TE UVS Wien 1995/01/27 06/21/555/93

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Veröffentlicht am 27.01.1995
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Hollinger über die Berufung der Frau Gabriele C, vertreten durch RA, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Leopoldstadt, vom 15.11.1993, Zl Pst 5121-L/93, wegen Verwaltungsübertretung gemäß §1 Abs1 Zif2 WLSG entschieden:

Gemäß §66 Abs4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß §45 Abs1 Zif1 VStG eingestellt.

Die Berufungswerberin hat daher gemäß §65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Begründung:

Mit Straferkenntnis vom 15.11.1993, Zl Pst 5121-L/93, erkannte die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Leopoldstadt, die Berufungswerberin schuldig, sie habe am 12.2.1993 von 17.00 Uhr bis 19.00 Uhr in Wien, K-gasse ungebührlicherweise störenden Lärm erregt, indem sie es unterlassen hätte, auf die in der Wohnung anwesenden Kinder erzieherisch einzuwirken, sodaß durch Kindergelächter und Gequietsche, Herumlaufen, Trampeln, Polter- und Klopfgeräusche, sowie Schreie, störender Lärm erregt worden sei. Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach §1 Abs1 Z2 Wiener Landes-Sicherheitsgesetz - WLSG begangen. Gemäß §1 WLSG wurde über die Berufungswerberin eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerechte Berufung der Beschuldigten in welcher diese hinsichtlich des Verhaltens der Kinder zur Tatzeit im wesentlichen ausführt, daß ihre Kinder keinesfalls ein Verhalten an den Tag legen würden, das unüblich wäre, es werde durch ihr Verhalten kein ungebührlicherweise störender Lärm erregt, die Lebensäußerungen der Kinder seien altersentsprechend, Ermahnungen an die Kinder, sich im Hinblick auf die dünne Trennwand etwas leiser zu verhalten, würden ebenfalls dem Alter der Kinder entsprechend kurzfristig befolgt, dem Alter der Kinder entsprechend würden diese Ermahnungen im Zuge vom Spielen immer wieder in Vergessenheit geraten. Es sei daher auch durch eine ständig anwesende Aufsichtsperson gar nicht zu verhindern, daß es zu einem für die Kinder völlig normalen Verhalten komme, über die von ihr gesetzten Maßnahmen hinausgehende Maßnahmen seien weder zumutbar noch erfolgsversprechend.

Der gegenständlichen Bestrafung lag eine am 12.2.1993 in der Zeit von 17.00 bis 19.00 Uhr in Wien, K-gasse durchgeführte Schallpegelmessung zugrunde. In der darüber erstellten Niederschrift vom 16.2.1993 wird unter anderem folgendes festgehalten:

"Aus dem Kinderzimmer der Wohnung Top Nr 9 waren während der gesamten Hörprobendauer Kindergespräche, Stimmen eines Erwachsenen (Frau), Quietschen von Kindern bzw Gelächter und mehrmalige starke, durch spürbare Erschütterungen begleitete Polter- bzw Klopfgeräusche sowie Störgeräusche durch Herumlaufen und Trampeln deutlichst wahrnehmbar. Die Störgeräusche, welche in einer wechselnden Reihenfolge bzw teilweise gleichzeitig auftraten, beeinträchtigten die akustische Situation derart, daß die abendliche Erholungsphase für die Beschwerdeführerin nicht gegeben war. Die Gespräche der Kinder bzw die Anweisungen der anwesenden Frau (zB Zusammenräumen, Eislaufschuhe in den Kasten hängen, uä) konnten nicht zuletzt durch den Informationswert der Störgeräusche deutlich wahrgenommen und deren Inhalt eindeutig nachvollzogen werden. Bedingt durch die enorm hohen Immissionen nahm die Beschwerdeführerin am Geschehen in der Nachbarwohnung unfreiwillig indirekt teil bzw mußte diese ohne besonderer Aufmerksamkeitszuwendung mitverfolgen.

