TE Vfgh Erkenntnis 1998/11/30 B3180/97

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Veröffentlicht am 30.11.1998
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art133 Z4
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
Tir GVG 1996 §4 Abs1 lita
Tir GVG 1996 §6 Abs1
Tir GVG 1996 §7 Abs1 lite
Tir GVG 1996 §28

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbs zwecks Verhinderung der Vergrößerung von Großbesitz und mangels Selbstbewirtschaftung; keine Bedenken gegen Organisationsregelungen des Tir GVG 1996

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Kaufvertrag vom 14. bzw. 19. Februar 1997 verkaufte der damalige Eigentümer ein Grundstück im Ausmaß von 40,0655 ha an den nunmehrigen Beschwerdeführer, den darauf befindlichen Holzbestand von ca. 8.000 fm an eine - mit dem Beschwerdeführer in einem hier nicht näher interessierenden wirtschaftlichen Nahverhältnis stehende - Ges.m.b.H. & Co. Die Bezirks-Grundverkehrskommission erteilte dem Grunderwerb des Beschwerdeführers die grundverkehrsbehördliche Genehmigung. Der dagegen erhobenen Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten gab die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (im folgenden: GVK) Folge und versagte unter Berufung auf §4 Abs1 lita in Verbindung mit §6 Abs1 (litb) und §7 Abs1 lite des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996, LGBl. für Tirol 61, idF des Gesetzes LGBl. für Tirol 59/1997 (im folgenden: GVG 1996), die grundverkehrsbehördliche Genehmigung. Dies einerseits unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 13386/1993 (betreffend denselben Beschwerdeführer wie im vorliegenden verfassungsgerichtlichen Verfahren), weil zu besorgen sei, daß das Grundstück zur Vergrößerung von Großbesitz erworben werde, und andererseits, weil eine dem Gesetz entsprechende Selbstbewirtschaftung durch den Käufer nicht gewährleistet erscheine.

2. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung des Beschwerdeführers in seinen Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich des §7 Abs1 lite GVG 1996, sowie in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs sowie auf Freiheit der Erwerbsbetätigung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

3. Die GVK als belangte Behörde dieses verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet; in dieser wird der angefochtene Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

4. Darauf replizierte der Beschwerdeführer; er schloß diesem Schriftsatz ein Gutachten betreffend die Veränderungen in der Land- und Forstwirtschaft nach dem Beitritt Österreichs zur EU an.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Nach Auffassung der Beschwerde sei §7 Abs1 lite GVG 1996 - nach diesem Tatbestand ist unter Berücksichtigung der Interessen nach §6 Abs1 lita die Genehmigung eines Rechtsgeschäftes nach §4 insbesondere zu versagen, wenn zu besorgen ist, daß Grundstücke zur Bildung oder Vergrößerung von Großbesitz erworben werden - entweder denkunmöglich angewendet worden oder verfassungswidrig; diese behauptete Verfassungswidrigkeit der genannten Rechtsvorschrift wird wie folgt darzutun versucht:

"a.) Das TGVG 1996 wurde nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union erlassen. Durch diesen Beitritt hat sich die Funktion des Bauernstandes völlig verändert. Gerade in der Europäischen Union sollen wirtschaftlich leistungsfähige Betriebe, die nur ab einem bestimmten Rahmen wirtschaftlich arbeiten können, geschaffen werden, um im Bereich der Union konkurrenzfähig zu sein. Je größer der landwirtschaftliche Betrieb in der Europäischen Union ist, desto ökonomischer kann er arbeiten, desto eher kann der Landwirt seiner Funktion als Landschaftsheger und -pfleger nachkommen. Da gemäß §6 Abs1 lita) TGVG 1996 das öffentliche Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes und das öffentliche Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes im Vordergrund zu stehen hat, muß 'Großbesitz' im Lichte des in der Europäischen Union bestehenden wirtschaftspolitischen Umfeldes gesehen werden und bedeutet dies, daß der Hof des Beschwerdeführers selbst nach Zuschreibung der vertragsgegenständlichen Grundfläche - am Europäischen Maßstab gemessen - noch immer ein eher kleines landwirtschaftliches Gut wäre. Wenn auch diesbezüglich - offensichtlich in Verkennung der Rechtslage - keinerlei Beweisverfahren durchgeführt wurde, so kann doch als höchstgerichtlich bekannt vorausgesetzt werden, daß ein land- und forstwirtschaftlicher Grundbesitz unter rund 1.000 ha in der Europäischen Union kaum lebensfähig ist.

