TE UVS Wien 1995/02/09 02/12/60/94

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Veröffentlicht am 09.02.1995
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag Kurzmann in der Beschwerdesache des Herrn Mohamedou S, vertreten durch Roland H, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, entschieden:

Gemäß §67c Abs3 AVG wird die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Schriftsatz vom 30.6.1994 brachte der Beschwerdeführer, vertreten durch Herrn H, gemäß §67a Abs1 Z2 AVG, Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat ein. Darin wird beantragt, daß der Unabhängige Verwaltungssenat feststellen möge, daß die in der Zeit vom 19.5.1994 bis 27.5.1994 sowie in der Zeit vom 26.5.1994 bis 8.6.1994 seitens der Bundespolizeidirektion Wien (belangte Behörde) erfolgte Umleitung und Verzögerung des Briefverkehrs des Beschwerdeführers mit Rechtsbeiständen, den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Achtung seines Briefverkehrs mit Rechtsbeiständen verletzt habe und werde Kostenersatz in der Höhe von S 120,-- für die Bundesstempelmarke beantragt.

Der Beschwerdeführer sei am 2.4.1994 von der Bezirkshauptmannschaft O in Schubhaft genommen worden, zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung und in der Folge nach Wien in das Polizeigefangenenhaus Wien-Ost überstellt worden. Am 6.4.1994 habe der Beschwerdeführer einen Asylantrag gestellt, der in zweiter Instanz rechtskräftig abgeschlossen worden sei. Infolge eines 21-tägigen Hungerstreikes sei der Beschwerdeführer am 20.6.1994 aus der Schubhaft entlassen worden. Während seiner Anhaltung in Schubhaft habe der Beschwerdeführer nachweislich mehrfach den Versuch unternommen, Rechtsbeistand zu erhalten. So seien am 2.5.1994 und 25.5.1994 Anrufe an das Wiener Regionalbüro vom Amnesty International erfolgt. Am 26.5.1994 habe der Beschwerdeführer einen schriftlichen Hilferuf an die selbe Stelle gerichtet, am 19.5.1994 habe er sich schriftlich an die Caritas-Ausländerbetreuung gewendet. Die beiden Schriftstücke seien, obwohl die jeweiligen Briefumschläge ordnungsgemäß adressiert und mit Angaben zum Absender versehen gewesen wären, von der belangten Behörde an die Bezirkshauptmannschaft O weitergeleitet worden, von wo aus die beiden Schreiben laut Poststempel am 8.6.1994 bzw 27.5.1994 an die Adressaten weitergeleitet worden seien.

Durch diese Vorgangsweise erachte sich der Beschwerdeführer auf sein Recht nach Art8 MRK "Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs" verletzt. Ebenso sei die Vorgangsweise mit der Bestimmung des §53c Abs5 VStG "Der Brief- und Besuchsverkehr von Häftlingen mit inländischen Behörden und Rechtsbeiständen sowie mit Organen, die durch für Österreich verbindliche internationale Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte eingerichtet sind, darf weder beschränkt noch inhaltlich überwacht werden", verletzt. Darüberhinaus sei nach §20 Abs1 der Verordnung des Bundesministers für Inneres vom 28.9.1988, mit der eine Hausordnung für den Strafvollzug in Hafträumen der Bundespolizeibehörden erlassen worden ist, wonach der Briefverkehr der Häftlinge keinen Beschränkungen unterliege, seine stichprobenweise Überwachung jedoch, abgesehen vom Schriftverkehr mit inländischen Behörden und Rechtsbeiständen, .... zulässig sei, nicht entsprochen worden. Danach wird ausgeführt, daß gemäß §46 Abs1 FrG die Schubhaft, wenn die verhängende Bezirksverwaltungsbehörde nicht zu einem Vollzug in der Lage ist, auf Ersuchen dieser Behörde im Haftraum der nächstgelegenen Bezirksverwaltungs- oder Bundespolizeibehörde zu vollziehen ist. Dementsprechend sei die Bundespolizeidirektion Wien im Falle des Beschwerdeführers zum Vollzug der seitens der Bezirkshauptmannschaft O über die den Beschwerdeführer verhängte Schubhaft zuständig gewesen, womit für sie als Vollzugsbehörde auch die oben zitierten Bestimmungen der Polizeigefangenenhausordnung maßgeblich gewesen wären. Durch die Umleitung der genannten Briefe nach O und die deshalb eingetretene Verzögerung des Einlangens beim Adressaten, sei der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Achtung des Briefverkehrs verletzt worden. Sowohl Amnesty International als auch die Caritas seien personell nicht in der Lage, den tag-täglich einlangenden Hilfsgesuchen von Schubhäftlingen allein im Wiener Raum rechtzeitig zu entsprechen. Wartezeiten bis zu zwei Monaten im Einzelfall seien sehr häufig. Hilfegesuche werden je nach Eingangsdatum auf eine Warteliste gesetzt und bei Freiwerden personeller Kapazitäten in den Gefangenenhäusern bearbeitet. Unbestrittenermaßen wären die beiden schriftlichen Hilfsgesuche des Beschwerdeführers früher bearbeitet worden, sofern sie früher beim Adressaten eingelangt wären. Ein telefonisches Hilfsgesuch, wie im Falle des Beschwerdeführers ebenfalls geschehen, vermöge in der Regel nur die Aufnahme von Name und Nationalität, nicht jedoch eine effentiente Rechtsberatung im Telefonwege.

Durch die Umleitung der Post sei in unzulässiger Weise in folgende Rechte des Beschwerdeführers eingegriffen worden:

1. In das Recht auf ein faires Verfahren und der Heranziehung eines Rechtsbeistandes, im asyl- wie auch in fremdenrechtlicher Hinsicht;

2. das Recht auf uneingeschränkte Geltendmachung des Verbotes der Ausweisung und Zurückschiebung sowie der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung;

3. damit verbunden das Recht auf Schutz vor Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung;

4. das Recht auf Schutz vor willkürlicher Inhaftierung und Außerlandesschaffung.

Derlei Eingriffe seien nur bei Strafmaßnahmen, nicht jedoch bei bloßen Vollstreckungsmaßnahmen, wie der Festnahme und der Anhaltung aufgrund eines vollstreckbaren Schubhaftbescheides zulässig.

Die belangte Behörde, die Bundespolizeidirektion Wien, nahm zum Beschwerdevorbringen wie folgt Stellung:

Ungeachtet der Frage, ob die in Beschwerde gezogenen Akte solche der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt seien, und ob diese Akte überhaupt gesetzt worden seien, sei festzuhalten, daß die im Polizeigefangenenhaus dienstversehenden Beamten im gegenständlichen Fall für die, die Schubhaft verfügende Behörde, die Bezirkhauptmanschaft O, tätig geworden seien. Die Bundespolizeidirektion Wien sei mit der Schubhaftsache bzw dem fremdenpolizeilichen Verfahren des Beschwerdeführers nicht befaßt. Die Bundespolizeidirektion Wien sei sohin nicht als belangte Behörde anzusehen. Der Fall sei nicht anders zu beurteilen, als die vom Fremdengesetz ermöglichte rein faktische Anhaltung eines Schubhäftlings in einem gerichtlichen Gefangenenhaus. Es wäre zweifellos verfehlt, in einem solchen Fall, bei Vorkommnissen im Zuge der Verwahrung das jeweilige Gericht als belangte Behörde anzusehen, nur weil die diesem beigegebenen Justizwachebeamten die Verwahrung an sich durchführen. Für diese Argumentation spreche schließlich auch, daß bei Beschwerden gemäß §51 Fremdengesetz hinsichtlich sogenannter "Gasthäftlinge" nie die Bundespolizeidirektion Wien als belangte Behörde angesehen werde, sondern die, die Schubhaft, verfügende Behörde.

Mit Schriftsatz vom 4.9.1994 brachte der Vertreter des Beschwerdeführers eine Entgegnung zur Stellungnahme der Bundespolizeidirektion Wien ein, mit welcher im wesentlichen das bisherige Beschwerdevorbringen aufrecht erhalten und der Rechtsauffassung der belangten Behörde entgegnet wird Dazu hat der Unabhängige Verwaltungssenat Wien erwogen:

Unter Zugrundelegung des Akteninhaltes, der von seiten der belangten Behörde unwidersprochen blieb, wird der im Beschwerdeschriftsatz geschilderte Sachverhalt als erwiesen angenommen, insbesondere die Umstände, daß der Beschwerdeführer während der Schubhaft am 26.5. und am 19.5.1994 jeweils schriftliche Mitteilungen (vom Vertreter des Beschwerdeführers als Hilferufe bezeichnet) an Amnesty International und die Caristas-Ausländerberatung richtete. Unbestritten von der belangten Behörde blieb auch die Weiterleitung dieser Schriftstücke an die Bezirkshauptmannschaft O.

