Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied
Dr Traxler über die Berufung des Herrn , geboren
am , wohnhaft in vertreten durch
Rechtsanwalt , vom 24 02 1995, gegen den Bescheid
der
Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung vom 14 02 1995, Zl 300-27-1994, wegen
Erteilung einer Ermahnung zu Recht erkannt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit S 51 Abs 1 VStG wird der Berufung Folge
gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Berufungswerber gemäß § 21 Abs 1 VStG
eine Ermahnung erteilt. Vorgeworfen wurde ihm, dass er als Fußgänger am 20 10
1993 gegen 11 15 Uhr in Breitenbrunn auf Höhe des Hauses Bruckergasse 43 nicht
den Gehsteig benützt habe, indem er einen Schritt vom Gehsteig auf die Fahrbahn
herabtrat, sodaß er sich mit einem Fuß auf dem Gehsteig und mit einem Fuß auf
der Fahrbahn befand. Er habe dadurch § 76 Abs 1 StVO 1960 verletzt.
In der Berufung wird vorgebracht, dass diese Handlung nicht dem Tatbestand des § 76 Abs 1 StVO unterstellt werden dürfe.
Hierüber hat der Verwaltungssenat erwogen:
Der erste Satz des § 76 Abs 1 StVO enthält zwei Regelungen:
1) Fußgänger haben, auch wenn sie Kinderwagen oder Rollstühle schieben
oder ziehen, auf Gehsteigen oder Gehwegen zu gehen;
2) sie dürfen nicht überraschend die Fahrbahn betreten.
Dem Berufungswerber wurde im vorliegenden Fall vorgeworfen, den erstgenannten
Tatbestand begangen zu haben, und zwar dadurch, dass er einen Schritt vom
Gehsteig auf die Fahrbahn getan habe. Nach dem Akteninhalt erfolgte dieser
Schritt auf die Fahrbahn deshalb, um ein herannahendes Fahrzeug zu beobachten.
Ein Überqueren der Fahrbahn war nicht beabsichtigt.
Dieses Verhalten kann aus folgenden Gründen nicht dem Tatbestand des § 76 Abs 1
erster Satz, erster Halbsatz, unterstellt werden.
Die Vorschrift, dass Fußgänger auf Gehsteigen zu gehen haben, bedeutet, dass
Fußgänger bei ihrer Fortbewegung im Sinne einer Entflechtung des Fahrzeug- und Fußgängerverkehrs nicht die Fahrbahn, sondern den Gehsteig zu benützen haben.
Dabei ist in erster Linie an eine Bewegung des Fußgängers in der Längsrichtung
der Straße gedacht. Ein allgemeines Verbot, bei Vorhandensein eines Gehsteiges
die Fahrbahn zu betreten, wird dadurch nicht normiert. Für ein Betreten der Fahrbahn sieht nämlich § 76 Abs 1 erster Satz, zweiter Halbsatz, vor, dass dies
nicht überraschend geschehen darf. Aus der Zusammenschau beider Regelungen
ergibt sich, dass ein Fußgänger sehr wohl die Fahrbahn betreten darf, allerdings
nicht überraschend für andere Verkehrsteilnehmer. Naturgemäß wird diese
Bestimmung meist immer im Zusammenhang mit einem beabsichtigten Überqueren der Fahrbahn gesehen. Sie bezieht sich aber auf jedes Betreten der Fahrbahn.
Jedenfalls zeigt sich, dass ein Betreten der Fahrbahn grundsätzlich zulässig ist, mit der Einschränkung, dass jedenfalls für die Fortbewegung des Fußgängers in Längsrichtung der Straße ein vorhandener
Gehsteig zu benützen ist.
Im vorliegenden Fall hat der Berufungswerber lediglich einen Schritt auf
die Fahrbahn getan, um ein herannahendes Fahrzeug zu beobachten.
Nach
dem Gesagten kann diese Handlung nicht der Regelung des § 76 Abs 1 erster Satz, erster Halbsatz, unterstellt werden, weil diese Norm kein
absolutes Verbot für das Betreten der Straße ausspricht.
Andererseits
wurde das Verhalten des Berufungswerbers auch nicht dem Tatbestand des
§ 76 Abs 1 erster Satz, zweiter Halbsatz, wonach Fußgänger die Fahrbahn
nicht überraschend betreten dürfen, unterstellt.
Das Verfahren war daher spruchgemäß einzustellen.
Festzuhalten ist, dass aufgrund dieses Ergebnisses des Verfahrens eine
Korrektur des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass die Tatzeit auf
21 10 1993 richtiggestellt wird, unterbleiben konnte.