Geht man von dieser nach dem EU-Beitritt Österreichs einzig realistischen Betrachtungsweise aus, so wäre in verfassungskonformer Auslegung der unbestimmte Begriff 'Großbesitz' jedenfalls nur in der Weise auszulegen, daß bei einem Grundbesitz unter rund 1.000 ha Großbesitz nicht gegeben ist. In diesem Fall hätte die belangte Behörde das an sich verfassungsgemäße Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet, weil es denkunmöglich ist, daß nach dem EU-Beitritt Österreichs ein Grundbesitz im Ausmaß von bis zu 500 ha dem Begriff 'Großbesitz' des TGVG 1996 zu unterstellen wäre.

b.) Müßte man allerdings annehmen, daß der Gesetzgeber anläßlich der Beschlußfassung über das TGVG 1996 den Begriff 'Großbesitz' trotz des EU-Beitritts Österreichs sozusagen im Sinne früherer gesetzlicher Regelungen 'versteinern' hätte wollen, so wäre das Gesetz verfassungswidrig. Eine gesetzliche Regelung, die die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkt, ist ja nur dann zulässig, wenn das öffentliche Interesse sie gebietet, sie zur Zielerreichung geeignet und adäquat ist und sie auch sonst sachlich gerechtfertigt werden kann. Wollte man unterstellen, der Tiroler Landesgesetzgeber hätte in für die Landwirtschaft ruinöser Weise den Begriff 'Großbesitz' in der Weise gestalten wollen, daß auch der am Europäischen Maßstab gemessene relativ kleine Betrieb des Beschwerdeführers unter 'Großbesitz' fällt, so wäre damit eine gesetzliche Regelung getroffen worden, die dem öffentlichen Interesse diametral zuwiderliefe. Wie bereits ausgeführt, hat sich durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union die Funktion des Bauernstandes völlig verändert. Das öffentliche Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes und das öffentliche Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes hat im Vordergrund zu stehen, d.h. es müssen leistungsfähige, konkurrenzfähige und der Größe des Europäischen Marktes angepaßte Betriebe geschaffen werden können. Jede Maßnahme, die dies zu verhindern versucht stellt eine gesetzliche Regelung, die die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkt, dar, die nicht nur zur Zielerreichung ungeeignet, sondern auch sachlich in keiner Weise gerechtfertigt ist."

1.2. Der Verfassungsgerichtshof hegte bislang gegen die Zielsetzungen des Tiroler Grundverkehrsrechtes keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die oben wiedergegebenen Überlegungen der Beschwerde sind nicht geeignet, eine Änderung in dieser Beurteilung zu bewirken. Denn die öffentlichen Interessen an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes und an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes können ohne Zweifel auf unterschiedliche Weise erfüllt werden. Allenfalls ist dies auch auf jene Art möglich, die das Beschwerdevorbringen andeutet; doch kann ernstlich nicht die Rede davon sein, daß die Verwirklichung der angegebenen Ziele ausschließlich auf die in der Beschwerde dargelegte Weise möglich ist. Dem Tiroler Landesgesetzgeber kann, anders als die Beschwerde vermeint, nicht entgegengetreten werden, wenn er nicht dem in der Beschwerde skizzierten Konzept gefolgt ist, sondern im GVG 1996 wiederum im Grunde jene Wege beschreitet, die er für bewährt erachtet. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich deshalb nicht veranlaßt, in eine Prüfung der genannten präjudiziellen Regelung einzutreten (vgl. das Erkenntnis VfSlg. 12653/1991, dem ähnliche Beschwerdeüberlegungen - allerdings in Bezug auf landwirtschaftliche Grundstücke - zugrundelagen).

Der Beschwerdeführer wurde also insoweit nicht durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.

2. Angesichts der besonderen Struktur der Tiroler Land- und Forstwirtschaft kann auch der belangten Behörde aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn sie - anders als die Beschwerde - nicht erst ab einer Größe von mehr als 1.000 ha das Vorliegen von "Großbesitz" im Sinne des §7 Abs1 lite GVG 1996 angenommen hat, sondern darauf abstellte, daß der Beschwerdeführer schon über ca. 440 ha land- bzw. forstwirtschaftlich genutzten Grund verfüge. Schon seinerzeit hatte der Verfassungsgerichtshof in dem mit Erkenntnis VfSlg. 13386/1993 erledigten Fall - Beschwerdeführer war auch damals der nunmehrige Beschwerdeführer vor dem Verfassungsgerichtshof - keine Bedenken dagegen, daß dem damals in Rede stehenden Rechtserwerb wegen Großbesitzes die grundverkehrsbehördliche Zustimmung versagt worden war. Es ist nicht ersichtlich, welche neuen verfassungsrechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte hier zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Weder der österreichischen Bundes- noch der Tiroler Landesverfassung ist ein Verbot zu entnehmen, Regelungen vorzusehen, wonach die grundverkehrsbehördliche Genehmigung für Rechtserwerbe zu versagen ist, die zu Großbesitz sowohl im Bereich der Land- als auch im Bereich der Forstwirtschaft führen.

Hinzu tritt, daß sich der angefochtene Bescheid in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zusätzlich auf den Versagungstatbestand der zu erwartenden mangelnden "Selbstbewirtschaftung" stützt; dies in Übereinstimmung mit der ständigen Praxis der GVK, welche aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist (vgl. dazu die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, zuletzt etwa VfGH 8.10.1997, B224/97, 8.10.1997, B225/97).

3.1. Die behauptete Verletzung in den durch Art83 Abs2 B-VG und Art6 Abs1 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten begründet die Beschwerde folgendermaßen:

"a.) Die belangte Behörde ist eine Kollegialbehörde gemäß Art133 Z. 4 B-VG. Insoweit gemäß §28 Abs1 lita) Z. 5 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 Mitglieder von Interessenvertretungen zu Mitgliedern der Landes-Grundverkehrskommission bestellt werden, entsprechen diese Mitglieder nicht dem Kriterium der in Art133 B-VG geforderten Weisungsfreiheit. Wohl bestimmt §28 Abs6 TGVG 1996, daß die Mitglieder der Landes-Grundverkehrskommission bei der Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden sind, tatsächlich besteht diese Weisungsfreiheit aber nicht. Im konkreten Fall ist das von der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol bestellte Mitglied der Kammeramtsdirektor dieser Interessenvertretung Mag. X., für die Wirtschaftskammer Tirol ist der Angestellte dieser Interessenvertretung Dr. Y. in die Landes-Grundverkehrskommission entsendet. Die landesgesetzliche Garantie der Weisungsfreiheit gemäß §28 Abs6 TGVG 1996 kann für diese Bediensteten nicht über ihrer dienstrechtlichen, in gesonderten Bundesgesetzen geregelten, Treuepflicht gegenüber ihrer Interessenvertretung stehen, auch das Weisungsrecht des jeweiligen Kammerpräsidenten gegenüber seinen Bediensteten kann durch die landesgesetzliche Regelung des TGVG 1996 nicht unterlaufen werden. Das bedeutet, daß die landesgesetzliche Garantie der Weisungsfreiheit zumindest für die beiden Kammerbediensteten keine Rechtswirksamkeit hat, weshalb die belangte Behörde anläßlich der Entscheidung nicht entsprechend Art133 B-VG zusammengesetzt war. Zu berücksichtigen ist auch, daß die genannten Institutionen ja gerade Interessenvertretungen sind, d.h. sie haben den Gesetzesauftrag die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten. Nicht umsonst kommentiert Mayer in seinem Kurzkommentar 1994 zum B-VG dahingehend, daß die Erwartung, daß die besondere Organisationsform der Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag eine Kontrolle durch den VwGH als überflüssig erscheinen lasse, sich als unzutreffend erwiesen haben, was seine Ursache u.a. in der Besetzung mit Interessenvertretern hat.