Die Schallpegelmessung wurde mit der in der Beilage angeführten Meßeinrichtung unter den angeführten Meßbedingungen durchgeführt. Vor Beginn und nach Ende der Hörprobe wurde das verwendete Meßgerät mit der geeichten Prüfschallquelle CEL 177, Fabr Nr 54 40 74, Klasse 0,6, überprüft. Die letzte Eichung der Meßgeräte erfolgte 1991 (im September). Die Nacheichfrist beträgt zwei Jahre. Poltergeräusche verursacht durch die spielenden Kinder traten während der gesamten Hörprobendauer nahezu ständig auf und waren, begleitet von spürbaren Erschütterungen mit Werten zwischen 42 und 55 dB (A-bew) feststellbar. Diese Geräusche wurden durch Klopfen sowie durch Hantieren mit Gegenständen am Boden bzw an der Wand verursacht. Das Herumlaufen der Kinder konnte mit bis zu 40 dB (A-bew) gemessen werden. Das Gelächter der Kinder konnte mit Werten zwischen 38 und 48 dB (A-bew) mit bei mehrmaligen lauten Quietschen eines Kindes verursachten Spitzen von 61 dB (A-bew) festgestellt werden. Die Unterhaltungen der Kinder konnten mit Werten zwischen 33 und 39 dB (A-bew) gemessen werden. Die Aufträge der Erwachsenen, welche im wesentlichen die Kinder anhielt das Zimmer aufzuräumen, waren mit 33 bis 38 dB (A-bew) und Spitzen von 42 dB (A-bew) meßbar und auf Grund des Informationscharakters der Störgeräusche (wie auch das Gelächter und Gespräche der Kinder) sowie die hohen Immissionen und der hohen Schalldurchlässigkeit der Wohnungstrennwand mitverfolgbar.

In den nur sehr kurz auftretenden Ruhephasen während der Hörprobe fiel die Anzeige des verwendeten Schallpegelmeßgerätes wesentlich unter die mit 29 dB (A-bew) festgelegte geeichte Meßgrenze auf 23 dB (A-bew)..."

Bei der am 19.3.1993 in der Zeit von 16.00 bis 18.00 Uhr in Wien, K-gasse durchgeführten Schallpegelmessung konnte der Grundgeräuschpegel mit unter 22 dB (A-bew) festgestellt werden. Aus Gründen der Verfahrensökonomie sieht sich der Unabhängige Verwaltungssenat Wien veranlaßt, von der Abhaltung einer - neuerlichen - öffentlichen mündlichen Verhandlung (im konkreten Fall) abzusehen, ist der erkennenden Behörde die Situation am Tatort durch vorangegangene Verfahren hinlänglich bekannt (siehe Berufungsbescheide vom 2.3.1992, Zl UVS-03/13/1028/91, vom 30.3.1992, Zl UVS-03/14/1029/91 und vom 7.4.1992, Zl UVS-03/21/1027/91). Insbesonders in letzterem Verfahren konnte sich das entscheidende Mitglied selbst im Rahmen der abgehaltenen mündlichen Verhandlungen durch Einvernahme der Betroffenen, insbesonders auch der Bewohnerin von Top Nr 8 und durch die Einvernahme zahlreicher weiterer Zeugen, weiters durch die Einholung des Aktes 5-MSch 21/89 des BG Donaustadt, ausführlich über die konkrete Situation informieren, an welcher seit damals bloß insofern eine Änderung eingetreten ist, als die Kinder nunmehr älter geworden sind.

Gemäß §1 Abs1 Z2 WLSG begeht derjenige, der ungebührlicherweise störenden Lärm erregt, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu S 10.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu einer Woche, zu bestrafen. Lärm ist dann störend, wenn er wegen seiner Art und/oder seiner Intensität geeignet ist, das Wohlbefinden normalempfindlicher Menschen zu stören (vgl ua VwGH vom 26.9.1990, Zl 89/10/0224, 0226).

Das Erregen störenden Lärms erfolgt dann ungebührlicherweise, wenn das Tun oder Unterlassen, das zur Erregung des Lärms führt, gegen ein Verhalten verstößt, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden muß und jene Rücksichtnahme vermissen läßt, die die Umwelt verlangen kann (ua VwGH vom 29.6.1992, Zl 91/10/0083). Die Strafbarkeit der ungebührlichen Erregung störenden Lärms ist bereits dann gegeben, wenn die Lärmerregung nach einem objektiven Maßstab geeignet erscheint, von anderen nicht beteiligten Personen als ungebührlich oder störend empfunden zu werden (vgl das schon oben zitierte Erkenntnis VwGH vom 26.9.1990). Es kommt hierbei lediglich darauf an, ob der Lärm objektiv geeignet ist, von unbeteiligten Personen als störend empfunden zu werden, wobei die Erfahrungen des täglichen Lebens ausreichen, dies zu beurteilen. Aufgrund der durchgeführten Schallpegelmessung und der enthaltenen Resultate ist aber der Lärm zur Tatzeit wegen seiner Intensität und Dauer als störend im Sinne des §1 WLSG zu qualifizieren. Hinsichtlich der Frage des zweiten Tatbestandsmerkmales, nämlich der Ungebührlichkeit, ist nochmals auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen (Erkenntnis vom 29.3.1993, 90/10/0153), worin der Verwaltungsgerichtshof zur gleichlautenden Bestimmung des ArtVIII 2. Fall EGVG die Auffassung vertreten hat, daß das typische Schreien von Säuglingen und Kleinstkindern, aber auch der typische Lärm von kleineren Kindern, etwa die durch ein gelegentliches "Herumlaufen" von solchen Kindern in einer Wohnung verursachte Lärmerregung (genauer: deren Nichtunterbindung durch die Aufsichtsperson) nicht als ungebührlich beurteilt werden kann. Der Verwaltungsgerichtshof verwies in diesem Erkenntnis weiters auf den Versuch einer solchen Differenzierung bei der Lärmerregung durch Kinder bei "Gaisbauer, der verwaltungsstrafrechtliche Tatbestand der ungebührlicherweise störenden Lärmerregung, ÖJZ 1988, 203". Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters ausgeführt, daß die "Ungebührlichkeit" sogar bei einer gelegentlich kurzen Rauferei von Klein- bzw Vorschulkindern nicht gegeben ist. Zur hohen Schalldurchlässigkeit der Wohnungstrennwand ist auszuführen, daß der Umstand, daß ein Haus besonders lärmdurchlässig ist, die Mitbewohner zur besonderen Rücksichtnahme verpflichtet. Die Tatsache, daß die gegenständliche Wohnungstrennwand die Weiterleitung von Geräuschen begünstigt, würde grundsätzlich zu Lasten der Berufungswerberin gehen und kann sich diese nicht mit der schalldurchlässigen Wohnbauweise verantworten. Allerdings kann niemandem, auch wenn er in einem besonders lärmdurchlässigen Gebäude wohnt, die Durchführung von Verrichtungen verwehrt werden, die mit dem normalen Bewohnen der Räume verbunden sind, auch wenn sie Lärm erzeugen; jedoch darf dies nicht zu einer Zeit geschehen, in der nach allgemeinem Brauch die übrigen Mitbewohner des Hauses den Anspruch auf Ruhe besitzen (VwGH 30.10.1956, VwSlg 4186/A).

Zusammengefaßt kann aber weder das anläßlich der Schallpegelmessung festgestellte Verhalten der Kinder, noch das Verhalten der Erwachsenen als ungebührlich erregter Lärm gewertet werden, zumal es nicht zur Nachtzeit (also ab 22.00 Uhr) stattfand, handelte sich es doch im wesentlichen um (Kinder)gespräche, Lachen und Anweisungen der Aufsichtsperson. Gespräche, Lachen und das Zusammenräumen eines Zimmers können aber Bewohner einer Wohnung an einem Wochentag (der 12.2.1993 war ein Freitag) zwischen 17.00 und 19.00 Uhr nicht untersagt werden, selbst wenn in der Nachbarwohnung auf Grund der hohen Schalldurchlässigkeit der Wohnungstrennwand die Gespräche wortwörtlich mitgehört werden können, erfolgt ein solches Verhalten doch im Rahmen eines "normalen" Bewohnens von Räumen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Lärmerregung durch Kindergeschrei
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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