Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Grünstäudl über die Berufung des Herrn Harald F vom 2.11.1993 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 10. Bezirk, vom 29.9.1993, Zahl MBA 10 - S 4080/93, wegen Übertretung des § 28 Abs 1 Arbeitszeitgesetz, BGBl Nr 461/1969 idgF iVm § 9 leg cit, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß hinsichtlich der Tatanlastungen 2a) bis 2d) die übertretene Verwaltungsvorschrift "§ 12 Abs 1 Arbeitszeitgesetz" zu lauten hat. Der Berufungswerber hat daher gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 2.000,--, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu bezahlen.
Begründung:
Dem Berufungswerber war zur Last gelegt worden:
"Sie haben es als verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 der als Arbeitgeberin fungierenden M-AG zu verantworten, daß in der Betriebsanlage in Wien,
L-Straße wie anläßlich einer Erhebung durch ein Organ des Arbeitsinspektorates für den 2. Aufsichtsbezirk am 4.5.1992 festgestellt wurde, die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes BGBl Nr 461/1969 idgF insoferne nicht eingehalten wurden, als
1) entgegen § 9 Arbeitszeitgesetz wonach die Tagesarbeitszeit nicht mehr als 10 Stunden betragen darf, die Tagesarbeitszeit bei folgenden
Arbeitnehmern mehr als 10 Stunden betragen hat.
a) M Johann
28.4.1992 5.30 - 18.30 Uhr (Pause 10.00 - 10.10 Uhr 11.00 - 13.00 Uhr) = 10.50 Std
30.4.1992 5.30 - 20.00 Uhr (Pause 13.00 - 16.00 Uhr) = 11.30 Std
b) P Adalbert
29.4.1992 5.30 - 18.30 Uhr (Pause 11.00 - 13.00 Uhr) = 11 Std
c) K Andreas
30.4.1992 7.30 - 20.00 Uhr (Pause 12.00 - 14.00 Uhr) = 10.30 Std
d) A Astrid
30.4.1992 6.30 - 19.30 Uhr (Pause 10.30 - 13.00 Uhr) = 10.30 Std
2) entgegen § 12 Abs 1 leg cit, wonach nach Beendigung der Tagesarbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von 11 Stunden zu gewähren ist, bei folgenden Arbeitnehmern nach Beendigung der Tagesarbeitszeit eine geringere Ruhezeit als 11 Stunden gewährt wurde.
a) M Johannes
1.5.1992 20.00 - 2.5.1992 6.00 Uhr = 10 Stunden
b) P Adalbert
1.5.1992 20.00 - 2.5.1992 6.00 Uhr = 10 Stunden
c) Pr Eva
1.5.1992 20.00 - 2.5.1992 6.00 Uhr = 10 Stunden
d) J Helga
1.5.1992 20.00 - 2.5.1992 6.00 Uhr = 10 Stunden
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
ad 1) a) - d) § 28 Abs 1 Arbeitszeitgesetz BGBl Nr 461/1969 idgF iVm
§ 9 leg cit ad 2) a) - d) § 28 Abs 1 Arbeitszeitgesetz BGBl Nr 461/1969 idgF iVm
§ 9 leg cit Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe
verhängt:
Geldstrafe von Schilling
ad 1) a) S 2.000,--
ad 1) b) S 2.000,--
ad 1) c) S 1.000,--
ad 1) d) S 1.000,--
ad 2) a) S 1.000,--
ad 2) b) S 1.000,--
ad 2) c) S 1.000,--
ad 2) d) S 1.000,--
insgesamt S 10.000,--
falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von
ad 1) a) 2 Tage
ad 1) b) 2 Tage
ad 1) c) 1 Tag
ad 1) d) 1 Tag
ad 2) a) 1 Tag
ad 2) b) 1 Tag
ad 2) c) 1 Tag
ad 2) d) 1 Tag
insgesamt 10 Tage
gemäß
ad 1) a) - d) § 28 Abs 1 Arbeitszeitgesetz
ad 2) a) - d) § 28 Abs 1 Arbeitszeitgesetz
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu
zahlen: S 1.000,--, als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens,
ds
10 % der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt
daher S 11.000,--.
Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54 d VStG)."
Gleichzeitig wurde das Strafverfahren hinsichtlich eines bereits verjährten Tatzeitraumes eingestellt.
In seiner gegen das Straferkenntnis rechtzeitig erhobenen Berufung führt der Berufungswerber einerseits aus, daß hinsichtlich der ihm angelasteten Straftaten mangels ausreichend konkretisierter Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs 2 VStG innerhalb der Frist des § 31 Abs 2 VStG bereits Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Die einzige Verfolgungshandlung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist sei eine Strafverfügung vom 28.10.1992 gewesen, worin jedoch lediglich ausgeführt worden sei, wieviele Stunden die einzelnen Mitarbeiter pro Tag gearbeitet hätten, nicht jedoch, wann der Beginn und wann das Ende der jeweiligen Tagesarbeitszeit gewesen wäre. Die genaue Kenntnis des Beginnes und des Endes der ihm zur Last gelegten Arbeitszeit sei jedoch unbedingt erforderlich, um die dagegen notwendigen Verteidigungsmittel anbieten
zu können.
