Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag Fritz über die Berufung der Frau Brigitte N, vertreten durch Rechtansanwalt, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 6./7. Bezirk, vom 21.11.1994, Zl MBA 6/7-S-05974/94, betreffend Übertretung der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (LMKV) 1993, entschieden:
Gemäß §66 Abs4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß §45 Abs1 Z3 VStG eingestellt.
Die Berufungswerberin hat daher gemäß §65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Begründung:
Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens erstattete die Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt Wien am 23.3.1994 Anzeige wegen Verdachtes auf Übertretung der LMKV 1993, weil eine in der S-Filiale in Wien, O-Gasse gezogene, als "Zuckermais" bezeichnete Probe nicht ensprechend den Bestimmungen der LMKV 1993 gekennzeichnet gewesen sei. Die beanstandete Ware habe sich - so heißt es im Begleitschreiben des Marktamtes - in der Obst- und Gemüseabteilung (Selbstbedienung) dieser Filiale befunden und sei lt Angabe laufend verkauft worden. Die S-Zentrale in S habe am 24.2.1994 5 Stück an die genannte Filiale geliefert. Die Ware sei von der Firma S-AG in S am 20.2.1994 in einer Menge von 20 Kartons a 10 Packungen importiert worden.
Diese Anzeige der Lebensmitteluntersuchungsanstalt übermittelte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 59 - Markt- und Veterinäramt (jeweils mit Schreiben vom 26.4.1994) sowohl an den Magistrat der Landeshauptstadt S als auch an das Magistratische Bezirksamt für den 6./7. Bezirk.
Über entsprechende Anfragen (diesen waren jeweils die gegenständliche Anzeige angeschlossen) teilte die S-AG (jeweils vertreten durch RA) dem Magistrat der Landeshauptstadt S (Schreiben vom 27.5.1994) bzw dem Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 6./7. Bezirk (Schreiben vom 6.6.1994) mit, daß am 2.3.1994 für die Filiale Wien, O-Gasse, die Berufungswerberin (Bw) als verantwortliche Beauftragte bestellt gewesen sei und dieser die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift iSd §9 VStG in dem oben bezeichneten Bereich des Unternehmens oblegen sei (eine Ablichtung der Bestellungserklärung der Bw vom 5.5.1992 lag jeweils bei). In dem - vom Magistrat der Landeshauptstadt S über ha Ersuchen übermittelten - Verwaltungsstrafakt (in Kopie) zur Zahl:
01/80/2/167/94 betreffend Brigitte N findet sich folgender von S unterfertigter Aktenvermerk vom 25.8.1994:
"Unter Bedachtnahme auf die Entscheidung des UVS im Land Niederösterreich vom 24.3.1994 Senat-BM-93-002, Verfahren gg S-AG, Herrn W...., wegen Übertretung nach dem LMG (Inverkehrbringen von Grünzeug auf Kunststofftasse in Folie) wird gegenständliches Verfahren gem §45 Abs1 Z1 VStG 1991 eingestellt."
Mit Schreiben vom 25.8.1994 teilte der Magistrat der Landeshauptstadt S der Bw mit, "daß das gegen Sie ha anhängige Verwaltungsstrafverfahren zu Zl: 01/80/2/167-1994 wegen Übertretung nach dem LMG gemäß §45 Abs1 Ziffer 1 VStG 1991 eingestellt worden ist." Dieses Schreiben ist "Für den Bürgermeister" gefertigt und trägt eine Unterschrift mit dem Klammerzusatz "S.....".
Die Bw wurde am 26.9.1994 beim MBA 6/7 als Beschuldigte (in ihrer Eigenschaft als gem §9 Abs2 letzter Satz VStG verantwortliche Beauftragte der S-AG) einvernommen, wobei sie dabei angab, die Ware von der Zentrale in S geliefert bekommen zu haben und daher keinen Einfluß auf deren Kennzeichnung zu haben. Das Strafverfahren beim Magistrat S gegen sie sei bereits eingestellt worden. Abschließend wies sie noch darauf hin, daß es sich bei der beanstandeten Ware um Importware handle.
Auf Anfrage teilte der Magistrat der Landeshauptstadt S der Erstbehörde mit Schreiben vom 11.10.1994 mit, daß in dem - aufgrund des Schreibens des Amtes der Wiener Landesregierung, MA 59 Markt- und Veterinäramt, vom 26.4.1994 eingeleiteten - Verwaltungsstrafverfahren Frau Brigitte N als die Verantwortliche festgestellt worden sei; dieses Verfahren sei am 25.8.1994 gem §45 Abs1 Z1 VStG eingestellt worden. Mit ergänzendem Schreiben vom 10.11.1994 teilte der Magistrat der Landeshauptstadt S der Erstbehörde mit, daß "im Gegenstand" gegen Friedrich S (dieser ist der handelsrechtliche Geschäftsführer der Fa S) kein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden sei.
