TE UVS Wien 1995/02/03 03/21/1814/94

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.02.1995
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Hollinger über die Berufung des Herrn Dieter O, vertreten durch RA, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Donaustadt, vom 21.3.1994, Zl Pst 847/dt/93, wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) und 4) §§ 20/2

StVO, 2) 13/1 StVO, 3) 22/2 StVO, 5) 97/5 StVO und 6) 102/4 KFG entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung zu Punkt 1) des Straferkenntnisses Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in

diesem Punkt behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung zu den Punkten 2) bis 6) in der Schuldfrage keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Abänderung bestätigt, daß die Tatumschreibung

zu Punkt 3) wie folgt zu lauten hat:

"3) In Wien 22., Hardeggasse/Mühlgrundweg bogen Sie nach rechts ein, ohne diese Fahrtrichtungsänderung anzuzeigen und somit ohne, daß sich

andere Sraßenbenützer auf den Abbiegevorgang einstellen konnten."

In der Tatumschreibung zu 4) hat das Wort "neuerlich" zu entfallen.

Die Taumschreibung zu 5) hat wie folgt zu lauten:

"5) In Wien 22., Mühlgrundweg in Höhe der dort befindlichen Baustelle

(jeweils ca 150m von der Hardeggasse bzw von der Mühlgrundgasse entfernt) beachteten Sie die deutlich sichtbar mit den Armen gegebenen Anhaltezeichen als Aufforderung zum Anhalten eines sich im Dienst befindlichen Sicherheitswachebeamten nicht, indem Sie nicht anhielten, sondern weiterfuhren."

Die verletzte Rechtsvorschrift zu 3) hat richig "§ 11 Abs 2 StVO" zu lauten.

Die Strafsanktionsnorm zu 5) hat richtig "§ 99 Abs 4 lit i StVO" zu lauten.

In der Straffrage wird der Berufung zu Punkt 5) insoferne Folge gegeben, als die verhängte Strafe in der Höhe von S 800,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 48 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) auf

S 400,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) herabgesetzt wird. Demgemäß verringert sich der erstinstanzliche Strafkostenbeitrag zu Punkt 5) von S 80,-- auf

S

40,--.

Der Berufungswerber hat daher gemäß § 64 Abs 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 160,-- zu 2), S 100,-- zu 3), S 400,-- zu 4) und S 100,-- zu 6), zusammen S 760,--,

das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu bezahlen. Gemäß § 65 VStG hat der Berufungswerber keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu Punkt 1) und zu Punkt 5) zu leisten.

Text

Begründung:

Das angefochtene Straferkenntnis enthält folgenden Spruch:

"Sie haben am 27.1.1993 gegen 09.50 Uhr das Kfz W-RE

1) in Wien 22., Hardeggasse 65 in Richtung Kanalstraße die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit erheblich überschritten;

2) in Wien 22., Hardeggasse - Mühlgrundweg bogen sie nach rechts nicht in kurzem, sondern in weitem Bogen ein;

3) in Wien 22., Hardeggasse - Mühlgrundweg bogen Sie nach rechts ein,

ohne diese Fahrtrichtungsänderung anzuzeigen;

4) in Wien 22., Mühlgrundweg in Richtung Ostbahn überschritten Sie neuerlich die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit;

5) in Wien 22., Mühlgrundweg in Höhe der dort befindlichen Baustelle beachteten Sie die deutlich gegebenen Anhaltezeichen eines sich im Dienste befindlichen Sicherheitswachebeamten nicht, indem Sie nicht anhielten sondern weiterfuhren;

6) in Wien 22., Mühlgrundweg - Mühlgrundgasse verursachten Sie durch lautes Reifenquietschen mehr Verkehrslärm, als durch den sach- und ordnungsgem Betrieb des KFZ unvermeidbar gewesen wäre.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1) und 4) § 20/2 StVO, 2) § 13/1 StVO, 3) § 22/2 StVO, 5) § 97/5 StVO, 6) § 102/4 KFG

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

Geldstrafe von Schilling 1) 1.000,--, 2) 800,--, 3) 500,--, 4) 2.000,--, 5) 800,--, 6) 500,-- falls diese uneinbringlich sind, Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 60 Stunden, 2) 48 Stunden, 3) 30 Stunden, 4) 120 Stunden, 5) 48 Stunden, 6) 30 Stunden gemäß 1) bis

5)

§ 99/3a StVO, 6) § 134 KFG. ..."

