplatz vor dem Haus Nr 6, Richtung A***** P******gasse, als Lenkerin des PKWs, mit dem amtlichen Kennzeichen ** ** EG,

 

1.

das Fahrzeug bei einem Verkehrsunfall nicht sofort angehalten zu haben, obwohl das Verhalten am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stand und

2.

nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall mit Sachschaden ohne unnötigen Aufschub verständigt zu haben, obwohl das Verhalten am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stand und ein gegenseitiger Identitätsnachweis von Name und Anschrift nicht erfolgte

 

und dadurch

 

zu 1.

eine Übertretung gemäß §99 Abs2 lita in Verbindung mit §4 Abs1 lita StVO 1960 und

 

zu 2.

eine Übertretung gemäß §99 Abs3 litb in Verbindung mit §4 Abs5 StVO 1960

 

begangen zu haben.

 

Gemäß §99 Abs2 lita StVO 1960 wurde zu 1. eine Geldstrafe von S 2.000,--  und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden und

 

gemäß §99 Abs3 litb StVO 1960 zu 2. eine Geldstrafe von S 2.000,--  und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden

 

verhängt.

 

Gemäß §64 Abs2 VStG wurde der Kostenbeitrag für das erstinstanzliche Verfahren mit S 400,-- festgesetzt.

 

In ihrer innerhalb offener Frist eingebrachten Berufung vertritt die Rechtsmittelwerberin zunächst die Ansicht, unmittelbar nach dem hier in Rede stehenden Unfallereignis mit Sachschaden ihr Fahrzeug angehalten zu haben.

 

Weiters vermeint die Einschreiterin, daß sehr wohl ein Austausch von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten im gegenständlichen Fall erfolgt wäre und, daß sie infolge ihrer Selbstanzeige beim Gendarmerieposten B**** ** G****** nicht gegen die Bestimmungen der §§ 4 und 99 StVO 1960 verstoßen hätte.

 

Zudem macht die Rechtsmittelwerberin tätige Reue geltend und vermeint in diesem Zusammenhang, daß damit Straffreiheit für sie gegeben wäre.

 

Aus den vorangeführten Gründen beantragte die Beschuldigte das Strafverfahren gegen sei einzustellen.

 

Die Bezirkshauptmannschaft xx legte den erstinstanzlichen Ermittlungsakt mit Schriftsatz vom 4. Jänner 1994 mit dem Bemerken, vom Recht einer Berufungsentscheidung nicht Gebrauch zu machen und ohne Abgabe einer Stellungnahme dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich zum Zwecke der Entscheidung vor.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich hat hiezu erwogen:

 

Gemäß §51e VStG konnte im gegenständlichen Fall von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, weil einerseits bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid (hinsichtlich Punkt 1.) aufzuheben ist andererseits in der Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird (Punkt 2) und die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung im Rechtsmittel nicht gesondert verlangt worden ist.

 

SACHVERHALT:

 

Aufgrund der Aktenlage und auch von der Rechtsmittelwerberin unbestritten ist die Tatsache, daß die Beschuldigte am 8. April 1993, als Lenkerin des PKWs, mit dem behördlichen Kennzeichen ** ** EG, im Ortsgebiet von **** B**** ** G******, auf dem Bahnhofplatz, den vor dem Haus Bahnhofplatz Nr 6 abgestellten PKW, der Marke Peugeot 605, mit dem Kennzeichen

W ***.***, im Heckbereich erheblich beschädigte.

 

Unmittelbar nach dem Unfallereignis mit Sachschaden hielt die Genannte ihr Fahrzeug an, stieg aus und hinterließ, zumal der Halter bzw Benutzer des beschädigten Peugeot nicht gegenwärtig war, ihre Anschrift und Telefonnummer, welche sie auf einen Zettel geschrieben hatte, hinter dem Scheibenwischerblatt des von ihr beschädigten PKWs.

 

Diese Tatsache ergibt sich einerseits aus der Aussage der Beschuldigten vom 8. April 1993 vor dem Gendarmerieposten B**** ** G****** sowie aus der Zeugenaussage der Halterin des beschädigten Peugeots vor der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat M********* vom 28. Juli 1993.

 

Weiters steht aufgrund der Anzeige des Gendarmeriepostens B**** ** G****** vom 26. April 1993, zu GZ P-****/93-Wag, fest, daß die Beschuldigte am 8. April 1993, um 11.15 Uhr, bei der vorgenannten Dienststelle vorsprach und dort das hier zu behandelnde Unfallereignis zur Anzeige gebracht hat.

 

In rechtlicher Hinsicht ist daher wie folgt auszuführen:

 

Zu Punkt 1. der Tatbeschreibung:

 

Aufgrund der Tatsache, daß sich aus der Anzeige beim Gendarmerieposten B**** ** G****** ergibt, daß die Verdächtige einen Zettel mit ihren Daten hinter die Windschutzscheibe des beschädigten Fahrzeuges gehängt haben will und diese Aussage auch durch die Halterin des beschädigten Peugeots auch am 28.7.1993 vor der Bundesbahndirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat M*********, vollinhaltlich bestätigt worden ist, ergibt sich aus der Aktenlage kein Anhaltspunkt dafür, daß die Beschuldigte nach dem hier zu beurteilenden Unfallereignis mit Sachschaden nicht sofort angehalten hätte, zumal es ihr sonst unmöglich gewesen wäre, den bereits erwähnten Zettel mit ihren Daten an der Windschutzscheibe des beschädigten Fahrzeuges zu befestigen.