Darüber hinaus sei das den Berufungswerber treffende Verschulden äußerst gering, da er die Arbeitszeitaufzeichnungen der in seiner Filiale beschäftigten rund 80 Mitarbeiter laufend und in der Regel am
Ende einer Kalenderwoche kontrolliere. Da sämtliche ihm zur Last gelegten Übertretungen innerhalb einer Kalenderwoche zu finden wären,
hätte er daher noch nicht rechtzeitig auf diese geringfügigen Übertretungen reagieren können, weshalb in eventu eine Herabsetzung des verhängten Strafausmaßes bzw lediglich eine Maßnahme im Sinne des
§ 21 VStG beantragt wurde.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien stellt fest:
Mit der die erste Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs 2 VStG darstellenden Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft M vom 28.10.1992, Zahl 3-35.291-92 wurde dem nunmehrigen Berufungswerber zur Last gelegt:
"Sie sind als verantwortlicher Beauftragter der Firma M-AG mit dem Sitz in N dafür verantwortlich, daß in der M-Filiale in Wien, L-Straße, folgende Arbeitnehmer ungesetzliche Arbeitsleistungen erbracht haben:
1) Die Tagesarbeitszeit hat mehr als 10 Stunden betragen bei
a) Johann M am 27.4.1992 11 Stunden, am 28.4.1992 10 Stunden 50 Minuten, am 30.4.1992 11 Stunden 30 Minuten,
b)
Adalbert P am 27.4.1992 11 Stunden, am 29.4.1992 11 Stunden,
c)
Andreas K am 30.4.1992 10 Stunden 30 Minuten
d)
Astrid A am 30.4.1992 10 Stunden 30 Minuten
2) Nach Beendigung der Tagesarbeitszeit am 1.5.1992 betrug die Ruhezeit nicht mindestens 11 Stunden, sondern jeweils nur 10 Stunden bei
a)
Johannes M
b)
Adalbert P
c)
Eva Pr und
d)
Helga J"
Gemäß § 32 Abs 2 VStG kommt als Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung in Betracht und zwar auch dann, wenn - wie im gegenständlichen Fall - die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
Es ist nicht erforderlich, daß in der Verfolgungshandlung das einem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten mit den Worten des gesetzlichen Tatbestandes umschrieben wird. Ausschlaggebend für die Unterbrechung der Verjährung ist vielmehr, daß sich die Verfolgungshandlung auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (vgl VWGH, verstärkter Senat vom 19.10.1978, 1664/75 Slg 9664A, vom 19.9.1984, Slg 11.525A, vom 9.4.1980, Zahl 1426/78 ua).
Die der Bestrafung zugrundeliegenden Tatbestände lauten:
§ 9 Arbeitszeitgesetz:
Abgesehen von den Bestimmungen der §§ 4 Abs 10 zweiter Satz, 5, 7 Abs 2 bis 5, 8 Abs 2, 16, 18 bis 20 und 23 darf die Arbeitszeit 10 Stunden täglich nicht überschreiten und die sich aus § 3 ergebende Wochenarbeitszeit um nicht mehr als 10 Stunden wöchentlich überschreiten. Diese Höchstgrenzen der Arbeitszeit dürfen auch bei Zusammentreffen einer anderen Verteilung der wöchentlichen Normalarbeitszeit mit einer Arbeitszeitverlängerung oder beim Zusammentreffen mehrerer Arbeitszeitverlängerungen nicht überschritten werden.
§ 12 Abs 1 Arbeitszeitgesetz lautet:
Nach Beendigung der Tagesarbeitszeit ist den Arbeitnehmern eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden zu gewähren.
Durch
Kollektivvertrag kann zugelassen werden, daß die ununterbrochene Ruhezeit für männliche Arbeitnehmer nur 10 Stunden beträgt.
§ 26 Abs 1 des Arbeitszeitgesetzes verpflichtet den Arbeitgeber darüber hinaus zur Überwachung der Einhaltung der in diesem Bundesgesetz geregelten Angelegenheiten Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung zu führen. Die Frage, ob sich die zitierte Strafverfügung vom 28.10.1992 auf alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente bezogen hat und damit die ihm vorgeworfene Tat eindeutig umschrieben hat, ist
nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes danach zu beurteilen, ob der Beschuldigte einerseits in die Lage versetzt wurde, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und andererseits davor geschützt
wird, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl VwGH verstärkter Senat vom 3.10.1985, Sammlung 11.894A).
Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten einzelnen Fall zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses und somit auch in der Verfolgungshandlung enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit genügt oder nicht genügt.
Im Anlaßfall wurde dem Berufungswerber hinsichtlich namentlich genannter Arbeitnehmer die konkrete Tagesarbeitszeit und die konkrete
Ruhezeit an genau genannten Tagen vorgehalten und gleichzeitig darauf
hingewiesen, daß hiedurch die maximal zulässige Tagesarbeitszeit überschritten und die mindestens vorgesehene Ruhezeit unterschritten wurde.
Die für die Erfüllung der obzitierten Tatbestände des § 9 und des § 12 Abs 1 des Arbeitszeitgesetzes erforderlichen Sachverhaltselemente wurden dem nunmehrigen Berufungswerber damit zur
Kenntnis gebracht. Durch Kenntnis des ihm hinsichtlich des jeweiligen
Arbeitnehmers vorgeworfenen Tages der Verwaltungsübertretung und durch das ihm gleichzeitig bekanntgegebene Ausmaß der überschrittenen
Tagesarbeitszeit und der unterschrittenen Ruhezeit war es dem Beschuldigten jedenfalls möglich, jeden einzelnen Tatvorwurf gegebenenfalls zu widerlegen, als er dazu lediglich in seinen Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden (§ 26 Abs 1 Arbeitszeitgesetz) nachzusehen gehabt hätte.
Durch die jeweilige Bekanntgabe des Tages der ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretung war der Beschuldigte gleichzeitig vor einem neuerlichen, gleichartigen Tatvorwurf hinsichtlich des gesamten Tages
geschützt.
Es zeigt sich somit, daß sich die - wenngleich von einer unzuständigen Behörde erlassene - Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft M vom 28.10.1992 als Verfolgungshandlung auf alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente bezogen hat.
Da der Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Tat in objektiver Hinsicht nicht bestritten hat, ist die Erfüllung des Tatbildes erwiesen.
Hinsichtlich des Verschuldens ist gemäß § 5 Abs 1 VStG, da zum Tatbestand der vorliegenden Verwaltungsübertretung der Eintritt eines
Schadens oder einer Gefahr nicht gehört, Fahrlässigkeit anzunehmen, soferne der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Dazu hätte der Berufungswerber in seiner Funktion als verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs 2 VStG darzulegen gehabt, daß er alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, die notwendig waren, um die Einhaltung der in Betracht kommenden Arbeitszeit durch die Arbeitnehmer zu ermöglichen (vgl VwGH vom 26.5.1986, Zahl 86/08/0024,
0025).
Eine Kontrolle der Arbeitszeitaufzeichnungen am Ende einer Kalenderwoche - wie dies der Berufungswerber vorbringt - kann jedenfalls nicht ausreichen, um die tägliche Einhaltung der Arbeitszeit durch die Arbeitnehmer wirksam zu überwachen. Schon aus diesem Grund ist dem Berufungswerber somit der Entlastungsbeweis im Sinne des § 5 Abs 1 VStG nicht gelungen. Von einer Geringfügigkeit des Verschuldens im Sinne des § 21 VStG kann aber schon deshalb nicht
gesprochen werden, da der Berufungswerber selbst vorbringt, daß sämtliche ihm zur Last gelegten Übertretungen innerhalb einer Kalenderwoche erfolgten.
Eine derartige Dichte an Arbeitszeitüberschreitungen (bzw Ruhezeitenunterschreitungen), ohne daß diese dem verantwortlichen Beauftragten auffallen und dieser entsprechende Maßnahmen setzt, zeigt schon alleine von zumindest grober Fahrlässigkeit. Vom Absehen der Strafe im Sinne des § 21 VStG konnte daher schon aus diesem Grund
kein Gebrauch gemacht werden.
Hinsichtlich der Strafhöhe war davon auszugehen, daß durch das angelastete Verhalten das gesetzlich geschützte Interesse der Arbeitnehmer an einer ausreichenden Erholung erheblich beeinträchtigt
wurde. Der Unrechtsgehalt der Tat war daher erheblich. Weiters wurde berücksichtigt, daß mit Ausnahme der Arbeitnehmer M Johann und P Adalbert die Überschreitungen der Tagesarbeitszeit weniger als 1 Stunde bzw die Unterschreitungen der Ruhezeit (lediglich) bis zu 1 Stunde betrugen.
Im Hinblick auf die bereits von der Behörde erster Instanz bei der Strafzumessung berücksichtigten durchschnittlichen Einkommensverhältnisse, Vermögenslosigkeit und Sorgepflichten für ein
Kind und Ehefrau sowie im Hinblick auf die bereits berücksichtigte bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit ist die bei einem vorgegebenen Strafrahmen von S 300,-- bis S 6.000,-- im unteren
Bereich verhängte Geldstrafe angemessen und keineswegs zu hoch. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die zitierte Gesetzesstelle.