Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl Nr 51 - AVG, Folge gegeben und Punkt 1 und Punkt 2 des erstinstanzlichen Straferkenntnis hinsichtlich Schuld- und Strafausspruch behoben.
Gemäß §45 Abs1 Z2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, BGBl Nr 52 - VStG, wird zu Punkt 1 und Punkt 2 die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verfügt.
Mit dem Straferkenntnis vom 19. November 1993, Zl St ****/92, erkannte die Bundespolizeidirektion xx den Beschuldigten der Übertretung des
1.
§4 Abs1 lita iVm §99 Abs2 lita StVO,
2.
§4 Abs1 litc iVm §99 Abs2 lita StVO
für schuldig und verhängte über ihn
gemäß §99 Abs2 lita StVO zu Punkt 1 und 2 eine Geldstrafe von je S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 24 Stunden), weil er am 20.07.1992, um 19.00 Uhr, in **** S********, auf der A4, zwischen Ausfahrt Flughafen und Wiener Stadtgebiet als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen KA ***** (D) trotz ursächlicher Beteiligung an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden
1.
nicht sofort angehalten und
2.
nicht an der Feststellung des Sachverhaltes mitgewirkt hat.
Der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz wurde gemäß §64 VStG mit 10 % der verhängten Strafe, sohin mit S 200,--, festgesetzt.
Gegen dieses Straferkenntnis brachte der Beschuldigte fristgerecht Berufung ein und begründete diese damit, daß er weder rechts überholt habe noch sich vom Unfallsort unerlaubt entfernt habe, vielmehr habe er den flüchtigen Anzeiger verfolgt. Das Verwaltungsstrafverfahren wäre daher einzustellen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich hat nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17. November 1994 seiner Entscheidung nachfolgenden Sachverhalt als erwiesen zugrundegelgt:
Der Beschuldigte lenkte am 20.07.1992, um 19.00 Uhr, seinen PKW mit dem Kennzeichen KA-** *** auf der A4 im Gemeindegebiet S********, Fahrtrichtung Wien auf der rechten Fahrspur.
Der Zeuge G**** lenkte sein Fahrzeug, einen Mercedes, auf dem linken Fahrstreifen und näherte sich dem auf dem rechten Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug des Beschuldigten. Der Beschuldigte überholte den auf dem linken Fahrstreifen fahrenden PKW des Zeugen G**** rechts, als dieser im Begriff war auf den rechten Fahrstreifen zu wechseln. Dabei kam es zu einer Berührung der beiden Fahrzeuge. An der am rechten vorderen Kotflügel angebrachten Chromzierleiste des PKW des Zeugen entstand dadurch ein schwarzer Gummiabrieb und eine Delle.
Der Beschuldigte hielt jedoch, obwohl er den Anstoß bemerkte nicht sofort an, sondern fuhr bis zur Ausfahrt Simmering weiter, wo er dann sein Fahrzeug auf dem Pannenstreifen anhielt.
Der Zeuge G**** fuhr dem Beschuldigten bis dorthin nach, stellte sein Fahrzeug ebenfalls am Pannenstreifen ab und kam auch dann die vom Zeugen G**** während der Fahrt mittels Autotelefon verständigte Polizei zum Anhalteort der beiden Fahrzeuge. Der Zeuge G**** gab an, daß der Gummiabrieb von der Zierleiste wegpoliert werden konnte und auch die Delle aus dieser wieder herausgedrückt werden konnte.
Dazu wurde erwogen:
Der Beschuldigte gab in der öffentlichen mündlichen Verhandlung an, daß es damals auf der A4, der Ostautobahn in Fahrtrichtung Wien zwischen seinem Fahrzeug und dem Fahrzeug des Ing G****, als er an diesem rechts vorbeifuhr, zu einer Berührung kam.
Der Zeuge G**** gab in der öffentlichen mündlichen Verhandlung an, daß der infolge der Berührung der beiden Fahrzeug entstandene Gummiabrieb auf der Chromleiste von ihm wegpoliert werden konnte und die in der Zierleiste entstandene Delle von ihm wieder ausgedrückt werden konnte. Es entstand somit bei dem Fahrzeug kein Sachschaden.
Rechtlich folgt daher:
Gemäß §4 Abs1 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht,
a)
wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,
c)
an der Feststellung des Sachverhaltes mitwirken.
Die StVO enthält zwar keine Legaldefinition für den Begriff "Verkehrsunfall", doch hat die Judikatur eine Definition hiefür entwickelt:
Als Verkehrsunfall ist jedes plötzliche, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängende Ereignis anzusehen, das sich auf Straßen mit öffentlichen Verkehr ereignet, und einen Personen- oder Sachschaden zufolge hat.
Ob ein Sachschaden vorliegt, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Zu der Frage des Sachschadens hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt abgesprochen und im wesentlichen ausgeführt, daß von einem Sachschaden dann nicht gesprochen werden kann, wenn der frühere Zustand ohne nennenswerten Aufwand wieder hergestellt werden kann. Dies trifft daher in Ansehung von Fahrzeugen bei bloßer Verschmutzung einer mit einem Reinigungsmittel entfernbaren Lackspur bzw einem durch Gummiabrieb entstandenen Fahrer, bei dem keine bleibende Eindellung der Karosserie erfolgt ist, zu.
Laut Aussage des Zeugen ist an der Chromzierleiste seines Fahrzeuges ein Gummiabrieb entstanden, welcher wegpoliert werden konnte und eine Delle, welche von ihm wieder ausgedrückt werden konnte und nunmehr nicht mehr existent ist.
Nach Ansicht der Berufungsbehörde liegt daher kein Sachschaden und damit kein Verkehrsunfall im Sinne des §4 StVO vor. Die Tatbestände des §4 Abs1 lita und litc StVO sind daher in objektiver Hinsicht nicht erfüllt und konnte die Prüfung der subjektiven Tatseite unterbleiben.
Gemäß §45 Abs1 Z2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung desselben verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen. Da der Berufungswerber die ihm unter Punkt 1 und Punkt 2 des angefochtenen Straferkenntnisses zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht begangen hat, war spruchgemäß zu entscheiden.