Interessenvertretern, insbesondere solche aus bundesgesetzlich geregelten Interessenvertretungen, kann durch Landesgesetz Weisungsfreiheit nicht garantiert werden, bundesgesetzlich ist sie für den Bereich des Grundverkehrsrechtes nicht garantiert, weshalb zumindest hinsichtlich der Mitglieder der Landes-Grundverkehrskommission gemäß §28 Abs1 lita) Z. 5 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 die Qualifikation der Weisungsfreiheit gemäß Art133 Z. 4 B-VG nicht gegeben ist und daher eine dem Gesetz entsprechende Zusammensetzung der Kollegialbehörde nicht gegeben war, weshalb der Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt ist.

b.) Darüberhinaus aber erscheinen, insbesondere im Lichte der nachstehenden Ausführungen, weitere Mitglieder der Landes-Grundverkehrskommission in einer Position zu sein, die das Vertrauen in Frage stellt, das Gerichte in einer demokratischen Gesellschaft vermitteln sollten.

Mitglieder der belangten Behörde sind u.a. Herr Dr. A., Beamter der Präsidialabteilung II/EU-Recht, Herr HR. Dipl.Ing. B., Leiter der Gruppe Agrartechnik und Agrarförderung beim Amt der Tiroler Landesregierung und HR. Dipl.-Ing. C., Leiter der Gruppe Landesforstinspektion.

...

Demgemäß besteht auch für den hier vorliegenden Fall ein verfassungsgesetzlicher Anspruch auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten durch eine mit der Garantie der Weisungsfreiheit ausgestattete, also unabhängige Behörde. Der Begriff der weisungsfreien Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag ist gleichzusetzen mit jenem des 'Tribunal(s)' im Sinne des Art6 EMRK. Auf die einschlägige Rechtsprechung darf verwiesen werden (z.B. EGMR 16.7.1971 Ringeisen, YB 1971, 838). ...

Unter Zugrundelegung insbesondere der Rechtsprechung des EGMR ist festzustellen, daß die drei genannten Mitglieder dem Erfordernis der 'Unabhängigkeit und strukturellen Unparteilichkeit' nicht entsprechen.

Zwar sind die Mitglieder gemäß §28 Abs6 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 an keine Weisungen gebunden, sie sind allerdings nur auf 5 Jahre bestellt. Darüberhinaus kann gemäß §18 Abs3 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 ihre Bestellung, wie im übrigen die Bestellung aller anderen Mitglieder auch, jederzeit durch die Tiroler Landesregierung widerrufen werden. Die drei genannten Mitglieder Herr Dr. A., HR. Dipl.-Ing. B. und HR. Dipl.-Ing. C. sind leitende Beamte beim Amt der Tiroler Landesregierung, die beiden Letztgenannten sogar Gruppenleiter und gehören damit demselben Amt an, dem auch der Landesgrundverkehrsreferent, sohin der Berufungswerber im gegenständlichen Fall, angehört. Insbesondere wenn man bedenkt, daß der frühere Landesgrundverkehrsreferent Dr. D. nun Vorstand der Abteilung III b1 (Agrarbehörde I. Instanz) beim Amt der Tiroler Landesregierung ist wird die enge berufsrechtliche Verbindung zwischen den genannten Mitgliedern der belangten Behörde und dem Berufungswerber klar.

Jedenfalls aber 'können' in einem Verfahren, in dem ein unmittelbarer Dienstkollege, nämlich der Landesgrundverkehrsreferent Partei ist, die der 'Gerichtsbarkeit' der Landes-Grundverkehrskommission unterworfenen Personen versucht sein, in den erwähnten Mitgliedern der belangten Behörde und dem Berufungswerber in ein und dieselbe Hierarchie eingeordnete Personen zu sehen, die gegenseitig solidarisch sind. Sowohl die beiden erwähnten Mitglieder der belangten Behörde als auch der Landesgrundverkehrsreferent sind im Dienststand des Amtes der Tiroler Landesregierung Kollegen, beruft ein Beamter des Amtes gegen einen Bescheid und urteilen über diese Berufung Dienstkollegen, so ist durch eine solche Situation das Vertrauen in Frage gestellt, das Gerichte in einer demokratischen Gesellschaft vermitteln sollten (vgl. VfGH B2434/95-13).

Insbesondere aber auch deshalb, weil sämtliche Mitglieder der Landes-Grundverkehrskommission keineswegs auf Dauer bestellt sind, und auch deshalb, weil die Möglichkeit zum Widerruf ihrer Bestellung auch während der an sich 5-jährigen Amtszeit gegeben ist und weil nach den für sie geltenden gesetzlichen Bestimmungen nicht weisungsfrei gestellte Interessenvertreter der Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag angehören, entspricht die Zusammensetzung der Landes-Grundverkehrskommission nach dem Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 nicht den Anforderungen an ein 'Tribunal im Sinne des Art6 EMRK', weshalb der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt ist."

3.2. Dieses Vorbringen vermischt in diffuser Weise Bedenken gegen einzelne, dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Organisationsregelungen mit damit in Zusammenhang stehenden Vollzugsfehlern. Das Vorbringen geht im wesentlichen an der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes vorbei und erweist sich im Ergebnis insgesamt als nicht begründet.

3.2.1. Schon der Ausgangspunkt der Beschwerdeüberlegungen ist schwer verständlich, wenn kritisiert wird, insoweit nach §28 Abs1 lita Z5 GVG 1996 "Mitglieder von Interessenvertretungen" zu Mitgliedern der GVK bestellt würden, entsprächen diese Mitglieder nicht dem Kriterium der in Art133 Z4 B-VG geforderten Weisungsfreiheit. Denn zum einen ist in der genannten Rechtsvorschrift nicht vorgesehen, daß Mitglieder von Interessenvertretungen zu Mitgliedern der GVK bestellt werden, sondern daß bestimmten Interessenvertretungen ein Vorschlagsrecht für zu bestellende Mitglieder zukommt. Zum anderen aber würde angesichts des Umstandes, daß im Rahmen des österreichischen Kammer(und Verbände)systems der ganz überwiegende Teil der berufstätigen österreichischen Bevölkerung in Kammern und Verbänden zusammengeschlossen ist, die Auffassung der Beschwerde im Ergebnis dazu führen, daß faktisch die gesamte berufstätige Bevölkerung von einer Mitgliedschaft zu einer Behörde nach Art133 Z4 B-VG ausgeschlossen wäre, ua. im übrigen auch Rechtsanwälte und Notare, die ja auch kraft Gesetzes Mitglieder der Rechtsanwalts- bzw. Notariatskammer sind. Schon die Prämisse dieses Beschwerdevorbringens erweist sich demnach ersichtlich als verfehlt.

Im übrigen ist auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach dagegen, daß Interessenvertreter zu weisungsfrei gestellten Mitgliedern von Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag bestellt werden, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Mit ausdrücklicher Bezugnahme auf Art7 Abs1 B-VG (vgl. VfSlg. 9887/1983, 11239/1987, 12598/1991, 13509/1993, 14843/1997) sprach der Gerichtshof nämlich aus, weisungsfreie Interessenvertreter würden nicht als bloßes Sprachrohr einer Verfahrenspartei fungieren (s. VfSlg. 11912/1988, 12074/1989, 12470/1990, zuletzt wiederum VfSlg. 14843/1997). Gleiches gilt um so mehr für Bedienstete einer Kammer, die selbst gar nicht Interessenvertreter sind, deren Aufgabe vielmehr die sachlich-fachliche Behandlung der verschiedenen Kammeraufgaben darstellt.

Anders als die Beschwerde vermeint, kann auch aus einer allfälligen Weisungsbefugnis gegenüber einem Bediensteten einer Kammer bei Besorgung von Aufgaben der Kammer nichts anderes abgeleitet werden; denn diese kann sich von der Sache her immer nur auf jene Aufgaben beziehen, die im jeweiligen Kammergesetz umschrieben sind; keinesfalls kann sich eine solche Weisungsbefugnis auf Angelegenheiten erstrecken, die außerhalb der im jeweiligen Kammergesetz umschriebenen Aufgaben des zum Mitglied der GVK bestellten Bediensteten einer Kammer stehen. Denn die bei Besorgung der Kammeraufgaben bestehenden Pflichten des Bediensteten finden an eben diesen Kammeraufgaben ihre Grenzen. Die Wahrnehmung der Funktion eines Mitgliedes der GVK zählt aber offenkundig nicht zu diesen Aufgaben. Vielmehr besteht insoferne eine durch Art20 Abs2 i.V.m. Art133 Z4 B-VG bundesverfassungsgesetzlich abgesicherte Weisungsfreiheit für alle Mitglieder von Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag. Eine allfällige Weisungserteilungskompetenz eines Kammerorganes gegenüber einem Bediensteten einer Kammer aufgrund eines Bundesgesetzes vermag also keinesfalls auf Aufgaben durchzuschlagen, die diesem aufgrund eines Landesgesetzes neben seinen im Kammergesetz übertragenen Aufgaben in anderen Angelegenheiten zur weisungsfreien Besorgung übertragen wurden.

Im übrigen aber hatte der Verfassungsgerichtshof auch bislang keine Bedenken gegen jene Vorgängerregelung des GVG 1996, nach welcher die Mitglieder der Grundverkehrsbehörde - bloß - auf die Dauer von drei Jahren bestellt worden waren (vgl. VfSlg. 8501/1979, 10639/1985, 13211/1992); um so weniger bestehen Bedenken gegen §28 Abs2 GVG 1996, wonach die Bestellungsdauer fünf Jahre beträgt (vgl. VfSlg. 11131/1986, 14207/1995).

Auch trifft die Beschwerdebehauptung nicht zu, daß die Bestellung der Mitglieder der GVK "jederzeit durch die Tiroler Landesregierung widerrufen werden" könne; vielmehr ist dies nur bei Vorliegen - entsprechend eng begrenzter - Voraussetzungen möglich, und zwar dann, wenn die Voraussetzungen für die Bestellung nicht mehr gegeben sind oder wenn Umstände eintreten, die der ordnungsgemäßen Ausübung des Amtes voraussichtlich auf Dauer entgegenstehen.

Die insoweit in der Beschwerde vorgetragenen, die Verfassungsmäßigkeit der Organisationsregelungen des GVG 1996 bestreitenden Bedenken treffen daher nicht zu; die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat dies in der Sache seit langem klar gestellt. Der Beschwerdeführer wurde deshalb auch insoweit nicht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.

3.2.2. Was aber die behaupteten Vollzugsfehler betrifft, kann dem Beschwerdevorbringen im Ergebnis ebenso wenig gefolgt werden. Die behaupteten personellen Nahebeziehungen sind nämlich nicht von der Art, wie sie etwa dem mit Erkenntnis VfSlg. 10634/1985 erledigten Fall zugrundelagen. Vielmehr erschöpft sich die Beschwerde insoweit in vagen Vermutungen über angebliche Bedenken ob der Unabhängigkeit einzelner Mitglieder, die letztlich nur darauf gründen, daß sich Fachleute näher kennen könnten bzw. angeblich kennen. Das vermag aber nicht den Anschein von Befangenheit zu erweisen. Denn unter den in der Beschwerde dargelegten Voraussetzungen könnte etwa kein Richter unabhängig sein, der bei einem Gericht tätig ist, bei dem außer ihm noch weitere Richter ihre Aufgaben zu erfüllen haben. Insgesamt erweisen sich die diesbezüglichen Beschwerdebehauptungen, die Bedienstete der Agrarbehörde und der Forstbehörde mit Organen der Grundverkehrsbehörde gleichsetzen, schon vom Ansatz her verfehlt, im übrigen im Ergebnis nicht berechtigt.

Der Verfassungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß die hier gegebene Fallkonstellation mit jener vergleichbar wäre, die seinem Erkenntnis vom 2.10.1997, B2434/95, zugrundelag. Denn damals ging es nicht nur darum, daß - anders als im vorliegenden Fall, in welchem ein Kollegialorgan einschritt - ein einzelnes Mitglied des UVS zur Entscheidung berufen war, sondern daß dieses Mitglied aus jener Organisationseinheit stammte und nach Beendigung seiner Funktion dorthin zurückzukehren hatte, deren Akte Gegenstand seiner Kognition als Einzelmitglied des UVS waren. Demgegenüber geht es hier um die Mitwirkung an einer kollegialen Entscheidung über eine Sache, die mit den Aufgaben als Kammerbediensteter überhaupt nichts zu tun haben und im vorliegenden Fall auch nichts zu tun hatten.

Der Beschwerdeführer wurde deshalb durch den angefochtenen Bescheid weder im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nach Art83 Abs2 B-VG noch in den sich aus Art6 Abs1 EMRK ergebenden verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt.

4. Die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz wegen behaupteter Unterlassung jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt ist schon vom Beschwerdevorbringen her als widerlegt anzusehen; denn die Beschwerde nennt selbst jene Schritte im einzelnen, die die belangte Behörde zur Ermittlung des Sachverhaltes gesetzt und welche Fakten sie ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat. Dagegen bringt die Beschwerde nur vor, es handle sich um die Berücksichtigung länger zurückliegender Rechtserwerbe und es seien durch den Beitritt Österreichs zur EU die Regelungen des GVG 1996 ganz anders als vorher zu beurteilen.

Zum ersten Punkt ist zu bemerken, daß die Beschwerde nichts vorbringt, was aufzeigen würde, daß das Ermittlungsverfahren aus verfassungsrechtlicher Sicht - nur dieser Gesichtspunkt ist in einem Beschwerdeverfahren nach Art144 B-VG beachtlich - zu beanstanden wäre. Zum zweiten Gesichtspunkt genügt es, auf die Ausführungen zu II. 1. 2. zu verweisen; keine Verfassungsvorschrift zwingt den Tiroler Landesgesetzgeber dazu, gerade jenem Konzept zu folgen, das der Beschwerde und dem der Replik des Beschwerdeführers beigelegten "Gutachten" entspricht.

5. Eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung durch den angefochtenen Bescheid kommt von vornherein nicht in Betracht, weil sich der angefochtene Bescheid gar nicht auf diesen Gegenstand bezieht.

6. Aber auch die schließlich behauptete Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs liegt nicht vor. Auch diese Verfassungsverletzung wird ausschließlich damit begründet, daß dem GVG 1996 ein falsches land- bzw. forstwirtschaftliches Leitbild zugrundeliege; eben dieser Vorwurf wurde unter II. 1. 2. als nicht begründet erachtet.

7. Der Beschwerdeführer wurde deshalb durch den angefochtenen Bescheid auch nicht in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt, zumal das verfassungsgerichtliche Beschwerdeverfahren auch nicht ergeben hat, daß dies in Bezug auf von der Beschwerde nicht relevierte Gesichtspunkte der Fall gewesen wäre.

III. 1. Die Beschwerde war deshalb

insgesamt als unbegründet abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, VerfGG 1953 ohne vorangehende mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Selbstbewirtschaftung, Behördenzusammensetzung, Befangenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B3180.1997

Dokumentnummer

JFT_10018870_97B03180_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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