Der dem Berufungswerber angelasteten, eher unbestimmten Ankündigung des Inhaltes "er wird mich um d'Erd haun" (gemeint wohl - wie sich auch aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses ergibt - "i hau die auf d'Erd"), mag zwar ein beleidigender Erklärungswert zukommen; sie stellt aber jedenfalls keine erhebliche, einer körperlichen Züchtigung gleichzuhaltende wörtliche Beleidigung im Sinne des §22 Abs1 KJBG dar.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Mag Schwächter über die Berufung des Herrn Josef J, vertreten durch Rechtsanwälte gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 23. Bezirk, vom 28.9.1994, Zl MBA 23 - S 3278/92, wegen Übertretung des §22 Abs1 in Verbindung mit §30 Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetz vom 18. Dezember 1987, BGBlNr 599/1987, entschieden:
Gemäß §66 Abs4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß §45 Abs1 Z2 VStG eingestellt.
Der Berufungswerber hat daher gemäß §65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Begründung:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber schuldig erkannt, er habe als Werkmeister der prot. Firma "M" mit dem Sitz in Wien, A-straße, am 21.4.1992, gegen den Jugendlichen Alexander M, geboren 1974, mehrmals erhebliche wörtliche Beleidigungen, unter anderem mit dem Ausdruck "er wird mich um d`Erd haun", ausgestoßen.
Hiedurch habe er §22 Abs1 in Verbindung mit §30 des Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetzes vom 18. Dezember 1987, BGBl Nr 599/1987 verletzt, weswegen über ihn eine Geldstrafe von S 3.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen, verhängt und ein Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von S 300,-- auferlegt wurde.
Dagegen richtet sich die vorliegende Berufung, in der der Berufungswerber Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Tatsachenfeststellung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht. Zur unrichtigen Tatsachenfeststellung führt der Berufungswerber aus, daß auf Grund der Aussage des Zeugen M festzustellen gewesen wäre, daß die ihm angelastete Äußerung - wenn überhaupt - nicht am 21.4.1992 gemacht worden sei. Unter dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung weist der Berufungswerber darauf hin, daß eine derartige Bemerkung - selbst wenn sie ausgesprochen worden wäre - nicht dazu geeignet sei, eine wörtliche Beleidigung darzustellen, schon gar keine erhebliche, sodaß er den Tatbestand des §22 Abs1 KJBG nicht verwirklicht habe.
§22 Abs1 KJBG lautet:
"Maßregelungsverbot"
Körperliche Züchtigung oder erhebliche wörtliche Beleidigung sind
verboten.
Nach der - im gegenständlichen Fall zwar nicht zur Anwendung kommenden - lediglich vergleichsweise heranziehbaren Bestimmung des §115 StGB sind unter Beleidigung die Beschimpfung, Verspottung, körperliche Mißhandlung und die Bedrohung mit solchen Mißhandlungen zu verstehen. §115 StGB faßt somit unter der Sammelbezeichnung "Beleidigung" vier minder schwere Fälle ehrverletzender Behandlung zusammen, wobei die Tat nicht schon gerichtlich strafbar ist, wenn sie von Person zu Person geschieht, sondern nur, wenn sie öffentlich oder vor mehreren Leuten begangen wird. Unter Mißhandlung ist ein Angriff auf den Körper eines anderen, der nach der Intensität und den Folgen unterhalb des Bereiches der Körperverletzungen (§83 StGB) bleibt, zu verstehen. Bedrohung mit einer körperlichen Mißhandlung liegt dann vor, wenn in Aussicht gestellt wird, daß der Täter den Beleidigten mißhandeln werde. Stellt sich die Tat als Körperverletzung (§83 StGB) oder gefährliche Drohung (§107 StGB) dar, so kann die subsidiäre Bestimmung des §115 StGB nicht angewendet werden (vgl Foregger-Serini, Strafgesetzbuch, Erläuterungen zu §115 StGB). Sowohl aus dem Wortlaut des §22 Abs1 KJBG als auch aus der Gegenüberstellung einer erheblichen wörtlichen Beleidigung mit einer körperlichen Züchtigung ergibt sich, daß nicht jede wörtliche Beleidigung, sondern nur eine einer körperlichen Züchtigung gleichzuhaltende, besonders krasse wörtliche Beleidigung vom Tatbestand des §22 Abs1 KJBG umfaßt ist. Der dem Berufungswerber angelasteten, eher unbestimmten Ankündigung des Inhaltes "er wird mich um d`Erd haun" (gemeint wohl - wie sich auch aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses ergibt - "i hau die auf d`Erd"), mag zwar ein beleidigender Erklärungswert zukommen; sie stellt aber jedenfalls keine erhebliche, einer körperlichen Züchtigung gleichzuhaltende wörtliche Beleidigung im Sinne des §22 Abs1 KJBG dar. Da der Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, war spruchgemäß zu entscheiden.