Gegen dieses Straferkennnis richtet sich die fristgerechte Berufung des Beschuldigten, in welcher dieser Verfahrensmängel geltend macht und unter anderem die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragte.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 24.11.1994 und 17.1.1995 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Im Zuge dieser Verhandlung, an welcher jeweils ein rechtsfreundlicher Vertreter des Beschuldigten teilnahm, wurde der Berufungswerber selbst einvernommen (24.11.1994) sowie die Zeugen RevInsp Gerhard S (24.11.1994) und der Meldungsleger RevInsp Roland H (17.1.1995).

Diese gaben folgendes an:

Dieter O:

"Es ist richtig, daß ich damals als Lenker mit einem Kfz unterwegs war. Allerdings bin ich von der Kanalstraße Richtung Hardeggasse/Mühlgrundweg gekommen und bin bei der Kreuzung Hardeggasse/Mühlgrundweg nicht rechts sondern nach links eingebogen. Die Hardeggasse ONr 65 ist von der Kreuzung Hardeggasse/Mühlgrundweg ca 400 m entfernt und ist die Sicht auf diese ONr vom Standort des Meldungslegers aus durch Bäume, Büsche und Häuser so verdeckt, daß dieser mich dort sicher nicht hat sehen können. Wenn ich von der Richtung wie angezeigt gekommen wäre, hätte der Meldungsleger mich höchstens auf den letzten 3 m vor dem Einbiegen in den Mühlgrundweg sehen können, jedoch auf diese kurze Strecke keine Geschwindigkeit schätzen können. Jedenfalls bin ich nicht nach rechts, sondern bin ich nach links abgebogen.Der Meldungsleger hat mich beim Abbiegevorgang noch nicht gesehen und hat daher nicht angeben können,

daß ich nach links abgebogen bin. Da ich nicht nach rechts abgebogen bin, habe ich auch nicht den rechten Blinker betätigt. Zu Punkt 4): Ich habe dann im Zuge der Probefahrt, die ich mit dem Fahrzeug durchgeführt habe, im ersten und zweiten Gang beschleunigt und habe auf Geräusche im Fahrzeug geachtet. Ich kann daher nicht angeben, wie schnell ich gefahren bin. Es kann aber durchaus sein, daß ich mehr als 50 km/h gefahren bin. Mir ist dann eine Menschengruppe aufgefallen, die ca 8 m von der Straße entfernt gestanden ist bei den Neubauten. Ich habe angenommen, daß dort eine Bauverhandlung stattfindet. Ich habe dann gesehen, wie ein Mann von dieser Menschengruppe sich gelöst hat und nach vorne gelaufen ist. Dieser Mann hat mit beiden Armen so nach unten gedeutet. Ich habe ihn

nicht als Polizisten erkannt, sondern habe gedacht, es sei einer von der Bauverhandlung, der mir deutet, ich solle nicht so schnell fahren. Es war damals auf der Straße Gatsch und habe ich angenommen, ich soll nicht so schnell fahren, um niemanden von dieser Menschengruppe mit Gatsch anzuspritzen. Stehengeblieben bin ich nicht, ich bin normal weitergefahren und bin dann in die Mühlgrundgasse abgebogen.

Zu Punkt 6): Es kann durchaus möglich sein, daß ich mit durchgedrehten Rädern abgebogen bin, es ist damals Sand von der Baustelle auf der Straße gelegen.

Ich habe dann in der Werkstatt noch einen Mitarbeiter von mir erzählt, daß ich eine Bauverhandlung gesehen habe und glaublich sogar

einen von dieser Bauverhandlung mit Gatsch angespritzt habe. Beim Linksabbiegen in den Mühlgrundweg habe ich nach links geblinkt. Ich bin am Mühlgrundweg selbst sicher nicht mit 100 km/h gefahren, es

kann jedoch sein, daß ich die 50 km/h etwas überschritten habe. Zu Punkt 6): Ich kann nicht angeben, ob beim Einbiegen die Reifen laut gequietscht hätten, ich habe das nicht gehört."

RevI Gerhard S:

"Ich kann mich noch in groben Zügen an die gegenständlichen Vorfälle erinnern. Ich stand damals am Mühlgrundweg im Baustellenbereich, wo damals die Neubauten errichtet wurden. Mir fiel das angezeigte Fahrzeug erstmalig auf, wie dieses von der Hardeggasse kommend am Mühlgrundweg fuhr. Ich kann daher nur zu den Punkten 4) bis 6) des Straferkenntnisses etwas sagen. Dieses Fahrzeug fuhr an mir vorbei und hat beim Vorbeifahren ganz sicher die Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h erheblich überschritten. Mein Kollege H, der im Nahbereich von mir gestanden ist, ist auf den Fahrbahnrand getreten und hat deutlich sichtbare Anhaltezeichen mit den Armen gegeben. Sowohl Kollege H als auch ich haben Uniformen getragen. Der Lenker des Fahrzeuges ist jedoch nicht stehengeblieben, sondern ist leicht nach links ausgeschwenkt und ist weitergefahren, ohne die Geschwindigkeit zu verringern und ist dann in die Mühlgrundgasse abgebogen. Beim Abbiegen wurde zwar die Geschwindigkeit vermindert, war aber doch noch so hoch, daß die Reifen gequietscht haben. Ich habe das Reifenquietschen deutlich gehört.

Mit welcher Geschwindigkeit exakt der angzeigte Lenker unterwegs war,

wie er bei mir vorbeigefahren ist, kann ich nicht angeben, ich war ja

damals nicht der Meldungsleger und habe mir daher den Vorfall nicht so genau gemerkt. Eine "erhebliche" Geschwindigkeitsüberschreitung bezeichne ich dann als eine solche, wenn die erlaubte Geschwindigkeit

um 30 km/h und mehr überschritten wird. Ich kann nicht genau angeben,

wie weit die Strecke ist, von der Hardeggasse bis zu meinem Standort im Mühlgrundweg. Es waren damals keine anderen Fahrzeuge unterwegs. Aufgrund meiner Straßendiensterfahrung konnte ich das Quietschen der Reifen eindeutig dem angezeigten Fahrzeug zuordnen."

RevI Roland H:

"Ich kann mich großteils noch an den gegenständlichen Vorfall erinnern. Ich stand damals mit meinem Kollegen S anläßlich einer Amtshandlung am Mühlgrundweg bei der sich damals dort befindlichen Baustelle. Diese Baustelle war in etwa 150 m von der Hardeggasse entfernt und in die andere Richtung waren es auch ca 150 m bis zur Mühlgrundgasse. Mir ist dann das angezeigte Fahrzeug eigentlich zufällig das erste Mal aufgefallen auf den letzten Metern kommend von

der Hardeggasse Richtung Schilfweg. Ich konnte beobachten, wie dieses

Fahrzeug dann nach rechts in den Mühlgrundweg eingebogen ist. Meiner Auffassung nach hat das Fahrzeug eine weit überhöhte Fahrgeschwindigkeit aufgewiesen und ist es deshalb beim Einbiegen weit auf die linke Fahrbahn hinausgetragen worden. Das Fahrzeug hat dann aus der Kurve kommend beschleunigt und ist dann in den Mühlgrundweg Richtung Mühlgrundgasse gefahren. Ich betrat die Fahrbahn, zwei drei Schritte und gab mit einer Hand ein deutlich sichtbares Anhaltezeichen. Ich trug damals Uniform. Die Fahrbahn ist in diesem Bereich nicht breit, max 5 m. Der BW hätte mich sehen müssen, meiner Auffassung nach, hat er mich auch gesehen, da er ein wenig ausglenkt hat. Er hat jedoch seine Geschwindigkeit nicht verringert und ist auch nicht stehen geblieben, sondern ist in Richtung Mühlgrundgasse weitergefahren. Seine Geschwindigkeit beim Vorbeifahren habe ich mit 90 - 100 km/h geschätzt. Wir haben diese Situation später dann mit dem Dienstwagen nachgestellt. Wir sind von der Hardeggasse abgebogen mit 60 km/h, haben dann beschleunigt und sind dann nach 6 Sekunden zu meinem damligen Standort gekommen. Der Dienstwagen ist ein Dieselfahrzeug, 50 PS. Hochgerechnet kommt man somit ebenfalls auf 90 - 100 km/h Geschwindigkeit. Beim Abbiegen in die Mühlgrundgasse hat der BW, offenbar auf Grund der überhöhten Geschwindigkeit mit seinem Fahrzeug ein lautes Reifenquietschen verursacht.

Über Befragen des BV gebe ich an, daß ich zu der vom BW angefertigten

Handskizze angeben kann, daß der mit einem Stern eingezeichnete Standort mein Standort in etwa war. Von dort konnte ich auf die Kreuzung Einsicht haben und konnte daher einwandfrei sehen, daß der BW nach rechts abgebogen ist und nicht, wie dieser behauptet, von links. Ob der BW beim Rechtsabbiegen die Fahrtrichtungsänderung angezeigt hat, kann ich jetzt nicht mehr mit 100 %-iger Sicherheit sagen, wenn ich dies aber in der Anzeige angeführt habe, so werde ich

es ich es damals wohl beobachtet haben. Ob auf der Hardeggasse andere

Fahrzeug unterwegs waren, weiß ich jetzt nicht mehr. Auf dem Mühlgrundweg selbst war der BW das einzige Fahrzeug."

Folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt wird festgestellt:

Der Berufungswerber war zunächst zur Tatzeit in der Hardeggasse Richtung Kanalstraße als Lenker mit dem im Spruch des Straferkenntnisses genannten KFZ unterwegs. Bei der Kreuzung Hardeggasse/Mühlgrundweg bog der Berufungswerber nach rechts in den Mühlgrundweg ein, wobei er jedoch nicht wie gefordert in kurzem rechten Bogen einbog, sondern kam er beim Abbiegen auf die linke Gegenfahrbahn des Mühlgrundweges. Weiters wurde die Fahrtrichtungsänderung nicht mittels Blinker angezeigt, obwohl in der

Hardeggasse hinter dem Berufungswerber andere Fahrzeuge fuhren, die sich auf das Abbiegen einzustellen gehabt hätten. Der Berufungswerber

hat dann aus der Kurve kommend sein Fahrzeug beschleunigt und ist den

Mühlgrundweg entlang Richtung Mühlgrundgasse gefahren. Dabei hat er die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten, indem er mit geschätzten 90 bis 100 km/h unterwegs war. Der Meldungsleger, RevInsp H, betrat von seinem Standort im Mühlgrundweg auf 2 bis 3 Schritte die Fahrbahn und gab mit den Armen ein deutlich sichtbares Anhaltezeichen als Aufforderung an den Berufungswerber anzuhalten. Dieses deutlich sichtbare Zeichen wurde jedoch vom Berufungswerber ignoriert und fuhr dieser mit unverminderter überhöhter Geschwindigkeit am Meldungsleger vorbei. In der Folge bog dann der Berufungswerber vom Mühlgrundweg nach rechts in die Mühlgrundgasse ein, wobei er mit den Reifen ein lautes Quietschen hervorrief.

Dieser Sachverhalt ergibt sich im wesentlichen aus den Zeugenaussage des Meldungslegers und des RevInsp S.

Beide Sicherheitswachebeamten haben in der mündlichen Verhandlung vor

dem UnabhängigenVerwaltungssenat Wien zeugenschaftlich einvernommen inhaltlich klar und widerspruchsfrei und zudem unter der Wahrheitsverpflichtung des § 289 StGB ausgesagt. Außerdem unterliegen

die Zeugen auf Grund ihres Diensteides und auf Grund ihrer verfahrensrechtlichen Stellung nicht nur der Wahrheitspflicht, sondern treffen sie im Falle einer Verletzung dieser Pflicht nicht nur straf- sondern auch dienstrechtliche Sanktionen. Auch konnte die Aktenlage keinerlei Hinweis darüber abgeben, daß die Zeugen den ihnen offenbar unbekannten Berufungswerber durch eine unrichtige Aussage wahrheitswidrig einer verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung hätten aussetzen wollen.

Demgegenüber hatte der Berufungswerber zweifelslos ein Interesse, durch seine Darstellung ein Kalkül herbeizuführen, welches ihm Strafffreiheit gewährleistet bezw ermöglicht. Es konnte zudem nicht ausgeschlossen werden, daß er den angezwigten Vorgängen nicht diesselbe Aufmerksamkeit beigemessen hat als der Meldungsleger und der Zeuge S.