Die Erstbehörde erließ daraufhin das angefochtene Straferkenntnis, dessen Spruch wie folgt lautet:
"Sie haben es als zur Vertretung nach außen Berufene, nämlich als gemäß §9 Abs2 letzter Satz VStG verantwortliche Beauftragte der S-AG zu verantworten, daß diese Gesellschaft am 20.2.1994 in Wien, O-Gasse, verpackte importierte Waren gemäß §§2 und 3 LMG 1975 (Lebensmittel und Verzehrprodukte), und zwar 20 Kartons zu je 10 Packungen Zuckermais am 2.3.1994 zum Verkauf bereitgehalten (Probenentnahme am 2.3.1994 bei S-AG) und dadurch in Verkehr gesetzt hat, die insofern nicht entsprechend den Bestimmungen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 (LMKV) gekennzeichnet waren, als folgende Kennzeichnungselemente (Angaben) gemäß §4 fehlten:
Z3. die Nettofüllmenge der zur Verpackung gelangenden Ware nach metrischem System; bei flüssigen Waren nach Liter, Zentiliter oder Milliliter, bei sonstigen Waren nach Kilogramm oder Gramm;
Z5. der Zeitpunkt, bis zu dem die Ware ihre spezifischen Eigenschaften behält (Mindesthaltbarkeitsdatum) mit den Worten:
"mindestens haltbar bis...", wenn der Tag genannt wird;
"mindestens haltbar bis Ende...", wenn nur Monat oder Jahr genannt werden, bestimmt nach a) Tag und Monat, wenn deren Haltbarkeit weniger als drei Monate,
b) Monat und Jahr, wenn deren Haltbarkeit zwischen drei und 18 Monaten und
c) dem Jahr, wenn deren Haltbarkeit mehr als 18 Monate beträgt;
Z6. die Temperaturen oder sonstigen Lagerbedingungen, wenn deren Einhaltung für die Haltbarkeit wesentlich ist;
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§74 Abs5 Z2 des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG 1975) in Verbindung mit §1 Abs1 und §4 der LMKV 1993, BGBl Nr 72.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von Schilling 900,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von: 22 Stunden, gemäß §74 Abs5 Z2 LMG 1975 Ferner haben Sie gemäß §64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
90,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10% der Stafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 990,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§54 d VStG)."
Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Bw innerhalb offener Frist
Berufung.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:
Gemäß §45 Abs1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;
2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen. Wird die Einstellung verfügt, so genügt nach §45 Abs2 VStG ein Aktenvermerk mit Begründung, es sei denn, daß einer Partei Berufung gegen die Einstellung zusteht oder die Erlassung eines Bescheides aus anderen Gründen notwendig ist. Die Einstellung ist, soweit sie nicht bescheidmäßig erfolgt, dem Beschuldigten mitzuteilen, wenn er nach dem Inhalt der Akten von dem gegen ihn gerichteten Verdacht wußte.
Die Berufung erweist sich schon aus nachstehenden Erwägungen als berechtigt:
Wie sich aus der obigen Sachverhaltsdarstellung ergibt, ist das gegen die Bw vom Magistrat der Landeshauptstadt S (aufgrund des Schreibens der MA 59 - Markt- und Veterinäramt, vom 26.4.1994) eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren zZl: 01/80/2/167/94 mit Aktenvermerk vom 25.8.1994 eingestellt worden. Dem Schreiben des Magistrates der Landeshauptstadt S vom 25.8.1994, mit welchem der Bw mitgeteilt worden ist, daß das Strafverfahren gegen sie eingestellt worden sei, kommt Bescheidcharakter zu (vgl dazu VwSlg 9260 A/1977). Aus dieser Einstellung des Verfahrens erwuchs aber die Rechtswirkung, daß von der Fortführung des Strafverfahrens vom Magistrat der Stadt Wien in der Folge hätte abgesehen werden müssen (vgl das Erk des VwGH vom 15.9.1992, Zl 92/05/0079). Da die - vom Magistrat der Landeshauptstadt S verfügte - Einstellung des Strafverfahrens (wegen desselben Verhaltens, daß dem angefochtenen Straferkenntnis vom 21.11.1994 zugrunde liegt) schon vor Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses erfolgt ist, hätte die Bw nicht mehr durch dieses Straferkenntnis einer Verwaltungsübertretung nach §74 Abs5 Z2 des LMG 1975 iVm §1 Abs1 und §4 LMKV 1993 für schuldig befunden und bestraft werden dürfen. Das angefochtene Straferkenntnis war daher schon aus diesem Grunde aufzuheben und das Verfahren gem §45 Abs1 Z3 VStG einzustellen, ohne auf das Berufungsvorbringen näher eingehen zu müssen. Gemäß §51e Abs1 zweiter Fall VStG konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben.