Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag Leitner über die auf Art129a Abs1 Z2 B-VG im Zusammenhalt mit §67a Abs1 Z2 AVG gestützte Beschwerde des Herrn Kousher K, geb 1976, Staatsangehöriger von Bangladesh, zuletzt angehalten im Polizeigefangenenhaus Wien-Ost, 1080 Wien, Hernalser Gürtel 6-8, vertreten durch Herrn Roland H, p.A. Caritas im Zusammenhang mit der in der Zeit vom 20.10.1994 bis zum 3.11.1994 seitens der Bundespolizeidirektion Wien erfolgten Umleitung und Verzögerung des Briefverkehrs des Beschwerdeführers im Wege der Bezirkshauptmannschaft Schärding an den Beschwerdeführer wegen behaupteter Verletzung seines Rechts auf Achtung des Briefverkehrs mit seinem Rechtsbeistand entschieden:
Die Beschwerde wird gemäß §67c Abs3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
Begründung:
I. Der Beschwerdeführer brachte am 1.12.1994 über seine ausgewiesene Vertretung die Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien ein, mit der Behauptung, er werde über Verfügung der Bezirkshauptmannschaft Schärding im Polizeigefangenenhaus Wien-Ost in Schubhaft angehalten. Er habe am 19.10.1994 seine nunmehr ausgewiesenen Vertreter bevollmächtigt.
Der am 20.10.1994 an diesen adressierte Brief war jedoch von der Bundespolizeidirektion Wien an die Bezirkshauptmannschaft Schärding weitergeleitet worden, sodaß laut Poststempel der Brief erst am 3.11.1994 letztlich von der Bezirkshauptmannschaft Schärding zur Post gegeben worden war.
Hiedurch habe sich eine Verspätung von rund zwei Wochen ergeben, wodurch sich ein unzulässiger Eingriff in das Recht auf Achtung des Briefverkehrs gemäß Art8 MRK ergäbe.
Gemäß §53c Abs5 VStG darf der Brief- und Besuchsverkehr von Häftlingen mit inländischen Behörden und Rechtsbeiständen sowie mit Organen, die durch für Österreich verbindliche internationale Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte eingerichtet sind, weder beschränkt noch inhaltlich überwacht werden. Der Brief hätte demnach auf direktem Wege dem Rechtsbeistand zugeleitet werden müssen. Durch die Umleitung komme es laufend zu Fristversäumnissen und Abschiebungen vor einem Erstkontakt. Es wurde der Antrag gestellt, "festzustellen, daß die in der Zeit vom 20.10.1994 bis zum 3.11.1994 seitens der belangten Behörde erfolgte Umleitung und Verzögerung des Briefverkehrs des Beschwerdeführers mit seinem Rechtsbeistand den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Achtung seines Briefverkehrs mit seinem Rechtsbeistand verletzt hat" und zweitens den Ersatz der Kosten dieses Verfahrens in der Höhe von S 120,-- Bundesstempelmarke der belangten Behörde aufzuerlegen. II. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat hiezu aus rechtlicher Sicht erwogen:
Die Beschwerde ist unzulässig.
Gemäß der Bestimmungen des Fremdengesetzes, BGBl Nr 838/92 (§51 f) hat, wer gemäß den Bestimmungen des Fremdengesetzes festgenommen oder angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen. Zur Entscheidung über die Beschwerde ist der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Da sich der Beschwerdeführer nicht gegen die Festnahme oder Anhaltung nach dem Fremdengesetz wendet, konnten diese Bestimmungen nicht greifen, weshalb gemäß §67a Abs1 Z2 im Zusammenhalt mit §67c Abs1 AVG der Unabhängige Verwaltungssenat Wien über die als rechtswidrige Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt geltend gemachte Verzögerung und Umleitung des Briefverkehrs zu entscheiden hat, da der angefochtene Verwaltungsakt "in dessen Sprengel" gesetzt worden war, ungeachtet der funktionellen Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Schärding für dieses Handeln (im Sinne VfSlg 13149 oder B115/93). Gemäß §47 Abs4 Fremdengesetz gilt aber für die Durchführung der Schubhaft eine eigene Hausordnung; diese vom Bundesminister für Inneres zu BGBl Nr 840/92 erlassene Hausordnung, verweist im §7 leg cit auf die Polizeigefangenenhausordnung, BGBl Nr 566/88. Desweiteren verweist
§47 Abs1 Fremdengesetz auf die unmittelbare Anwendung des §53c Abs1 bis 5 VStG für Angehaltene, welche in Hafträumen einer Bezirksverwaltungs- oder Bundespolizeibehörde angehalten werden.
§53c Abs1 bis 5 VStG lauten:
"(1) Häftlinge dürfen ihre eigene Kleidung tragen und sich, ohne dazu verpflichtet zu sein, angemessen beschäftigen. Sie dürfen sich selbst verköstigen, wenn dies nach den verfügbaren Einrichtungen weder die Aufsicht und Ordnung beeinträchtigt noch unverhältnismäßigen Verwaltungsmehraufwand verursacht. Sie sind tunlichst von Häftlingen, die nach anderen Bestimmungen als nach diesem Bundesgesetz angehalten werden, männliche Häftlinge jedenfalls von weiblichen Häftlingen, getrennt zu halten.
(2) Häftlinge sind in einfach und zweckmäßig eingerichteten Räumen mit ausreichendem Luftraum und genügend Tageslicht unterzubringen. Die Hafträume sind gut zu lüften und in der kalten Jahreszeit entsprechend zu heizen. Bei Dunkelheit sind sie außerhalb der Zeit der Nachtruhe so zu beleuchten, daß die Häftlinge ohne Gefährdung des Augenlichtes lesen und arbeiten können. Es ist dafür zu sorgen, daß die Häftlinge Vorfälle, die das unverzügliche Einschreiten eines Aufsichtsorgans erforderlich machen könnten, diesem jederzeit zur Kenntnis bringen können.
(3) Ihr Briefverkehr darf nicht beschränkt, sondern nur durch Stichproben überwacht werden. Schriftstücke, die offenbar der Vorbereitung oder Weiterführung strafbarer Handlungen oder deren Verschleierung dienen, sind zurückzuhalten. Geld- oder Paketsendungen sind frei. Pakete sind in Gegenwart des Häftlings zu öffnen. Sachen, die die Sicherheit und Ordnung gefährden können, sind ihm jedoch erst bei der Entlassung auszufolgen, sofern sie nicht wegen ihrer Beschaffenheit vernichtet werden müssen.
(4) Häftlinge dürfen innerhalb der Amtsstunden Besuche empfangen, soweit dies unter Berücksichtigung der erforderlichen Überwachung ohne Gefährdung der Sicherheit und Ordnung sowie ohne Beeinträchtigung des Dienstbetriebes möglich ist.
(5) Der Brief- und Besuchsverkehr von Häftlingen mit inländischen Behörden und Rechtsbeiständen sowie mit Organen, die durch für Österreich verbindliche internationale Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte eingerichtet sind, darf weder beschränkt noch inhaltlich überwacht werden. Das gleiche gilt für den Verkehr ausländischer Häftlinge mit diplomatischen und konsularischen Vertretern ihres Heimatstaates."
§20 Abs1 und Abs2 Polizeigefangenenhausordnung, BGBl Nr 566/88, vom 28.9.1988, lauten:
"(1) Der Briefverkehr der Häftlinge unterliegt keinen Beschränkungen, seine stichprobenweise Überwachung ist jedoch, abgesehen vom Schriftverkehr mit inländischen Behörden und Rechtsbeiständen, mit diplomatischen und konsularischen Vertretungen des Heimatstaates sowie mit Organen, die durch für Österreich verbindliche internationale Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte eingerichtet sind, zulässig. Schriftstücke, die offenbar der Vorbereitung, Begehung, Weiterführung oder Verschleierung strafbarer Handlungen dienen, sind zurückzuhalten und der Behörde zu übergeben; hievon ist der Häftling in Kenntnis zu setzen.
(2) Bei Bedarf ist dem Häftling Papier und Schreibzeug unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Die Postgebühren hat der Häftling zu tragen; mittellosen Häftlingen sind sie im notwendigen Ausmaß vorzustrecken."
Insoweit im §46 Abs1 Fremdengesetz im Zusammenhalt mit den zitieren Haftbestimmungen von der "ersuchenden Behörde" im Gesetz gesprochen wird, ist zweifellos - im Sinne der besonderen Zuständigkeitsregel des Fremdengesetzes bei Schubhaftsüberprüfungsverfahren - jene Behörde zu verstehen, welche die Schubhaft angeordnet hat.
Belangte Behörde kann demnach im gegenständlichen Verfahren nur die Bezirkshauptmannschaft Schärding sein (Im Zusammenhang mit den Beschwerdeausführungen).
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien weist aber nicht aus diesem Grund die Beschwerde als unzulässig zurück, da sie sich entgegen der Vorschrift des §67c Abs2 Z2 AVG nicht gegen die richtige belangte Behörde wendet, vielmehr ist in diesem Punkt den Ausführungen des Beschwerdeführers zu folgen, da dieser den in Wien gesetzten, angefochtenen Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Wien zurechnet.
II.A. Insoweit aber der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde die rechtswidrige "Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt" in Form der Verzögerung und Weiterleitung des Briefverkehrs an die Bezirkshauptmannschaft Schärding bekämpft, war die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist Voraussetzung für die Qualifikation einer faktischen Amtshandlung, daß diese Amtshandlung ein behördliches Handeln im Rahmen der der Behörde zustehenden Befehls- und Zwangsgewalt darstellt, das heißt, daß dieser Amtshandlung in irgendeiner Form eine rechtsfeststellende oder rechtserzeugende Wirkung beigemessen werden kann, es sich also um einen gegen eine individuell bestimmte Person gerichteten Verwaltungsakt handelt (VfSlg 7346 ua).
Im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Zl 91/03/0253 vom 25.3.1992 oder 93/03/0251 vom 19.1.1994 sowie VwSlg 9439A ua) ist aber das Wesen einer unmittelbaren verwaltungsbehördlichen faktischen Maßnahme, daß es sich um ein behördliches Einschreiten handelt, das bereits als solches im Bereich des Faktischen seine Auswirkung zeigt (Unmittelbarkeit!), ohne daß es hiezu weiterer Tathandlungen bedürfe. Besonders Handlungen im Bereich der schlichten Hoheitsverwaltung, wie etwa eine Aufforderung nach §5 Abs2 StVO oder §102 Abs5 lita KFG, respektive Vollstreckungshandlungen, erfüllen nicht den Eingriffscharakter (VwGH vom 19.3.1990, z. Zl 89/12/0036). Das Wesen einer faktischen Amtshandlung liegt nicht nur in einem verfahrensfreien behördlichen Akt, sondern in der unmittelbaren Anwendung von physischem Zwang bzw der unmittelbaren Befolgung eines Befehles (vgl hiezu insbesondere die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes zu VfSlg 4696, 7509, 7829, 8146). Zufolge der obzitieren gesetzlichen Bestimmungen ist es der um den Vollzug der Schubhaft ersuchenden Behörde angelegen, allenfalls eine Überprüfung des Briefverkehrs vorzunehmen; eine Weiterleitung eines Briefes des Beschwerdeführers an die Bezirkshauptmannschaft Schärding, wenngleich die Organe der Bundespolizeidirektion Wien funktionell für diese tätig werden, kann nach Ansicht der erkennenden Behörde nur als organisatorische Vollzugsmaßnahme angesehen werden und nicht als eine von dem übrigen Vollzug der Schubhaft völlig losgelöste, gesondert anzufechtende faktische Amtshandlung. Der um den Vollzug der Schubhaft ersuchenden Behörde kann nicht zugesonnen werden, einen Behördenvertreter an den Ort des Vollzugs zu entsenden, nur um eine tageweise Verzögerung des Briefverkehrs allenfalls auszuschalten.
Eine allfällige Öffnung des Briefes war nicht Beschwerdegegenstand
Die Weiterleitung von der Vollzugsbehörde zu der die Schubhaft verhängenden Behörde ist demnach als organisatorische Maßnahme und Ausfluß der schlichten Hoheitsverwaltung zu sehen, welche im Rahmen der obzitieren gesetzlichen Bestimmungen ausgeführt worden war; es fehlen sohin die Merkmale für das Vorliegen einer Maßnahme des unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls und Zwanges. Die Beschwerde war demnach als unzulässig zurückzuweisen. Insoweit durch diese Vorgangsweise - ohne Verschulden des Beschwerdeführers - iS des Beschwerdevorbringens Fristen versäumt würden, stehen hiefür eigene Rechtsbehelfe zur Vefügung.