Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Hollinger über die Berufung des Herrn Wolfgang B gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Schmelz, vom 8.11.1994, Zl Pst 341/Z/93, wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) § 1 Abs 1 Z 1 WLSG und 2) § 81 Abs 1 SPG entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
Der Berufungswerber hat daher gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 400,--, das sind 20 % der verhängten Geldstrafen, zu bezahlen.
Begründung:
Das angefochtene Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Schmelz, vom 8.11.1994, Zl Pst 341/Z/93, enthält folgenden Spruch:
"Sie haben am 22.1.1993 um 11.28 Uhr in Wien, Westbahnhof durch lautstarke Beschimpfungen wie zB "ihr seids alle Arschlöcher in Uniform", "ihr könnts alle scheißen gehen", "verpißt euch" usw 1) den
öffentlichen Anstand empfindlich verletzt, 2) ein Verhalten gesetzt, das geeignet war, Aufsehen und Ärgernis zu erregen und auch tatsächlich erregt hat und sohin die Ordnung an einem öffentlichen Orte empfindlich gestört.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
1) § 1 Abs 1 Z 1 WLSG 2) § 81 Abs 1 SPG"
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden gemäß Punkt 1) § 1 (1) WLSG und Punkt 2) § 81 Abs 1 SPG jeweils S 1.000,--, im Uneinbringlichkeitsfalle jeweils 1 Tag Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.
Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerechte Berufung des Beschuldigten, in welcher dieser im wesentlichen ausführt, daß es
sich bei seinen Verhalten lediglich um eine berechtigte bzw gerechtfertige Entrüstung gehandelt habe. Er habe keinen Polizeibeamten angeschrien, sondern die am Tatort befindlichen ÖBB Bediensteten, dies deshalb, weil er von diesen zuvor nach dem Aussteigen aus dem Zug tätlich angegriffen worden sei. Nur aufgrund dieses Umstandes habe er zu schreien begonnen, da er sehr aufgebracht
gewesen sei. Da es sich seiner Meinung nach um eine begreifliche Gemütserregung gehandelt habe, ersuche er das Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn einzustellen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 8.3.1995 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Im Zuge dieser Verhandlung wurde der Berufungswerber selbst einvernommen sowie der Meldungsleger, der Zeuge Inspektor Manfred P.
Der Berufungswerber führte aus:
"Ich bin damals nur aus dem Zug gestiegen, da kamen zwei Bahnbeamte und haben mich tätlich angegriffen. Es war so, daß ich sogar unter dem Zug zum Liegen gekommen bin. Ich habe daher zu schreien begonnen,
um auf meine Siutation aufmerksam zu machen. Ich bin auch zum Amtsarzt gegangen und wurde dort untersucht. Das Verfahren gegen die zwei Beamten wegen Körperverletzung wurde jedoch wegen Geringfügigkeit eingestellt und ich wurde auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Es kam dann die Polizei und machte mich der Polizeibeamte darauf aufmerksam, daß ich ruhig sein soll und war ich ab dann ruhig."
Herr Insp Manfred P gab zeugenschaftlich einvernommen an:
"Ich kann mich noch in etwa an den Vorfall erinnern. Es war so, daß ich damals verständigt wurde, Aufforderer waren Bahnbeamte. Ich begab
mich zum Westbahnhof und wurde mir dort von dem Aufforderer berichtet, daß der BW angeblich im Zug die Füße auf einer Sitzbank gehabt hat und sie auch auf Aufforderung nicht heruntergegeben hat. Wir begaben uns zum Expositurwachzimmer im Bahnhof und nahm ich dort die Daten des BW auf. Der BW hat herumgeschrien, er hat die Beamten beschimpft. Der BW hat mit seinem Schreien den Lärm im Bahnhof bei weitem übertönt. Passanten bzw andere Fahrgäste haben geschaut was los ist und haben sich gestört und belästigt gefühlt. Ich habe den BW
mehrmals abgemahnt, er soll sein Verhalten einstellen. Er hat jedoch darauf nicht reagiert. Ich versuchte beruhigend auf den BW einzuwirken und hat sich die Amtshandlung daher in die Länge gezogen.
