TE UVS Tirol 1995/01/26 16/239-4/1994

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.01.1995
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Spruch

Gemäß §67c Abs3 AVG iVm §67d AVG wird die Beschwerde und der Antrag, die Festnahme des Beschwerdeführers am 12.12.1994 um

14.15 Uhr für rechtswidrig zu erklären, als unbegründet abgewiesen.

 

Gemäß §79a AVG hat der Beschwerdeführer der belangten Behörde (Bund) die pauschalierten Kosten für den Vorlageaufwand in Höhe von S 377,--, den Schriftsatzaufwand in Höhe von S 2.677,-- und den Verhandlungsaufwand der Höhe von S 3.467,-- binnen zwei Wochen ab Zustellung zu ersetzen.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz nach §79a AVG wird abgewiesen.

Text

Am 28.12.1994 langte bei der gefertigten Behörde folgende Maßnahmenbeschwerde des I H, geb. am , Kosovo-Albaner, mit Staatsbürgerschaft der Sozialistischen Förderativen Republik Jugoslawien, vertreten durch Rechtsanwalt P D ein:

"1)

Der Beschwerdeführer, ein Kosovo-Albaner mit der Staatsbürgerschaft der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien, ist am 11.12.1994 nach Österreich eingereist und hat persönlich am 12.12.1994 beim Bundesasylamt, Außenstelle I, einen Asylantrag gestellt. Der Leiter dieser Außenstelle, ORev. P, war nicht da, so hat die Sekretärin diesen Asylantrag entgegengenommen. Sie hat gleich darauf die Bundespolizeidirektion I, vermutlich im fremdenpolizeilichen Referat, angerufen und mitgeteilt, daß am Bundesasylamt ein illegal Eingereister vorspreche.

 

Aufgrund dieses Anrufes schickte die BPD I die Inspektoren G H und K A zum Bundesasylamt in die E-Straße. Die beiden Inspektoren haben um 14.15 Uhr die Verhaftung des Beschwerdeführers ausgesprochen und ihn der Behörde übergeben. Mit Bescheid vom 12.12.1994 wurde über ihn zu Zahl Fr die Schubhaft verhängt. Die Schubhaft wird derzeit vollzogen, eine Abschiebung oder ein Aufenthaltsverbot wird nicht ins Auge gefaßt, solange das Asylverfahren noch in erster Instanz im laufen ist.

 

2)

Gemäß §42 FrG kann die Behörde die Festnahme eines Fremden schriftlich anordnen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsverbot vorliegen. Ein solcher schriftlicher Festnahmeauftrag ist nicht erfolgt.

 

Gemäß §43 FrG sind Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, eine Fremden festzunehmen, den sie innerhalb von 7 Tagen nach der Einreise betreten, wenn er hiebei die Grenzkontrolle umgangen hat.

 

Das in dieser Gesetzesstelle verwendete Wort "betreten", ist nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes als "auf frischer Tat" zu interpretieren. Diese Voraussetzung für die Festnahme ist aber nur dann gegeben, wenn die Person bei der Handlung oder Unterlassung betreten wird, die zum Tatbild der Verwaltungsübertretung gehört. Haben die Organe der Bundessicherheitswache nicht selbst wahrgenommen, daß eine Person eine strafbare Handlung begangen hat und wurde ihnen lediglich durch eine Privatperson davon Mitteilung gemacht, daß eine bestimmte Person derartige Handlungen gesetzt habe, kann man nicht von einer Betretung auf frischer Tat sprechen (VfSlg. 6102, 7252).

 

Die Bestimmung des §43 Abs1 FrG ist also in dieser Weise einschränkend zu interpretieren, da sonst die Verpflichtung der Behörde gem. §42 FrG, einen schriftlichen Festnahmeauftrag zu erteilen, vollkommen sinnentleert wäre.

 

Es fehlen sohin die Formalvoraussetzungen für die Festnahme, weshalb sie rechtswidrig ist.

 

Sohin wird gestellt der Antrag:

1. Es wolle eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden, wobei die Inspektoren G H und K A, P/A Bundespolizeidirektion I, vernommen werden wollen.

2. Es wolle festgestellt werden, daß die am 12.12.1994 um 14.15 Uhr in den Räumlichkeiten des Bundesasylamtes, Außenstelle I, E-Straße 130, I, durch die Inspektoren der Bundespolizeidirektion I, G H und K A, durchgeführte Festnahme des Beschwerdeführers rechtswidrig ist.

3. Die belangte Behörde, Bundespolizeidirektion I, wolle zum Ersatz der verzeichneten Kosten binnen 14 Tagen verpflichtet werden."

 

Die belangte Behörde hat hiezu eine ausführliche Stellungnahme abgegeben, in der sie die Meinung vertrat, die Polizeibeamten hätten aufgrund der fremdenpolizeilichen Überprüfung zu der Anschauung kommen müssen, daß sich der Fremde als Staatsangehöriger der jugoslawischen Föderation ohne gültiges Reisedokument und ohne Aufenthaltsberechtigung nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Deshalb seien die Voraussetzungen für die Festnahme nach §84 Abs2 Fremdengesetz vorgelegen. Darüberhinaus habe der Fremde zugegeben, unter Umgehung der österreichischen Grenzkontrolle am 11.12.1994 aus der Tschechei zu Fuß über die sogenannte "Grüne Grenze" nach Österreich eingereist zu sein.

 

In der Verhandlung wies der Vertreter des Beschwerdeführers, nachdem er auf dessen Einvernahme ausdrücklich verzichtet hatte, darauf hin, daß dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Innenministeriums vom 19.01.1995 nach seiner Berufung gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesasylamtes Asyl gewährt wurde. Daraus folge, daß die Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen Übertretungen des Fremdengesetzes und des Grenzkontrollgesetzes rechtswidrig waren. Artikel 31 der Genfer Konvention schließe die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen dieser Übertretungen aus. Das Argument der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei auf frischer Tat bei strafbaren Handlungen betreten worden, falle daher in sich zusammen. Der besagte Artikel sei aber nicht nur für anerkannte Flüchtlinge anzuwenden, sondern auch für alle, die gute Gründe für ihre Flucht angeben würden, sodaß auch bei Betrachtung zum Zeitpunkt der Festnahme kein strafbares Verhalten vorliege. Die Entscheidung des Bundesasylamtes I. Instanz sei erst im nachhinein erfolgt. Die Entscheidung über den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung sei aus seiner Sicht unverständlich, weil eine aufschiebende Wirkung nur dann ausgeschlossen werden könne, wenn ein Aufenthaltsrecht vorhanden sei.

 

Hiezu äußerte sich der Vertreter der belangten Behörde wie folgt:

 

"Auf den vorgelegten Schriftsatz der Bundespolizeidirektion I wird grundsätzlich verwiesen. Es trifft zu, daß Asyl gewährt wurde. Aus der Formulierung des Bescheides geht hervor, daß dieser Bescheid erst mit Rechtskraft wirksam wird. Es kann natürlich den Beamten der Bundespolizeidirektion I nicht zumutbar sein, eine Asylentscheidung zum Zeitpunkt des Aufgreifens des Fremden zu treffen. Der Beschwerdeführer ist aus einem sicheren Drittstaat eingereist und die Beamten haben zum Zeitpunkt ihrer Wahrnehmungen fremdenpolizeiliche Überprüfungen anzustellen und danach festzustellen, ob er sich im Bundesgebiet rechtmäßich aufhält oder nicht. Wir waren zum Zeitpunkt der Verhaftung im Asylamt, das den Asylantrag in erster Instanz abgewiesen hatte. Vom Asylamt wurde auch keinerlei Äußerung dahingehend gegenüber den Beamten abgegeben, daß dem Beschwerdeführer die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zukomme. Es wird auf die Formulierung des bundesministeriellen Bescheides verwiesen, wonach die Republik Österreich dem Beschwerdeführer Asyl gewährt. Außerdem wird auf die Formulierung des Bundesasylamtes verwiesen, wonach dem Fremden keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukomme und einer Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt werde. Es wird daher abschließend der Antrag gestellt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und die Kosten für Aktenvorlage und Verhandlungsaufwand aufzuerlegen."

 

Beweis wurde aufgenommen durch die Einvernahme des Polizeibeamten K A., der die Amtshandlung betreffend die Festnahme des Beschwerdeführers am 12.12.1994 geleitet hat. Er gab folgende Aussage zu Protokoll:

"Ich habe die Amtshandlung betreffend die Festnahme von I H am 12.12.1994 um 14.15 Uhr geleitet. Wir wurden vom Bundesasylamt dorthin gerufen, da der Fremde keine erforderlichen Dokumente bei sich habe und eine fremdenpolizeiliche Überprüfung durchzuführen sei. Es wurde uns Bundesasylamt lediglich mitgeteilt, daß der Fremde um Asyl angesucht hat. Der Fremde hatte nach Befragung nur seinen Führerschein mit und eine kleine Ausweiskarte. Er hatte weder ein Reisedokument bei sich noch einen Sichtvermerk. Der Fremde hatte nur einen kleinen Bargeldbetrag bei sich. Wir wußten, daß der Fremde Dokumente mithaben müßte. Ich habe aufgrund des Gesamteindruckes den Eindruck gehabt, daß der Fremde sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Der Permanentsdienst, das heißt, die Funkleitzentrale der Bundespolizeidirektion I hat uns zum Bundesasylamt beordert. Und zwar geschah dies über Funk. Ein Name wurde mit Sicherheit nicht von der Funkleitzentrale bekanntgegeben, da dieser damals sicher noch nicht bekannt war. Wir haben hingegen den Namen aufgrund des Führerscheines festhalten können. Wir wußten, daß er Kosovo-Albaner ist. Wir wußten auch, daß der Führerschein jugoslawischer Herkunft war. Zunächst versuchten wir uns in Deutsch mit ihm zu unterhalten. Dies war nicht möglich, sodaß wir es Englisch versucht haben. Diese Sprache hat er besser verstanden. Die Umstände der Einreise konnten wir nicht vorbringen. Wir versuchten ihm begreiflich zu machen, daß wir ihn jetzt in die Bundespolizeidirektion I bringen. Ich weiß, daß wir das Wort "Arrest" verwendet haben. Ich wußte, daß der Fremde aus der jugoslawischen Föderation stammt und daß er 1) einen Reisepaß und 2) einen Sichtvermerk benötigt, was er beides nicht hatte. Wir hatten keine Hinweise darauf, daß der Fremde einen Wohnsitz in Österreich hat. Wir haben ihn nach dem Fremdengesetz festgenommen. Das Bundesasylamt hat nichts davon gesagt, daß der Fremde eine Aufenthaltsberechtigung hätte. Ich habe auch das Bundesasylamt gefragt, ob ihm Asyl gewährt wird, was verneint wurde. Das hat mir eine Sekretärin gesagt. Der Fremde hat keine Absicht geäußert, das Bundesgebiet wieder zu verlassen."

 

Es wurden keine weiteren Beweisanträge gestellt. Als verlesen galt der fremdenpolizeiliche Akt betreffend den Beschwerdeführer. Aus diesem ergibt sich, daß am 12.12.1994 um 13.55 Uhr die Funkstreifenbesatzung von "R" über "W" in die E-Straße 130 geordert wurde, im dort etablierten Asylamt eine Festnahme nach dem Fremdengesetz durchzuführen. Am Einsatzort eingetroffen, habe die Vertragsbedienstete des Bundesasylamtes den Beamten mitgeteilt, daß der Beschwerdeführer am 12.12.1994 einen Asylantrag gestellt habe, er habe jedoch kein Reisedokument bei sich. Der Beschwerdeführer konnte nur einen jugoslawischen Führerschein und ein Dokument (Art unbekannt), ausgestellt von der zuständigen Behörde in Jugoslawien, vorweisen. Da der Beschwerdeführer als paßpflichtiger Fremder von den Beamten, ohne im Besitz eines gültigen Reisedokumentes zu sein, angetroffen wurde, sei er am 12.12.1994 um 14.15 Uhr zum Zwecke einer für die Sicherung des Verfahrens unerläßlichen Vorführung vor die Behörde gemäß §85 Abs2 Fremdengesetz festgenommen worden. An Barmitteln führte der Fremde lediglich S 2.453,40 mit.

 

Nach §85 Abs2 Fremdengesetz können die Organe des öffentlichen Sicherheitdienstes einen Fremden, den sie bei der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach dem §§82 oder 83 Ziffer litb betreten, zum Zwecke einer für die Sicherung des Verfahrens unerläßlichen Vorführung vor die Behörde festnehmen, es sei denn, es wäre aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen, er werde das Bundesgebiet unverzüglich verlassen.

 

Als unbefugter Aufenthalt gilt nach §82 Abs1 Z1 Fremdengesetz, wenn ein Fremder nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung nicht rechtzeitig ausreist oder 2. einem Aufenthaltsverbot zuwiderhandelt und unerlaubt in das Bundesgebiet zurückkehrt oder 3. sich als paßpflichtiger Fremder, ohne im Besitz eines gültigen Reisedokumentes zu sein, im Bundesgebiet aufhält, oder 4. sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§15). Die Beamten mußten aufgrund des fehlenden Dokumentes und aufgrund der Tatsache, daß ihnen vom Asylamt bekanntgegeben wurde, daß der Asylantrag abgewiesen werde, von der Tatsache ausgehen, daß der Fremde auf frischer Tat bei der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach §82 Abs1 Z3 Fremdengesetz betreten wurde. Sie waren damit aufgrund dieses für sie zwingenden Eindruckes zu einer Festnahme nach §85 Abs2 Fremdengesetz berechtigt.

 

Die Festnahme des Beschwerdeführers war daher nicht rechtswidrig, er wurde nicht in seinem Recht auf Freiheit verletzt. Die erst im nachhinein erfolgte positive Asylentscheidung des Innenministeriums hat keine rückwirkende Bedeutung für die Voraussetzungen der Festnahme des Beschwerdeführers am 12.12.1994.

 

Der belangten Behöre waren die Kosten für Vorlageaufwand, Schriftsatzaufwand und Verhandlungsaufwand zuzusprechen. Sie wurden nach der derzeit geltenden Verordnung über den pauschalierten Kostenersatz im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, BGBl. 416/1994, festgesetz, wobei die Kostenansätze entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes um 1/3 gekürzt wurden.

Schlagworte
auf frischer Tat betreten
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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