In rechtlicher Hinsicht ist zu den einzelnen Punkten des Straferkenntnisses noch folgendes auszuführen:

Zu Punkt 1)

In diesem Punkt mußte das Straferkenntnis behoben und das Verfahren spruchgemäß eingestellt werden, da mit der im Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit nun nicht mehr gesagt werden kann, daß der Berufungswerber am angelasteten Tatort:

"Hardeggasse 65 in Richtung Kanalstraße" tatsächlich die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit erheblich überschritten hat. Dies deshalb, da der Meldungsleger von seinem Standort aus am Mühlgrundweg, nach seinen eigenen Angaben, keine Sicht auf den Tatort

in der Hardeggasse 65 haben konnte, sondern den Berufungswerber - ursprünglich rein zufällig - bemerkte, wie dieser schon im Kreuzungsbereich Hardeggasse/Mühlgrundweg war bzw einige Meter vor dem Einbiegen. Zwar kann von einem geschulten Organ der Straßenaufsicht auch die Geschwindigkeit eines herannahenden Fahrzeuges verläßlich geschätzt werden, jedoch müssen dafür besondere

Umstände vorliegen, die dies ermöglichen, wie zB mehrere 100 Meter Entfernung ungehinderte Sicht auf das sich nähernde Fahrzeug und eine

verläßliche Vergleichsbasis. Solche besonderen Umstände sind aber hier nicht vorgelegen und war daher in diesem Punkt spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Punkt 2):

Gemäß § 13 Abs 1 StVO ist nach rechts in kurzem, nach links in

weitem

Bogen einzubiegen.

Durch das Fahrmanöver des Berufungswerbers, womit es diesen beim Rechtsabbiegen weit auf die linke Gegenfahrbahn hinausgetragen hat, hat der Berufungswerber jedoch das ihm vorgeworfene Delikt verwirklicht.

Zu Punkt 3):

Gemäß § 11 Abs 2 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung oder den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens so rechtzeitig anzuzeigen, daß sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen können.... Da laut Anzeige hinter dem Berufungswerber in der Hardeggasse andere Fahrzeuge fuhren, lag für den Berufungswerber die Voraussetzung für die Verpflichtung zur Anzeige im Sinne des § 11 Abs 2 beim Abbiegen nach rechts vor. Da der Berufungswerber dieser Verpflichtung nicht entsprechend nachgekommen ist, hat er eine Übertretung nach § 11 Abs 2 StVO zu verantworten.

Zu Punkt 4):

Gemäß § 20 Abs 2 StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h fahren, sofern die Behörde nicht eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist den im Straßenverkehr zur Überwachung eingesetzten Organen der Polizei und Gendermarie im allgemeinen ein - wenn auch im Schätzungswege gewonnenes - Urteil darüber zuzubilligen, ob ein Fahrzeug die zulässige Höchstgeschwindigkeit (erheblich) überschreitet, sofern dieses Fahrzeug an dem Straßenaufsichtsorgan - wie im konkreten Fall - vorbeifährt. Die dem Meldungsleger zur Verfügung gestandene Wegstrecke von jeweils 150 m in beiden Richtungen ist aber als ausreichend anzusehen, um die Geschwindigkeit

des sich nähernden und an dem Meldungsleger vorbeifahrenden KFZ verläßlich zu schätzen, zumal die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit erheblich überschritten wurde, da der Berufungswerber mit 90 bis 100 km/h unterwegs war.

Zu Punkt 5):

Gemäß § 97 Abs 5 StVO sind die Organe der Straßenaufsicht ua berechtigt, durch deutlich sichtbare Zeichen Fahrzeuglenker zwecks Lenker- oder Fahrzeugkontrolle oder anderer den Fahrzeuglenker oder eine beförderte Person betreffenden Amtshandlungen zum Anhalten aufzufordern. Der Fahrzeuglenker hat der Aufforderung Folge zu leisten.

Beim Zuwiderhandeln gegen das Gebot des § 97 Abs 5 2. Satz handelt es

sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs 1 2. Satz VStG; der Berufungswerber hatte daher glaubhaft zu machen, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen ist (VwGH 23.5.1977, 236/77). Nun ist aber das Vorbringen des

Berufungswerbers nicht geeignet, diese Glaubhaftmachung darzutun, hat

dieser doch selbst angegeben, er hätte einen Mann gesehen, der sich von einer Menschengruppe in der er sich befand gelöst hat und nach vorne gelaufen ist. Weiters habe dieser Mann mit beiden Armen nach unten gedeutet. Nun hätte aber der Berufungswerber bei der von ihm geforderten Aufmerksamkeit im Straßenverkehr diesen "Mann" durchaus als Polizisten erkennen können, hat der Meldungsleger doch zur Tatzeit eine Uniform getragen und waren die Anhaltezeichen als Aufforderung zum Stehenbleiben eindeutig als solche zu erkennen. Des weiteren hat der Berufungswerber das Anhaltezeichen erkennbar wahrgenommen, hat er doch insofern darauf reagiert, daß er sein Fahrzeug ein wenig ausgelenkt hat.