Der BW wollte das Expositurwachzimmer zunächst nicht verlassen, sondern wollte mit dem Bahnvorstand sprechen. Wir begaben uns dann daraufhin zum Vorstand und verlangte der BW nicht nur die Dienstnummern der Bahnbeamten sondern auch deren Namen.
Schlußendlich
ging dann der BW."
Der Beschuldigte führte abschließend aus:
"Ich bleibe dabei, daß ich mich nur aus gerechtfertigter Empörung lauter verhalten habe. Ich wurde im Wachzimmer von den Bahnbeamten beschimpft und habe mich daher beim Bahnvorstand beschweren wollen. Ich habe mich auch beschwert und wurde der Beamte intern verwiesen. Meine Jacke wurde zerrissen und ich wurde verletzt, was auch vom Amtsarzt festgestellt wurde. Ich habe mich lediglich gegen das Verhalten der Beamten gewehrt."
Gemäß § 1 Abs 1 Ziffer 1 Wiener Landes-Sicherheitsgesetz (WLSG) begeht derjenige, der den öffentlichen Anstand verletzt, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu Schilling 10.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 1 Woche zu bestrafen.
Gemäß § 81 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) begeht derjenige, der
durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu Schilling 3.000,--, zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu 1 Woche, im Wiederholungsfall bis zu 2 Wochen verhängt werden.
Aufgrund der schlüssigen und widerspruchsfreien Zeugenaussage des Inspektor P geht der Unabhängige Verwaltungssenat Wien davon aus, daß
der Berufungswerber die ihm zu Last gelegten Taten verwirklichte, in dem er am Tatort lautstarke Beschimpfungen ausstieß und dabei die im Spruch des Straferkenntnisses genannten (Schimpf) Wörter verwendete. Insp P hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien zeugenschaftlich einvernommen inhaltlich klar und widerspruchsfrei und zudem unter der Wahrheitsverpflichtung des § 289 StGB ausgesagt. Außerdem unterliegt der Zeuge auf Grund seines Diensteides und auf Grund seiner verfahrensrechtlichen Stellung nicht
nur der Wahrheitspflicht, sondern treffen ihn im Falle einer Verletzung dieser Pflicht nicht nur straf- sondern auch dienstrechtliche Sanktionen.
Auch konnte die Aktenlage keinerlei Hinweis darüber abgeben, daß der Zeuge den ihm offenbar unbekannten Berufungswerber durch eine unrichtige Aussage wahrheitswidrig einer verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung hätte aussetzen wollen.
In rechtlicher Hinsicht ist folgendes auszuführen:
Zu Punkt 1) Anstandsverletzung:
Der Tatbestand der Verletzung des öffentlichen Anstandes wird durch ein Verhalten erfüllt, das mit den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit nicht in Einklang steht und das einen groben Verstoß gegen diejenigen Pflichten darstellt, die jedermann in der Öffentlichkeit zu beachten hat, wobei dabei der Beurteilung der Verletzung jener Form des äußeren Verhaltens, die nach Auffassung dies hinter der Menschen der Würde des Menschen als sittlicher Person
bei jedem Heraustreten aus dem Privatleben in die Öffentlichkeit entsprechen, ein objektiver Maßstab anzulegen ist (vgl VwGH 30.9.1985, 85/10/0120).
Selbst unter Berücksichtigung eines gewissen Vorstellungs- und Wertewandels im Bereich des Begiffes "öffentlicher Anstand" muß aber das Schreien von Schimpfworten wie "Arschlöcher" von der Gesellschaft
nicht hingenommen werden.
Zu Punkt 2) Ordnungsstörung:
Das Tatbild der Ordnungsstörung ist nach der ständigen
Rechtsprechung
des Verwaltungsgerichtshofes durch zwei Elemente gekennzeichnet: Zum Ersten muß der Täter ein Verhalten gesetzt haben, daß objektiv geeignet ist, Ärger zu erregen; zum Zweiten muß durch dieses Verhalten die Ordnung an einem öffentlichen Orte gestört worden sein.
