Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Schopf über die Berufung des Herrn Gerhard B, vertreten durch RA gegen die Ermahnung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 11. Bezirk, vom 11.8.1994, Zl MBA 11-S 4488/ 94, wegen Übertretung des §287 Abs1 iVm §368 Ziffer 14 GewO 1994 entschieden:
Gemäß §66 Abs4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und das Verfahren gemäß §45 Abs1 Zif2 VStG eingestellt.
Der Berufungswerber hat daher gemäß §65 VStG keinen Beitrag zu den Verfahrenskosten zu leisten.
Begründung:
Mit angefochtenem Bescheid wurde dem Beschuldigten zur Last gelegt, er habe am 26.6.1994 von 8.30 - 12.00 Uhr in Wien, S-gasses Parkplatz der Fa M, gemeinsam mit 112 anderen Personen, wodurch das äußere Erscheinungsbild eines Flohmarktes geboten war, auf einem transportablen Verkaufsstand Hausrat und Textilien zum Verkauf bereitgehalten, obwohl der Verkauf und das Feilbieten von Waren in der Art eines Marktes verboten war, da hiefür keine Verordnung der Stadt Wien bestanden hat und auch kein Gelegenheitsmarkt bewilligt war und habe dadurch gegen die im Spruch genannte Norm verstoßen, weswegen über ihn eine Ermahnung erteilt wurde.
Dieses Straferkenntnis gründet sich im wesentlichen auf eine Anzeige des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 59 vom 30.6.1994, in welchem festgehalten wurde, daß bei einer Kontrolle des Parkplatzes der Fa M in Wien, S-gasse am 26.6.1994 8.30 - 12.00 Uhr festgestellt wurde, daß Herr B Gerhard dort einen transportablen Verkaufsstand errichtet habe, auf dem er Hausrat, Textilien verkaufte. Die Veranstaltung selbst bot das äußere Erscheinungsbild eines Flohmarktes. Die Verkaufsplätze wurden um S 200,-- + S 20,-- WC-Benützungsgebühr vom "Verein SP", Obfrau Frau Erika K, durch ihre Vertreterin, Frau Maria W, vermietet. Wegen des Verdachtes des Feilbietens und Verkaufes von Waren in der Art eines nichtgenehmigten Marktes gemeinsam mit 112 anderen Personen erfolgte die Anzeige im Sinne des §287 Abs1 iVm §368 Z14 GewO 1994.
In der rechtzeitig eingebrachten Berufung wurde im wesentlichen vorgebracht, daß den Berufungswerber kein Verschulden an gegenständlicher Verwaltungsübertretung treffe bzw daß ein unverschuldeter Rechtsirrtum vorliege.
Das Verhalten des Berufungswerbers sei somit gemäß §5 Abs1 und 2 VStG nicht strafbar.
Es wurde somit der Antrag gestellt, den erstinstanzlichen Bescheid zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 25.1.1995 eine öffentlich mündliche Verhandlung durch, in deren Zuge Frau Erika K und Frau Maria W zeugenschaftlich einvernommen wurden.
Die beiden Zeugen führten dabei folgendes aus:
Erika K:
"Ich bin im bundesweiten Verein "SP" Präsidentin und wir haben vom M großzügigerweise unentgeltlich für eine caritative Veranstaltung (Flohmarkt) den Parkplatz zur Verfügung gestellt bekommen. Es gab vor dem gegenständlichen noch einen weiteren Flohmarkt, etwa ein Jahr davor für welchen ich beim zuständigen Marktamtsleiter Erkundigungen eingeholte habe, wobei dieser mir sagte, es gebe kein Problem. Im weiteren wurden wir dann vom Marktamt darauf hingewiesen, daß wir Standgebühren zahlen müssen und haben wir und daraufhin an den Bürgermeister Dr Helmut Zilk gewandt und hat dieser bewirkt, daß wir die Standgebühr nicht entrichten mußten. Auch für den letzten Flohmarkt habe ich mich beim zuständigen Marktamtsleiter erkundigt und hatte dieser keine Einwände. Beim letzten Flohmarkt haben wir Standgebühren eingehoben und wurden diese dann auch für caritative Zwecke verwendet."
Maria W:
"Ich habe vor dem gegenständlichen Flohmarkt auch den Marktamtsleiter AR K vorgesprochen und meinte dieser sinngemäß, so lange der Bürgermeister hinter uns stünde, gebe es keine Probleme. Wir haben auch eine Meldung an die Bundespolizeidirektion Wien gemacht und wird diese in Kopie vorgelegt. Diesen Sachverhalt haben wird dann den Personen, die Gegenstände bei einem Verkaufsstand angeboten auch mitgeteilt. Von diesen Personen wurde eine Standgebühr eingehoben und wurde diese für caritative Zwecke verwendet, an das Marktamt wurde nie eine Standgebühr bezahlt."
Für den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien bestand keinerlei Veranlassung, diesen Zeugenaussagen bzw deren Inhalt keinen Glauben zu schenken, sagten doch beide Zeugen unter Wahrheitspflicht unter Strafsanktionsdrohung des §289 StGB aus und vermittelten sie bei ihrer Einvernahme ein durchaus geschlossenes und widerspruchsfreies Bild der damaligen Abläufe.
Gemäß §287 Abs1 GewO 1994 sind unbeschadet des §286 Abs3 und 4 der Verkauf und das Feilbieten von Waren in der Art eines Marktes verboten, wenn hierfür keine Verordnung der Gemeinde, in der der Markt abgehalten werden soll, besteht und auch kein Gelegenheitsmarkt bewilligt ist.
Gemäß §368 Z14 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu S 15.000,-- zu bestrafen ist, wer andere als im §366, §367 und Z1 bis 13 genannte Verbote oder Verbote dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder Bescheide, die auf Grund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen ergangen sind, nicht einhält.
Bei der gegenständlichen Übertretung handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des §5 Abs1 VStG. Danach genügt zur Strafbarkeit, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Das VStG gibt keine Definition der Schuldform Fahrlässigkeit. Zur Auslegung dieses Begriffes kann aber auf die Bestimmung des StGB zurückgegriffen werden (vgl Hauer Leukauf Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage Seite 705). Nach §6 Abs1 StGB handelt fahrlässig, wer die Sorgfalt außer acht läßt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist und deshalb nicht erkennt, daß er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Nach §6 Abs2 leg cit handelt fahrlässig auch, wer es für möglich hält, daß er einen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will.
Unter Anlegung dieses Maßstabes stellt sich das Verhalten des Berufungswerbers nicht als fahrlässig und auch somit nicht als schuldhaft dar.
Der Beschuldigte wurde von den Veranstaltern darüber informiert, daß seitens des Marktamtes der Markt genehmigt sei, es wurde ihm eine Anmeldung bei der Bundespolizeidirektion Wien vorgelegt und es wurde eine Stand- und Benützungsgebühr eingehoben. Weiters war dem Berufungswerber bekannt, daß an selber Stelle bereits solche Märkte stattgefunden hatten. Der Berufungswerber hat somit die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen verpflichtet war und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt war nicht außer acht gelassen, wurde er doch durch die Veranstalter in durchaus glaubwürdiger und überzeugender Weise davon informiert, daß die rechtlichen Grundlagen des Marktes vorlagen. Es würde ein Überspannen der Zumutbarkeitsgrenze bedeuten, würde man dem Berufungswerber verpflichten, in diesem Fall auch noch selbst beim Marktamt bzw beim Bezirksamt Rücksprache zu halten. Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.