TE UVS Wien 1995/01/11 04/23/846/93

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Veröffentlicht am 11.01.1995
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Mag Schöbinger über die Berufung des Herrn W Manfred gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 20. Bezirk vom 7.10.1993, MBA 20 - S 5048/93, wegen Übertretung des §366 Abs1 Z1 iVm §1 Abs4 leg cit der Gewerbeordnung 1973, BGBl Nr 50/1974 idgF, entschieden:

Gemäß §66 Abs4 AVG wird das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß §45 Abs1 Zif3 VStG eingestellt.

Der Berufungswerber hat daher gemäß §65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Begründung:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der nunmehrige Berufungswerber (im folgenden: BW) für schuldig erkannt, es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der D GesmbH in Wien, J-straße zu verantworten zu haben, daß diese Gesellschaft in der Zeit vom 29.3.1993 bis 2.4.1993 an Haushalte im Wiener Raum durch das Verteilen von Flugblättern mit dem Wortlaut: Frühling beim D, Vorhangwochen, Nähen zum halben Preis, kostenloses Ausmessen von Vorhangdekorationen - eigene Näherei, Verlegeaktion von Teppichböden, Schiffboden- Fertigparkett, usw eine Tätigkeit, die den Gegenstand eines Anmeldungsgewerbes bildet, an einen größeren Kreis von Personen angeboten, ohne im Besitz einer entsprechenden Gewerbeberechtigung gewesen zu sein.

Er habe dadurch §366 Abs1 Z1 in Verbindung mit §1 Abs4 der Gewerbeordnung 1973, BGBl Nr 50/1974 in der derzeit geltenden Fassung, verletzt und wurde deshalb über ihn eine Geldstrafe von S 2.000,--, falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen gemäß §366 Abs1 Einleitungssatz der Gewerbeordnung 1973 in der derzeit geltenden Fassung verhängt. Ohne auf die Berufungsausführungen näher eingehen zu müssen, war aus folgenden Erwägungen spruchgemäß zu entscheiden:

Gemäß §44a Z1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß einerseits die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und andererseits die Identität der Tat unverwechselbar feststeht. Die Identität der Tat steht dann unverwechselbar fest, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht wurde, daß der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren (Wiederaufnahmeverfahren) auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und muß der Spruch weiters geeignet sein, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Ein Verstoß gegen die vorzitierte gesetzliche Bestimmung liegt auch dann vor, wenn im Spruch die Tat so umschrieben ist, daß eine Zuordnung zu mehreren Tatbeständen möglich ist (VWGH vom 29.1.1987, 86/08/0208).

In der Anzeige der Magistratsabteilung 59 - Marktamtsabteilung für den 20. Bezirk vom 26.8.1993 ist unter anderem folgendes ausgeführt:

"In Flugblättern, welche in der Woche vom 29.3. bis 2.4.1993 an Haushalte verteilt wurden, hat die D GesmbH unter Angabe der Firmenbezeichnung, Adresse u Tel Nr einem größerem Personenkreis jedoch die Tätigkeiten

1.) des Gewerbes "Verlegen, ausgenommen Verspannen u Spalieren von Belägen aus Kunststoff, Gummi und Linoleum sowie von textilen Belägen"

2.) des Tischlerhandwerkes (Verlegen v Schiffböden) angeboten."

Sowohl aus der vorzitierten Anzeige als auch aus der im Akt einliegenden Anzeige der Landesinnung Wien der Bauhilfsgewerbe vom 20.4.1993 geht eindeutig hervor, daß nach dem im Straferkenntnis wiedergegebenen Wortlaut der verteilten Flugblätter zumindest zwei Tätigkeiten, die den Gegenstand eines Anmeldungsgewerbes bilden, an einen größeren Kreis von Personen angeboten wurden, ohne daß die jeweils hiefür erforderliche Gewerbeberechtigung vorlag. Durch die im Spruch des Straferkenntnisses beschriebenen gewerblichen Tätigkeiten wurden jedenfalls entsprechend der zur Tatzeit geltenden Fassung der Gewerbeordnung 1973

1. das gebundene Gewerbe gemäß §103 Abs1 litb Z48 "Verlegen, ausgenommen Verspannen und Spalieren, von Belägen aus Kunststoff, Gummi und Linoleum sowie von textilen Belägen" sowie

2. das Handwerk gemäß §94 Z78 "Tischler"

und darüber hinaus nach Auffassung des erkennenden Senates auch

3. das Handwerk gemäß §94 Z77 "Tapezierer und Bettwarenerzeuger" - somit drei Anmeldungsgewerbe - ohne entsprechende Gewerbeberechtigung ausgeübt.

Das Anbieten von jedenfalls dem Tapezierer- und Bettwarenerzeugergewerbe vorbehaltenen Tätigkeiten an einen größeren Kreis von Personen und damit die unbefugte Ausübung dieses Gewerbes muß nämlich aufgrund der im Text des Flugblattes enthaltenen Angaben "Vorhangwochen, Nähen zum halben Preis, .... Eigene Näherei" angenommen werden, da aufgrund dieser Angaben davon auszugehen ist, daß die D GesmbH auch die Herstellung von Vorhängen angeboten und damit das vorgenannte Gewerbe ohne die entsprechende Gewerbeberechtigung ausgeübt hat. Die vorgenannte GesmbH wäre lediglich im Rahmen ihrer Handelsgewerbeberechtigung zur Anpassung der Waren an die Bedürfnisse des Marktes im Sinne des §34 Abs1 Z6 GewO 1973 - und damit selbstverständlich auch zur Anpassung der Waren an die individuellen Bedürfnisse des (einzelnen) Kunden - befugt gewesen.

Da sich aus dem im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wiedergegebenen Text der verteilten Flugblätter sohin zweifelsfrei das Anbieten von drei den Gegenstand eines Anmeldungsgewerbes bildenden Tätigkeiten ergibt, ist die Formulierung des Spruches, daß dadurch "eine Tätigkeit, die den Gegenstand eines Anmeldungsgewerbes bildet, an einen größeren Kreis von Personen angeboten, ohne im Besitz einer entsprechenden Gewerbeberechtigung gewesen zu sein" nicht geeignet, den Bestraften rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Da auch die Strafverfügung vom 15.9.1993 keine Konkretisierung dahingehend enthält, aufgrund welcher Angaben in den verteilten Flugblättern welche Anmeldungsgewerbe unbefugt ausgeübt wurden, war das angefochtene Straferkenntnis mangels einer tauglichen Verfolgungshandlung zu beheben und die Einstellung des Verfahrens zu verfügen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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