 

Es war daher der unter Punkt 1. des bekämpften Straferkenntnisses erfaßte Tatvorwurf in Ermangelung eines tatbildmäßigen Verhaltens gemäß §45 Abs1 Z2 VStG zur Einstellung zu bringen.

 

Zu Punkt 2. der Tatbeschreibung:

 

Aufgrund des vorstehend wiedergegebenen Sachverhaltes ergibt sich in rechtlicher Hinsicht, daß die Beschuldigte den ihr angelasteten Tatbestand des §4 Abs5 StVO 1960 sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht mit der für das Strafverfahren notwendigen Sicherheit erfüllt hat:

 

In objektiver Hinsicht deshalb, weil vom Zeitpunkt des Schadenseintrittes bis zum Zeitpunkt der Meldung desselben bei der nächsten Gendarmeriedienststelle, dem Gendarmerieposten B**** ** G******, mehr als 9 Stunden verstrichen sind.

 

Obzwar die Länge der im Gesetz mit der Formulierung "ohne unnötigen Aufschub" umschriebenen Zeitspanne einer exakten Bestimmbarkeit nicht zugängig ist, herrscht hinsichtlich der Auslegung der in Rede stehenden Gesetzesstelle jedenfalls Einhelligkeit darüber, daß die Frage, ob die Erstattung der Meldung nötiger- oder unnötigerweise aufgeschoben wurde, nach Lage des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen ist (VwGH vom 26. Juli 1974, ZVR 1975/54).

 

Der Grundbegriff "ohne unnötigen Aufschub" kann demnach nur so verstanden werden, daß die Meldung über einen Verkehrsunfall, bei dem bloß Sachschaden entstanden ist, unmittelbar nach Durchführung der im Unfallort notwendigen, durch das Gebot der Verkehrssicherheit erforderlich erscheinenden Maßnahmen bzw nach vergeblichem Versuch des Identitätsnachweises zu erfolgen hat (VwGH vom 12. November 1970, ZVR 1971/34).

 

Demnach kann eine erst nach mehr als 9 Stunden nach dem Unfall mit Sachschaden bei den Sicherheitsbehörden erstattete Anzeige nicht als Verständigung "ohne unnötigen Aufschub" gewertet werden, noch dazu dann, wenn, wie hier zutreffend, keine berücksichtigungswürdigen Hinderungsgründe vorliegen, weshalb, wie bereits eingangs festgestellt, im gegenständlichen Fall die objektive Tatseite als erwiesen anzunehmen war.

 

Zur subjektiven Tatseite ist zunächst auszuführen, daß der Umstand, daß ein Unfall mit Sachschaden ohne unnötigen Aufschub der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle nur dann zu melden ist, wenn ein gegenseitiger Identitätsnachweis von Name und Anschrift nicht erfolgen kann, eigentlich jedem Fahrzeuglenker bekannt sein müßte. Demnach war der Beschuldigten zumindest fahrlässiges Verhalten anzulasten, weil sie die Unfallmeldung erst nach mehr als 9 Stunden nach dem Tathergang erstattet hat und es ihr durchaus zumutbar gewesen wäre, zumindest telefonisch, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle wesentlich kurzfristiger, als sie dies getan hat, zu verständigen.

 

In Anbetracht des Umstandes, daß dem Verwaltungsstrafgesetz das Rechtsinstitut der Selbstanzeige mit strafbefreiender Wirkung fremd ist und die in Rede stehende Gesetzesmaterie auch keine Straffreiheit für tätige Reue vorsieht, war der erstinstanzlich ergangene Schuldspruch zu bestätigen.

 

Hinsichtlich der Höhe der verhängten Strafe ist wie folgt auszuführen:

 

Die Berufungswerberin verdient laut ihren Angaben vom 5.10.1993 vor dem Gemeindeamt B**** ** G****** zufolge monatlich S 4.200,--, hat keine Sorgepflichten und verfügt über kein nennenswertes sonstiges Vermögen.

 

In verwaltungsbehördlicher Hinsicht weist die Rechtsmittelwerberin keine Vormerkungen auf.

 

Gemäß §19 Abs2 VStG in Verbindung mit den §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sind, den Grundsätzen der Strafbemessung folgend, die Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegen einander abzuwägen.

 

Ferner ist auf das Verschulden des Täters und auf das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Entschädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, der in Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die ansonsten nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, Bedacht zu nehmen.

 

Im gegenständlichen Fall waren der Beschuldigten das Geständnis, ihr aktiver Beitrag zur Wahrheitsfindung (Selbstanzeige) sowie die vollständige Wiedergutmachung des Schadens (Erstattung der Versicherungsmeldung) als wesentliche Milderungsgründe zugute zu halten. Erschwerend hingegen war kein Umstand zu gewichten.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich gelangte daher in Würdigung der bereits dargestellten Tatumstände, der allseitigen Verhältnisse der Berufungswerberin sowie ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur Überzeugung, daß im hier zu beurteilenden Fall mit dem spruchgegenständlichen, verminderten Strafmaß, insbesondere aufgrund der bislang unberücksichtigt gebliebenen, bereits erwähnten, wesentlichen zusätzlichen Milderungsgründe das Auslangen zu finden war.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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