TE UVS Wien 1995/03/17 03/20/4306/94

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Veröffentlicht am 17.03.1995
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Schopf über die Berufung der Frau Barbara K gegen das Straferkenntnis

der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Alsergrund, vom 4.10.1994, Zl Pst 2405-A/94, wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) § 1/1 WLSG und 2) § 81 SPG entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung in der Schuldfrage keine Folge

gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß der Spruch lautet wie folgt:

"Sie (Barbara K) haben am 12.6.1994 gegen 20.45 Uhr in Wien, F-platz

1) durch lautes Herumschreien und Brüllen von Parolen Richtung gegenüberliegendes Landesgericht I in ungebührlicher Weise störenden Lärm erregt und

2) durch lautes Herumschreien und Brüllen von Parolen in Richtung gegenüberliegendes Landesgericht I sowie durch heftiges Gestikulieren

mit gestreckter Hand und geballter Faust, somit durch dieses rücksichtslose Verhalten durch öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört und dadurch gegen

1)

§ 1 Abs 1 Z 2 WLSG

2)

§ 81 Abs 1 SPG

verstoßen."

Hinsichtlich der Geldstrafe wird der Berufung zu Punkt 1) keine Folge, zu Punkt 2) dahingehend Folge gegeben, als die Geldstrafe von S 1.000,-- auf S 500,--, im Uneinbringlichkeitsfall 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe herabgesetzt wird. Dementsprechend verringert sich der erstinstanzliche Strafkostenbeitrag zu Punkt 2) von S 100,--

auf S 50,--.

Die Strafsanktionsnormen lauten:

"1)

§ 1 Abs 1 WLSG

2)

§ 81 Abs 1 SPG"

Der Berufungswerberin wird gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG ein Beitrag zu

den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 200,--, ds 20 % der verhängten Strafe zu Punkt 1) auferlegt.

Gemäß § 65 VStG hat die Berufungswerberin zu Punkt 2) keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Begründung:

Mit angefochtenem Straferkenntnis wurde der Beschuldigten im wesentlichen wie im gegenständlichen Bescheid umschrieben zur Last gelegt und wurden wegen dieser Verwaltungsübertretungen Geldstrafen von jeweils S 1.000,--, im Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 60 Stunden verhängt und ein erstinstanzlicher Strafkostenbeitrag in der Höhe von S 200,-- zur Zahlung vorgeschrieben.

Dieses Straferkenntnis gründet sich im wesentlichen auf den Inhalt der Anzeige des Revierinspektor Gerhard G vom 12.6.1994, wonach während des Streifendienstes am Tatort zur Tatzeit 30 bis 35 Personen

wahrgenommen werden konnten, die mittels mitgeführten Megaphon Parolen in Richtung gegenüberliegendem Landesgericht I brüllten und die Parolen durch heftiges Gestikulieren - gestreckte Hand mit geballter Faust - unterstützten. Was in das Megaphon geschrieen wurde

habe nicht verstanden werden können, habe aber überlaut und störend gewirkt. Durch die auf dem Gehsteig stehenden Personen sei es für die

anderen Fußgänger unmöglich gewesen, diesen zu benützen und hätten auch mehrere Fußgänger und Parkbesucher ihren Unmut kundgetan, weshalb durch das Verhalten der Versammlungsteilnehmer die Ordnung an

einem öffentlichen Ort gestört worden sei. Um mit den Verantwortlichen der Veranstaltung Kontakt aufzunehmen sei der Meldungsleger aus dem Funkwagen gestiegen, worauf die Versammlungsteilnehmer fluchtartig den Ort verlassen und sich zerstreut hätten. Nur fünf Personen hätten angehalten werden können, hätten aber hinsichtlich des Grundes des Zusammenkommens keine Auskunft geben können.

Weiters liegt dem Straferkenntnis die Zeugenaussage des Inspektor H und des Inspektor Gerhard G zugrunde. In diesen zeugenschaftlichen Einvernahmen bestätigten die beiden Sicherheitswacheorgane ihre Angaben in der Anzeige und ergänzten, daß der verursachte Lärm durch Megaphon und Trommel übermäßig laut war und daß die Beteiligten sowohl auf dem Gehsteig wie auch auf der Grünfläche standen. Die Beschuldigte rechtfertigte sich im erstinstanzlichen Verfahren dahingehend, daß sie weder auf dem Gehsteig noch auf der Grünfläche durch lautes Herumschreien ungebührlich störend und vermeidbaren Lärm

erregt habe und daher weder dadurch noch durch wildes Gestikulieren Ärgernis anderer Personen erregt und die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört habe.