Die Beurteilung, ob einem Verhalten objektiv die Eignung der Ärgerniserregung zukommt, ist nicht nach dem Empfinden der durch das Verhalten besonders betroffenen Personen vorzunehmen, sondern unter der Vorstellung, wie unbefangene Menschen auf ein solches Verhalten reagieren würden (vgl ua VwGH 24.11.1986, 86/10/0131). Ein lautstarkes Beschimpfen von Beamten ist jedoch zweifellos geeignet, bei einem unbefangenen Menschen die lebhafte Empfindung des
unerlaubten wie auch des schändlichen hervorzurufen, da es durchaus gegen jene ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des einzelnen in der Öffentlichkeit verstößt, deren Befolgung als unentbehrliche Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinander der Menschen angesehen
wird. Das Verhalten des Berufungswerbers hat somit den Tatbestand des
§ 81 Abs 1 SPG zu verwirklichen vermocht, zumal die Ordnung an einem öffentlichen Orte gestört wurde und das Verhalten bei ca 30 Personen - siehe Anzeige - Ärgernis erregte.
Der Berufungswerber ist weiters darauf hinzuweisen, daß das Vertreten
eines Rechtsstandpunktes niemanden berechtigt zu randalieren, herumzuschreien und Personen wüst zu beschimpfen, somit die ihm durch
das WLSG und des SPG gesetzten Grenzen zu überschreiten (vergleiche in diesem Zusammenhang VWGH vom 19.3.1968, 1343/67 und viele andere).
Auch wenn der Berufungswerber über das vorangegangene Verhalten der ÖBB Beamten äußerst entrüstet gewesen sein mag, so konnte dies dennoch nicht sein später gegenüber den Beamten bzw dem Sicherheitswacheorgan gezeigtes Verhalten entschuldigen. Dies gilt auch dann, wenn er laut seinem Vorbringen angeblich von den ÖBB Beamten "beschimpft" wurde, denn dabei darf nicht außer acht gelassen
werden daß dieser "Ton" nach der Aktenlage die Reaktion auf sein bis dahin gezeigtes unangemessen heftiges Verhalten war. Anhaltspunkte dafür, daß der Berufungswerber - wie er selbst vorbringt - von den ÖBB Beamten tatsächlich unter den Zug gestoßen wurde, sodaß er unter dem Zug zum Liegen gekommen ist, sind im Verfahren von dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien nicht hervorgekommen. Es war daher das Straferkenntnis in der Schuldfrage zu bestätigen.
Zur Strafbemessung ist noch folgendes auszuführen:
Die Taten schädigten in erheblichem Maße das Interesse an einem ordnungsgemäß und ruhigen Zusammenleben der Menschen, an einer Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordung und an der Hintanhaltung von Beeinträchtigungen des örtlichen Gemeinschaftslebens.
Der Unrechtsgehalt der Taten war daher beträchtlich. Das Verschulden des Berufungswerbers kann nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist, noch aufgrund der Tatumstände anzunehmen war, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.
Auf die ungünstigen Einkommensverhältnisse, die Vermögenslosigkeit aber auch auf das Fehlen von gesetzlichen Sorgepflichten wurde Bedacht genommen.
Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kommt dem Berufungswerber nicht mehr zugute. Das Fehlen einschlägiger
Verwaltungsvormerkungen wurde schon von der Behörde I. Instanz berücksichtigt.
Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und auf den zu
1.)
bis S 10.000,--, zu 2.) bis S 3.000,-- reichenden Strafsatz, sind die
verhängten Geldstrafen durchaus angemessen und keineswegs zu hoch, zumal im Verfahren keine besonderen Milderungsgründe hervorgekommen sind.
Eine Herabsetzung der Geldstrafen kam daher auch unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Strafsätze aufgrund des beträchtlichen Unrechtsgehaltes nicht in Betracht, zumal die Strafe zu Punkt 1.) ohnedies sehr milde bemessen wurde.
Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens
stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 64 Abs 1 und 2 VStG.