TE UVS Wien 1995/02/02 03/21/4776/94

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.02.1995
beobachten
merken
Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Hollinger über die Berufung der Frau Erika M, vertreten durch Herrn Ernst M, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Donaustadt, vom 21.7.1994, Zl Cst 6606/dt/93, wegen Übertretung des §20 Abs2 StVO entschieden:

Gemäß §66 Abs4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Die Berufungswerberin hat daher gemäß §64 Abs1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 200,--, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu bezahlen.

Text

Begründung:

Das angefochtene Straferkenntnis hat folgenden Spruch:

"Sie haben am 12.7.1993 um 9.45 Uhr in Wien, H-Straße Richtung B-Straße das KFZ mit dem Kennzeichen W-16 gelenkt und die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit erheblich überschritten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§20/2 StVO

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von S 1.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden. ..."

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerechte Berufung der Beschuldigten, in welcher diese im wesentlichen ausführt, daß der Sicherheitswachebeamte sich im konkreten Fall bei der Geschwindigkeitsschätzung geirrt hat haben müssen, da ihr Tachometer gerade einmal 60 km/h angezeigt habe und nicht die vom Sicherheitswachebeamten angegebenen "mindestens 80 km/h". Zudem habe sie damals einen 76er Plymouth Volare Kombi 1800 kg schwer, mit gerade einmal 100 PS gefahren, mit einem solchen KFZ sei es, auch wenn sie Vollgas gegeben hätte, technisch nicht möglich gewesen, auf die geschätzte Geschwindigkeit von 80 km/h zu beschleunigen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 2.2.1995 eine öffentlich mündliche Verhandlung durch. An dieser Verhandlung nahm der Sohn der Berufungswerberin, Herr Ernst M, als Vertreter seiner Mutter teil und wurde der Meldungsleger RevI Norbert K zeugenschaftlich einvernommen.

Der Beschuldigtenvertreter gab zunächst an:

"Zum Sachverhalt befragt, kann ich angeben, daß meine Mutter keineswegs die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit um mindestens 30 km/h überschritten hat. Dies wäre gar nicht möglich gewesen aufgrund des verwendeten Fahrzeuges und aufgrund der Tatsache, daß von einer roten Ampel bei Grünlicht losgefahren wurde, es somit erst in der Beschleunigungsphase war. Meine Mutter ist höchstens mit 60 km/h gefahren. Der Beamte muß sich bei seiner Geschwindigkeitsschätzung geirrt haben."

Herr RevI Norbert K gab zeugenschaftlich einvernommen an:

"Ich kann mich auch unter Vorhalt der näheren Anzeigedaten an den gegenständlichen Vorfall im Hinblick auf die verstrichene Zeitspanne und die Vielzahl gleichartiger Amtshandlungen nicht mehr erinnern.

Ich habe die konkrete Geschwindigkeitsschätzung aufgrund meiner Straßendiensterfahrung gemacht. Mein Standort damals war in der Nähe vom Kommissariat. Es handelte sich um das Verbindungsstück B-Straße/P-Straße. Dort ist 300 bis 400 m eine Gerade. Ich bin seit 1982 bei der Polizei und seit 1983 im exekutiven Straßendienst. Vom Tatort H-Straße bestand für den angezeigten Lenker von der P-Straße ca 200 m Fahrtstrecke, wo er durchaus auf die geschätzte Geschwindigkeit beschleunigen hätte können. Eine Geschwindigkeitsdifferenz von 20 km/h von 50 km/h bis 70 km/h ist für mich eindeutig zu schätzen. Ab einer Geschwindigkeit von ca 90 km/h hätte ich dies in der Anzeige vermerkt.

Die Geschwindigkeit kann ich aufgrund meiner langjährigen Tätigkeit aus Erfahrungswerten schätzen. Ich habe durch die Erfahrung die Möglichkeit abzuschätzen. Geschätzt werden kann eine Geschwindigkeit auch mittels Stopuhr zB oder mittels Vergleichfahrzeugen. Ich habe die Anzeige gelegt und habe auch die Geschwindigkeitsschätzung durchgeführt."

Aufgrund der Angaben des in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Meldungslegers RevI Norbert K geht der Unabhängige Verwaltungssenat Wien davon aus, daß die Berufungswerberin die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen hat, indem sie die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit um ca 30 km/h überschritten hat.