In ihrer rechtzeitig eingebrachten Berufung wurde seitens der Beschuldigten vorgebracht, daß aus der Anzeige nicht hervorgehe, daß die Zeugen angeben könnten, daß sie persönlich am Gehsteig gestanden,

gebrüllt und gestikuliert habe. Im Unterschied dazu sei in der zeugenschaftlichen Einvernahme angegeben worden, "die Beteiligten standen sowohl auf dem Gehsteig als auch auf der Grünfläche". Sie hingegen sei auf der Grünfläche gemeinsam mit vier anderen Personen festgehalten worden. Die Rechtsmittelwerberin stellte daher den Antrag auf Einstellung des Verfahrens.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte eine öffentliche mündliche Verhandlung durch zu der die Berufungswerberin und die beiden Zeugen sowie die Behörde erster Instanz geladen waren. Die bei der Verhandlung anwesende Berufungswerberin verweigerte Auskünfte zum Sachverhalt sowie Angaben hinsichtlich ihrer allseitigen Verhältnisse.

Die einvernommenen Zeugen gaben folgendes über Befragen an:

Herr RevI Gerhard G:

"Hinsichtlich der Berufungswerberin kann ich nur sagen, daß sie bei der Gruppe dabei war, ob sie tatsächlich geschrieen hat bzw wie im Straferkenntnis umschrieben gestikuliert hat, kann ich nicht sagen. Allgemein zum Verhalten der Gruppe ist zu sagen, daß mit einem Megaphon in Richtung Landesgericht geschrieen wurde, in diese Richtung auch die Faust gezeigt wurde und daß auch eine Trommel verwendet wurde. Die Worte selbst, die von der Gruppe verwendet wurden, konnten wir nicht hören, wir sind mit dem Funkwagen dorthingekommen, und als wir ausstiegen, hat sich die Gruppe zerstreut. Die später angezeigten Personen wurden etwa 100 m weiter weg, in dem Park vor dem Landesgericht, angehalten. Bis zum Anhalteort sind wir den Angezeigten nachgelaufen, es war ganz sicher nachvollziehbar, daß sie der Gruppe zugehörten.

Über Befragen der BW gebe ich an:

Wir konnten nur einer Gruppe folgen, da wir damals nur zu zweit

waren."

Herr Insp H:

"Die Berufungswerberin ist mir erst aufgefallen, als die Demonstranten den Platz verließen. Wir konnten nur den später Angezeigten folgen und gaben diese bei der Anhaltung weder den Grund der Demonstration noch einen Verantwortlichen an. Begonnen hat die Amtshandlung damit, daß, als wir mit dem Funkwagen vorbeifuhren, wir die Demonstranten gesehen haben und hörten, daß geschrieen wurde, konkret wurde ein Megaphon verwendet und war auch eine Trommel dabei.

Wir sind dann ausgestiegen und in diesem Moment sind die Demonstranten davongelaufen. Wir wollten nur den Grund der Demonstration erfahren und sind deshalb den später Angezeigten gefolgt. Die anderen Teilnehmer haben zu den durch das Megaphon erfolgten Äußerungen mitgeschrieen und auf die Trommel geschlagen. Dabei wurde auch mit der geballten Faust in Richtung Landesgericht gezeigt."

Die Beschuldigte verwies hernach noch auf Ungenauigkeiten bei den Ermittlungsergebnissen und darauf, daß die unter 1) und 2) in der Strafverfügung genannten Taten nicht verifizierbar seien. Seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien konnten hinsichtlich

der entscheidungswesentlichen Tatsachenschilderungen der Zeugen die behaupteten Widersprüchlichkeiten nicht gefunden werden. Die Angaben der beiden Sicherheitswachebeamten in der Anzeige bzw in den Zeugenaussagen vor der Erst- und vor der Berufungsinstanz erscheinen hinsichtlich des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes durchaus widerspruchsfrei, schlüssig und nachvollziehbar. Beide Zeugen vermittelten bei ihrer unter Wahrheitspflicht und der Strafsanktionsdrohung des § 289 StGB abgegebenen Zeugenaussage überdies einen durchaus gefestigten und überzeugenden Eindruck. Es bestand somit keine Veranlassung, diese Schilderungen gegenständlicher Entscheidung nicht zugrundezulegen. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien geht somit von folgender Sachverhaltsannahme aus:

