Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Mag Fridl über die Berufung der Frau Ilse B, vertreten durch RA, vom 11.2.1994 gegen das Straferkenntnis der BPD Wien vom 20.1.1994, Zl Cst 3821-D/93 Re, wegen Übertretung ad 1) des §8 Abs4 StVO und ad 2) des §9 Abs7 StVO entschieden:
Gemäß §66 Abs4 AVG wird der nur gegen die Strafhöhe gerichteten Berufung gegen Punkt 1 des Straferkenntnisses keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
Der Berufung gegen Punkt 2 des Straferkenntnisses wird Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß §45 Abs1 Zif1 VStG eingestellt.
Die Berufungswerberin hat daher gemäß §64 Abs1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 120,--, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe (Punkt 1), zu bezahlen.
Begründung:
Das angefochtene Straferkenntnis enthält folgenden Spruch:
"Sie haben am 27.5.1993 um 8.35 Uhr in Wien, W-Gasse das Kfz mit dem Kennzeichen W 43
1.) teilweise auf dem dort befindlichen Gehsteig abgestellt und diesen somit vorschriftswidrig benützt und 2.) das Kfz außerhalb der Bodenmarkierungen, die das Halten und Parken an der Örtlichkeit regeln, abgestellt.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
1.)
§8/4 StVO
2.)
§9/7 StVO
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:
Geldstrafe von Schilling 1.) u. 2.) je S 600,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 1.) u. 2.) je 36 Stunden gemäß 1.) u 2.) §99/3a StVO 1960
Ferner haben Sie gemäß §64 des Verwaltungsstrafgesetzes - VStG, in der geltenden Fassung, zu zahlen:
1.) u 2.) je S 60,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10 % der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher S 1.320,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§54d VStG)."
Die dagegen erhobene Berufung, die sich hinsichtlich Punkt 1 des Straferkenntnisses nur gegen die Strafhöhe richtet, wird damit begründet, daß es sich nur um ein geringfügiges Delikt handelte, im wesentlichen aber damit, daß die Berufungswerberin wegen des Deliktes 2 nicht einmal angezeigt worden sei, dieses erst im Zusammenhang mit ihrem Einspruch hervorgekommen sei, was einer Selbstanzeige gleichkomme. Auf die ungünstigen Einkommensverhältnisse und die Sorgepflichten sei nicht Bedacht genommen worden. Es erhebe sich die Rechtsfrage, ob dieses Delikt nicht mit einer Organstrafverfügung wegen Schrägparkens zur Fahrbahn konsumiert sei und daher gegen den Grundsatz "ne bis in idem" verstoßen sei. Das schräg zum Fahrbahnrand Parken an einer Stelle, an der eben keine Bodenmarkierung vorliege, sei eben ein vorschriftswidriges Halten, welches mit einer Bodenmarkierung überhaupt nichts zu tun habe.
Dazu wurde erwogen:
Zu Punkt 1. des Straferkenntnisses:
§19 VStG bestimmt folgendes:
(1) Grundlage für die Bemessung der Strafe ist stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
(2) Im ordentlichen Verfahren (§§40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall hatte die Behörde abgesehen von den persönlichen Verhältnissen der Berufungswerberin alle in Betracht kommenden Strafbemessungsumstände ausdrücklich berücksichtigt. Zieht man auch die als eher ungünstig zu wertenden Einkommensverhältnisse der Berufungswerberin (brutto monatlich S 10.123,--) und die Sorgepflichten für zwei studierende Kinder heran, zeigt sich, daß die Geldstrafe in Höhe von S 600,-- angesichts des Strafrahmens von bis zu S 10.000,-- keineswegs zu hoch ist, wurde der Strafrahmen doch nicht einmal zu einem Zehntel ausgeschöpft. Aus diesem Grund kam eine Herabsetzung der Strafe nicht in Betracht.
Zu Punkt 2. des Straferkenntnisses:
Aus dem unbedenklichen Akteninhalt (Einspruch vom 18.11.1993 samt Skizze) ergibt sich, daß die Berufungswerberin ihr Fahrzeug vollkommen außerhalb der Bodenmarkierungen abgestellt hatte. Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Bestrafung nach §9 Abs7 StVO nicht rechtmäßig, da sich die normative Wirkung der Bodenmarkierung in örtlicher Hinsicht nur auf den Bereich erstreckt, der von den Bodenmarkierungen umschlossen ist (VwGH 8.6.1993, 92/02/0263).
Bei dieser Sachlage können somit die Bestimmungen des §9 Abs7 StVO 1960 nicht angewendet werden, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.