Zu Punkt 6):

Gemäß § 102 Abs 4 KFG darf der Lenker ua mit dem von ihm gelenkten Kraftfahrzeug und einem mit diesem gezogenen Anhänger nicht ungebührlichen Lärm verursachen, als bei ordnungsgemäßen Zustand und sachgemäßen Betrieb des Fahrzeuges unvermeidbar ist. Einem verkehrsgeschulten Sicherheitswachebeamten kann auch ohne Zuhilfenahme von technischen Hilfsmittel die Festsellung zugemutet werden, ob die Auspuffanlage eines Kraftfahrzeuges in Folge eines Defektes übermäßigen Lärm verursacht (VwGH 21.5.1970, 524/69).

Ebenso

kann ein geschultes Organ der Straßenaufsicht verläßlich feststellen,

ob ein Reifenquietschen, wie hier beim Einbiegen, bei einer ordnungsgemäßen Fahrweise vermeidbar gewesen wäre oder nicht. Der Meldungsleger konnte daher festellen, daß das Reifenquietschen beim Einbiegen vom Mühlgrundweg in die Mühlgrundgasse, offensichtlich hervorgerufen durch die überhöhte Geschwindigkeit, bei ordnungsgemäßen Betrieb des Fahrzeuges (bei einer für das Abbiegemanöver adäquaten Geschwindigkeit) vermeidbar gewesen ist und sich somit als eine ungebührliche Lärmentwicklung dargestellt hat. Das Straferkenntnis war daher in den Punkten 2) bis 6) in der Schuldfrage zu bestätigen, wobei die Abänderung im Spruch einerseits der konkreten Tatanlastung diente, andererseits der korrekten Zitierung der verletzten Rechtsvorschriten und der korrekten Zitierung der Strafsanktionsnormen.

Zur Strafbemessung ist folgendes auszuführen:

Da die Behörde erster Instanz unrichtigerweise zu Punkt 5) § 99 Abs 3

lit a StVO als Strafsanktionsnorm anstatt des § 99 Abs 4 lit i StVO heranzog, mußte die Strafe zu 5) in Relation zu dem niedrigeren Strafsatz neu bemessen werden und wurde daher die Strafe zu Punkt 5) insofern spruchgemäß herabgesetzt.

Eine weitere Herabsetzung zu Punkt 5) bzw eine Herabsetzung der Strafen zu den Punkten 2) bis 4) und 6) kam jedoch aus folgenden Gründen nicht in Betracht:

Die Taten schädigten in erheblichem Maße das Interesse an der Verkehrssicherheit (Punkte 2) bis 4)), das Interesse an der Befolgung

von Anordnungen eines sich im Dienst befindlichen Sicherheitswachebeamten (Punkt 5) bzw an der Vermeidung von ungebührlichem Lärm beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges (Punkt 6).

Der

Unrechtsgehalt der Taten war jeweils nicht geringfügig, zu Punkt 4) ist noch zu bemerken, daß die Überschreitung der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit um fast das Doppelte eine erhebliche

Geschwindigkeitsüberschreitung darstellt und somit einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Vorschriften der StVO. Eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung bringt weiters eine erhöhte

Umweltbelastung (durch vermehrten Schadstoffausstoß und Lärmbelästigung) mit sich, was eine nachteilige Folge im Sinne des § 19 Abs 1 VStG darstellt (VwGH 15.11.1989, 89/03/0278). Das Verschulden des Berufungswerbers kann nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist, noch aufgrund der Tatumstände anzunehmen war, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.

Die sich aus den vorgelegten Verwaltungsstrafakten ergebende bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Berufungswerbers wurde mildernd gewertet.

Auf die unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse und die Vermögenslosigkeit aber auch auf das Fehlen von gesetzlichen Sorgepflichten wurde Bedacht genommen.

Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und auf den zu 2) bis 4) bis S 10.000,--, zu 5) bis zu S 1.000,-- und zu 6) bis zu S 30.000,-- reichenden Strafsatz, sind die verhängten Geldstrafen, nunmehr durchaus angemessen und keineswegs zu hoch, zumal im Verfahren keine weiteren Milderungsgründe hervorgetreten sind. Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens

stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 64 Abs 1 und 2 VStG.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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