Die Berufungswerberin war Teilnehmer einer ca 30 bis 35 Personen umfassenden Demonstration am 12.6.1994 um etwa 20.45 Uhr. Die dieser Demonstration zugehörigen Personen standen in Wien, F-platz auf dem Gehsteig und teilweise in der Grünfläche, schrieen und brüllten teilweise mit mitgeführten Megaphonen Parolen in Richtung gegenüberliegendes Landesgericht I. Diese Parolen wurden durch heftiges Gestikulieren - gestreckte Hand mit geballter Faust - unterstützt. Durch das Herumschreien wurde übermäßiger Lärm erzeugt, durch das Verhalten der Demonstrationsteilnehmer die Ordnung an dem öffentlichen Ort insoweit gestört, als weitere dort anwesende Personen ihren Unmut hinsichtlich des Verhaltens kundtaten.

Zu Punkt 1):

§ 1 Abs 1 Z 2 Wiener Landessicherheitsgesetz normiert, daß derjenige,

der ungebührlicherweise störenden Lärm erregt, eine Verwaltungsübertretung begeht und mit Geldstrafe bis zu S 10.000,--, im Fall der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu

einer Woche, zu bestrafen ist.

Lärm ist dann störend, wenn er seiner Art und/oder Intensität nach geeignet ist, das Wohlbefinden normal empfindender Menschen zu beeinträchtigen (VwGH vom 25.5.1983, Zl 83/10/0078). Das Erregen störenden Lärms erfolgt dann in ungebührlicherweise, wenn das Tun oder Unterlassen, das zur Erregung des Lärmes geführt hat, gegen ein Verhalten verstößt, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden muß und jene Rücksichtnahme vermissen läßt, die die Umwelt verlangen kann (vgl VwGH vom 25.10.1948, Slg Nr 543/A und vom 30.1.1973, Zl 315/71, ua). Dabei genügt es, daß die Lärmerregung nach

einem objektiven Maßstab geeignet erscheint, von nicht beteiligten Personen als ungebührlich und störend empfunden zu werden. Daß ein lautes Herumschreien und das Brüllen von Parolen, dies unter Verwendung eines Megaphons und unter Verwendung von einer Trommel um

20.45 Uhr vor dem Landesgericht als störend empfunden wird und jene Rücksichtnahme vermissen läßt, die die Umwelt verlangen kann, bedarf wohl keiner näheren Erläuterung. Im übrigen konnte sich die erkennende Behörde in Ansehung der Störung auf die von den Meldungslegern vorgenommenen Sachverhaltsschilderungen und auf deren Empfindungen stützen.

Zu Punkt 2):

§ 81 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz normiert, daß derjenige, der durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung nur

geringfügig stört, eine Verwaltungsübertretung begeht und mit Geldstrafe bis zu S 3.000,-- zu bestrafen ist.

Der Begriff "öffentliche Ordnung" umfaßt die Gesamtheit jener ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Befolgung als unentbehrliche Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinanderleben der Menschen angesehen wird (VwGH vom 25.10.1948, Slg Nr 543/A, 9.7.1984, 84/10/0080). Maßstab dafür, ob ein Verhalten Ärgernis zu erregen geeignet ist, sind die guten Sitten. Wird durch eine Verletzung der guten Sitten bei anderen die lebhafte Empfindung des Unerlaubten und Schändlichen hervorgerufen, wird man von einem Ärgernis sprechen können (VwGH vom 14.5.1968, Zl 1759/67).

Das Schreien und Brüllen von Parolen und Gestikulieren in Richtung eines Landesgerichtes, somit einer Einrichtung, der Respekt entgegenzubringen ist, ist zweifellos geeignet, bei einem unbefangenen Menschen die lebhafte Empfindung nicht nur des Unerlaubten, sondern auch des Schändlichen hervorzurufen, da dieses Verhalten gegen jene ungeschriebenen Regeln über das Verhalten der Einzelnen in der Öffentlichkeit verstößt, deren Befolgung als unentbehrliche Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinanderleben der Menschen angesehen wird.

Die Berufungswerberin hat sich durch ihr Verhalten der Öffentlichkeit

gegenüber besonders rücksichtslos verhalten. Aus dem oben als erwiesen angenommenen Sachverhalt ergibt sich, daß die Berufungswerberin die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört hat.

Zu der Begehung derartiger Delikte in einer Gruppe hat der Verwaltungsgerichtshof mit Entscheidung vom 24.5.1982, 592/80, ZfVB 1983/1229 unter anderem ausgeführt, daß durch die Beteiligung an Sprechchören im Rahmen einer gesetzlich nicht zulässigen Versammlung,

dort nämlich, um dadurch gegen ein Ferngehaltenwerden zu protestieren, ein Verhalten gesetzt wurde, das sogar dann objektiv geeignet ist, Ärgernis zu erregen, wenn das Ferngehaltenwerden vom Täter als Unrecht eingestuft wird, ist es doch geeignet, auch in einem unbefangenen Menschen jene lebhafte Empfindung des Unerlaubten hervorzurufen, das gemeinhin als Ärgernis bezeichnet wird. Ein solches Verhalten muß, um Ärgernis zu erregen nicht auch zu Zusammenlauf von Menschen führen, es muß vielmehr nur unmittelbar oder mittelbar zur Folge haben, daß ein Zustand geschaffen wird, der geordneten Verhältnissen an einem öffentlichen Ort widerspricht. Bei einem Gruppenverhalten kommt es nicht entscheidend darauf an, auch das von den einzelnen Teilnehmern jeweils gesetzte Verhalten (etwa das Schreien bestimmter Parolen, das Singen bestimmter Lieder) festzuhalten, rechtlich bedeutsam ist vielmehr das Mitwirken an der Aktion der Gruppe und damit die solcherart qualifizierte Teilnahme an

einem von der Behörde als verpönt erachteten Gesamtverhalten einer Personenmehrheit.

Das von der Berufungswerberin gesetzte Verhalten erweist sich somit im Hinblick auf die gesetzlichen Bestimmungen sowie auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als Übertretung der in Rede stehenden Normen, weshalb der Berufung in der Schuldfrage keine Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich zu bestätigen war.

Die Abänderung im Spruche diente der exakten Tatumschreibung und der Anpassung an den Straftatbestand bzw der richtigen Zitierung der heranzuziehenden gesetzlichen Bestimmungen.

Die Strafe zu Punkt 2) war im Hinblick auf die gesetzliche

Strafdrohung spruchgemäß herabzusetzen.

Zur Strafbemessung zu Punkt 1) und 2):

Eine (weitere) Herabsetzung der Geldstrafen kam aus folgenden

Gründen

nicht in Betracht:

Die Taten schädigten das durch die gesetzliche Vorschrift geschützte Interesse an der Beachtung der am Zusammenleben mit anderen gebotenen

Rücksicht, weshalb der Unrechtsgehalt der Taten als nicht gering zu werten war.

Das Verschulden der Berufungswerberin war als erheblich anzusehen, da

das durchgeführte Ermittlungsverfahren gezeigt hat, daß sie vorsätzlich gehandelt hat, hat sie doch die Folgen ihres Verhaltens, die offenkundig sind, durchaus bewußt in Kauf genommen. Bei der Strafbemessung wurde zugunsten der Berufungswerberin von verwaltungsstrafrechtlicher Unbescholtenheit ausgegangen, sowie die Einkommens- und Vermögenslosigkeit und das Fehlen einer gesetzlichen Sorgepflicht berücksichtigt.

Eine (weitere) Herabsetzung der Strafen kam dennoch nicht in Betracht, weil in Anbetracht der Strafsätze von S 10.000,-- zu Punkt

1) und S 3.000,-- zu Punkt 2), die nunmehr bemessenen Geldstrafen ohnedies sehr mild sind, und eine Herabsetzung der Strafen in keinem Verhältnis mehr zu dem festgestellten Unrechtsgehalt der Taten und dem Verschulden der Berufungswerberin stehen würde. Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens

stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 64 Abs 1 und 2 VStG.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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