Die Anzeigeangaben des RevI K wurden durch seine zeugenschaftliche Befragung im Rahmen der mündlichen Verhandlung einer Überprüfung unterworfen und konnte sich der Meldungsleger zwar an den konkreten Vorfall nicht erinnern, doch vermittelte er bei seiner Einvernahme nicht nur einen durchaus glaubwürdigen und wahrheitsliebenden Eindruck, sondern konnte auf Grund seines Auftretens auch angenommen werden, daß der Zeuge als Organ der Straßenaufsicht bei Erfüllung seines Dienstes (insbesondere bei der Beobachtung des Straßenverkehrs und der Feststellung bzw dem Notieren von beobachteten Verwaltungsübertretungen) die erforderliche Sorgfalt an den Tag legt. Mangels eines entgegenstehenden beweisbaren bzw bewiesenen Vorbringens der Beschuldigten (diese hat sich auf die bloße Bestreitung der Anzeigeangaben und die Behauptung, gegenständliches Fahrzeug könne nicht auf 80 km/h beschleunigen, beschränkt) war somit von den Angaben in der Anzeige auszugehen. Daß es konkret beim Ablesen des Kennzeichens zu einem Irrtum gekommen ist, kann jedenfalls nicht als erwiesen angesehen werden.

Auch ist dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien ein Erfahrungssatz dahingehend, ein - wie von der Berufungswerberin gelenkter - Plymouth Volare Kombi, Baujahr 1976, könnte technisch nicht die Geschwindigkeit von 80 km/h erreichen, fremd. Daß beim verwendeten KFZ ein konkretes technisches Gebrechen vorgelegen wäre, wurde von der Berufungswerberin weder behauptet, noch mit geeigneten Beweismitteln (zB Reparaturrechnungen einer KFZ-Werkstatt, KFZ-technisches Gutachten) glaubhaft gemacht.

Den Organen der Sicherheitswache ist grundsätzlich ein Urteil darüber zuzubilligen, ob ein Kraftwagen die zulässige Höchstgeschwindigkeit in erheblichem Maße überschreitet. Damit ist nicht gesagt, daß den Aussagen der Angehörigen der Sicherheitswache grundsätzlich mehr Glauben geschenkt werden dürfe als denen anderer Staatsbürger, denen es nicht verwehrt ist, in solchen Fällen einen entsprechenden Gegenbeweis anzutreten. Mit der bloßen Behauptung, die Angaben des Meldungslegers seien unrichtig, kann aber ein derartiger Beweis nicht geführt werden (VwGH 15.11.1961, 1091/61).

Sogar eine Wegstrecke von knapp 100 m reicht nach den Erfahrungen jedenfalls aus, um die Geschwindigkeit eines sich nähernden und an dem Beobachter vorbeifahrenden KFZ zu schätzen. Wohl kann ein Geschwindigkeitsunterschied von nur etwa 10 km/h bei Schätzungen nicht als erheblicher, somit nicht als ein erkennbarer Unterschied gelten. Eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 30 km/h kann jedoch verlässlich geschätzt werden (vgl dazu die ständige Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes seit VwGH 18.9.1963, 1072/62, ZVR 1964/72).

Das Straferkenntnis war daher in der Schuldfrage zu bestätigen.

Zur Strafbemessung ist folgendes auszuführen:

Die Tat schädigte in nicht unerheblichem Maße das Interesse an der Verkehrssicherheit. Da es sich um eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung gehandelt hat, war der Unrechtsgehalt der Tat an sich beträchtlich. Eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung bringt eine erhöhte Umweltbelastung (durch vermehrten Schadstoffausstoß und Lärmbelästigung) mit sich, was eine nachteilige Folge im Sinne des §19 Abs1 VStG darstellt (VwGH 15.11.1989, 89/03/0278).

Das Verschulden der Berufungswerberin kann nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen war, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.

Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kommt der Berufungswerberin nicht mehr zugute. Eine einschlägige Verwaltungsvormerkung wurde als erschwerend gewertet.

Auf die unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse und auf die Vermögenslosigkeit wurde Bedacht genommen.

Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und auf den bis zu S 10.000,-- reichenden Strafsatz, ist die von der Behörde erster Instanz verhängte Geldstrafe, selbst unter Berücksichtigung, daß die Berufungswerberin nunmehr aufgrund der Arbeitslosigkeit ihres Sohnes für diesen sorgepflichtig ist, durchaus angemessen und keineswegs zu hoch, zumal im Verfahren keine besonderen Milderungsgründe hervorgetreten sind. Eine Herabsetzung der Geldstrafe kam daher nicht in Betracht. Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des §64 Abs1 und 2 VStG.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten