TE UVS Wien 1995/02/17 03/21/4182/94

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Veröffentlicht am 17.02.1995
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Hollinger über die Berufung des Herrn Michael W, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, vom 28.9.1994, Zl Pst 1320/W/94, wegen Übertretung des §16 Abs1 lita StVO entschieden:

Gemäß §66 Abs4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Der Berufungswerber hat daher gemäß §64 Abs1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 200,--, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu bezahlen.

Text

Begründung:

Das angefochtene Straferkenntnis enthält folgenden Spruch:

"Sie haben am 17.5.1994 um 10.45 Uhr in Wien, P-Straße das KFZ W88 gelenkt und dabei ein Kraftfahrzeug überholt, obwohl andere Straßenbenützer gefährdet worden sind.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt: §16 Abs1a

StVO

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von S 1.000,--, falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden. ..."

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerechte Berufung des Beschuldigten, in welcher dieser - wie schon im erstinstanzlichen Verfahren - ausführt, daß er mit seinem KFZ keinesfalls ein anderes überholt hätte, sondern hätte es sich nur um ein Vorbeifahren an einem kurzanhaltenden KFZ gehandelt. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 31.1.1995 eine öffentlich mündliche Verhandlung durch, an welcher der Berufungswerber selbst teilnahm und der am Verkehrsunfall zweitbeteiligte Lenker, Herr Johannes W, zeugenschaftlich einvernommen wurde.

Der Berufungswerber gab zunächst an:

"Es war damals so, daß ich in der P-Straße unterwegs war. Vor mir fuhr das am Unfall zweitbeteiligte Fahrzeug. Der Lenker gab den Blinker nach rechts und fuhr nach rechts zu. Er fuhr nach rechts zu den parkenden Fahrzeugen am rechten Fahrbahnrand zu. Für mich war es daher klar, daß er rechts stehenbleiben würde. Ich bin daher an ihm links vorbeigefahren. Das andere Fahrzeug ist fast gestanden. Wenn es überhaupt noch in Bewegung war, dann höchstens im Schrittempo. Es hat sich daher keinesfalls um ein vorschriftswidriges Überholen gehandelt, sondern lediglich um ein Vorbeifahren an einem haltenden Fahrzeug."

Herr Johannes W gab zeugenschaftlich einvernommen an:

"Ich kam damals vom G, bog nach rechts in die P-Straße ab und fuhr diese entlang. Ich hatte vor, in unsere Einfahrt P-Straße einzufahren. Diese ist in meiner damaligen Fahrtrichtung links. Man muß um zu dieser Einfahrt zuzufahren, die Busspur überqueren und auch die Straßenbahnschienen überqueren. Bei der Kreuzung mit der W-gasse, wo der Bus in diese W-gasse einbiegt, hört die Busspur auf und muß man auf den Schienen weiterfahren. An dieser Stelle habe ich das letzte Mal in den Rückspiegel geschaut und habe dort keine Straßenbahn gesehen und auch kein weiteres Fahrzeug. Ich habe dann nach links zu blinken begonnen, bin langsamer geworden, weil ich den Gegenverkehr abwarten mußte und bin dann hinübergebogen nach links. Ich bin langsamer geworden, bin aber nicht stehengeblieben, ich war noch im Rollen. Ich habe weder nach rechts geblinkt, noch bin ich nach rechts zu den parkenden Autos zugefahren. Der Zusammenstoß war dann eher in der Mitte der Straße. Angeben möchte ich noch, daß wenn ich wirklich nach rechts geblinkt hätte, daß dann beim Zusammenstoß der Blinker noch immer nach rechts hätte blinken müssen, was er aber nicht getan hat."

Zum Schluß gab der Berufungswerber noch an:

"Ich bleibe dabei, daß der Blinker nach rechts geblinkt hat. Wenn der Zeuge wirklich nach links hätte einbiegen wollen und nach links geblinkt hätte, dann hätte ich nicht versucht, links an ihm vorbeizufahren, sondern wäre ich rechts an ihm vorbeigefahren. Die P-Straße ist so breit, daß sich dies ausgegangen wäre, wenn man berücksichtigt, daß ein Fahrzeuglenker, der nach links abbiegen will, nach links zufährt. Für mich ist der Zeuge gestanden."

Gemäß §16 Abs1 lita StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist. Nach der Begriffsbestimmung des §2 Abs1 Z29 StVO ist unter Überholen das Vorbeibewegen eines Fahrzeuges an einem auf derselben Fahrbahn in der gleichen Richtung fahrenden Fahrzeug zu verstehen. Vorbeifahren ist gemäß §2 Abs1 Z30 leg cit das Vorbeibewegen eines Fahrzeuges an einer sich auf der Fahrbahn befindenden, sich nicht fortbewegenden Person oder Sache, insbesondere an einem anhaltenden, haltenden oder parkenden Fahrzeug.

Nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VWGH vom 25.5.1965, 1187/64) wird ein Fahrzeug solange es in Bewegung ist überholt, auch wenn die Fahrgeschwindigkeit zum Zwecke des Anhaltens herabgemindert wird und das Fahrzeug somit ausrollt. Nach den Angaben des Berufungswerbers selbst war aber das überholte Fahrzeug durchaus noch in Bewegung, wenn auch höchstens "im Schrittempo". Da aber nach der eben zitierten Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Vorbeifahren an einem ausrollenden Fahrzeug als "Überholen" zu werten ist, hat der Berufungswerber jedenfalls die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen.

Weiters muß beim Vorbeifahren an einem vorschriftsmäßig zum Linksabbiegen eingeordneten Fahrzeug auch bedacht werden, daß sich dieses Fahrzeug jederzeit und zwar noch bevor das Vorbeifahren beendet ist, in Bewegung setzen kann, wodurch das Vorbeifahren zum Überholen wird (OGH 16.12.1968, 2Ob 357/68, ZVR 1969/107). Eine Behinderung liegt schon dann vor, wenn ein entgegenkommender Fahrzeuglenker zum Bremsen oder Ablenken genötigt wird (OGH 3.5.1966, 11Os 12/66, ZVR 19967/58). Die Bedachtnahme auf andere Straßenbenützer im §16 Abs1 lita StVO ist nicht nur auf die entgegenkommenden und auf andere Fahrzeuge eingeschränkt. Das Wort "insbesondere" dient lediglich dem Hinweis auf die besondere Gefahr des Zusammenstoßes mit einem entgegenkommenden Fahrzeug beim Überholen. Durch sein Überholen hat der Berufungswerber aber den Zeugen Johannes W insoferne behindert, als es zum - unbestrittenen - Verkehrsunfall gekommen ist.

Das Straferkenntnis war daher in der Schuldfrage zu bestätigen.

Zur Strafmessung ist folgendes auszuführen:

Die Tat schädigte in erheblichem Maße das Interesse an der Verkehrssicherheit. Der Unrechtsgehalt der Tat war beträchtlich, wurde doch ein anderer Straßenbenützer nicht nur konkret gefährdet, sondern kam es sogar durch das Verhalten des Berufungswerbers zu einem Verkehrsunfall mit nicht unbeträchtlichem Schaden. Das Verschulden des Berufungswerbers kann nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen war, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.

Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kommt dem Berufungswerber nicht mehr zugute. Auf die unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse, die Vermögenslosigkeit aber auch auf das Fehlen von gesetzlichen Sorgepflichten wurde Bedacht genommen.

Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und auf den bis zu S 10.000,-- reichenden Strafsatz, ist die verhängte Geldstrafe durchaus angemessen und keineswegs zu hoch, zumal im Verfahren keine besonderen Milderungsgründe hervorgetreten sind. Eine Herabsetzung der Geldstrafe kam daher nicht in Betracht. Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des §64 Abs1 und 2 VStG.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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