Rechtlich ergibt sich folgendes:

Gemäß §7 der Verordnung des Bundesminsters für Inneres zur Durchführung des Fremdengesetzes, BGBl Nr 840/1992, ist - sofern §47 Fremdengesetz nichts anderes bestimmt - für die Durchführung der Schubhaft die Polizeigefangenenhaus-Hausordnung, BGBl Nr 566/1988, mit Ausnahme jener Bestimmungen anzuwenden, die wegen ihrer Ausrichtung auf den Vollzug von Verwaltungsfreiheitsstrafen dem Sicherungszweck der Schubhaft entgegenstehen.

Die Polizeigefangenenhaus-Hausordnung regelt Rechte und Pflichten der Häftlinge, insbesondere sind Häftlinge unter Achtung der Menschenwürde mit möglichster Schonung der Person anzuhalten. Ihnen dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die durch Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Polizeigefangenenhaus notwendig und mit einer Freiheitsentziehung üblicherweise verbunden sind (§4 Abs1 der Verordnung). Gemäß §23 Abs1 dieser Bestimmung sind Beschwerden wegen Verletzung der dem Häftling aus der Hausordnung erwachsenden Rechte, vom Häftling dem Kommandanten vorzutragen oder schriftilch mitzuteilen. Richtet sich die Beschwerde gegen Aufsichtsorgange, so hat hierüber der Kommandant zu entscheiden. Richtet sie sich gegen eine von ihm oder vom Arzt getroffene Maßnahme oder Entscheidung und hilft er der Beschwerde nicht selbst ab, so ist sie der Behörde vorzulegen. Diese hat, außer bei Beschwerden über vom Arzt getroffene Maßnahmen, mit Bescheid zu entscheiden (§23 Abs2 der Bestimmung).

Gemäß §20 Abs1 der Verordnung unterliegt der Briefverkehr der Häftlinge keinen Beschränkungen, seine stichprobenweise Überwachung ist jedoch, abgesehen vom Schriftverkehr mit inländischen Behörden und Rechtsbeiständen, mit diplomatischen und konsularischen Vertretungen des Heimatstaates sowie mit Organe, die durch für Österreich verbindliche internationale Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte eingerichtet sind, zulässig. Schriftstücke, die offenbar der Vorbereitung, Begehung, Weiterführung oder Verschleierung strafbarer Handlungen dienen, sind zurückzuhalten und der Behörde zu übergeben; hievon ist der Häftling in Kenntnis zu setzen.

Gemäß §67a Abs1 Z2 AVG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

Die Regelungen über die sogenannte Maßnahmenbeschwerde dienen - wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont (vgl zB VwGH vom 29.6.1992, 91/15/0147, und die dort zitierte Vorjudikatur) - nur der Schließung einer Lücke im Rechtschutzsystem, nicht aber der Eröffnung einer Zweigleisigkeit für die Verfolgung ein- und desselben Rechtes.

Was in einem Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, kann daher nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde sein (vgl auch VwSlg 9461 A/1977).

Im Beschwerdefall hätte daher der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Rechte nach §20 der Polizeigefangenenhaus-Hausordnung, eine Beschwerde gemäß §23 der vorhin zitierten Bestimmung einzubringen gehabt. Für die hier erhobene Maßnahmenbeschwerde besteht daher nach der dargestellten Rechtsansicht des Unabhängige Verwaltungssenates von vornherein kein Raum (siehe hiezu insbesondere VwGH vom 16.9.1992, 92/01/0713; dort bestand die Möglichkeit der Austreibung einer Beschwerde wegen Verweigerung einer ärztlichen Betreuung während eines Strafvollzuges in einem Verfahren nach den §§120 ff Strafvollzugsgesetz).

Es war daher ohne Eingehen auf die Beschwerdeausführungen spruchgemäß die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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