TE UVS Wien 1995/05/23 02/31/14/95

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Veröffentlicht am 23.05.1995
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr Schnizer-Blaschka über die Beschwerde der Frau Beatric Maria K, vertreten durch Rechtsanwalt, gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Festnahme und Anhaltung wegen Verdachts der Geheimprostitution) entschieden:

Der Beschwerde wird Folge gegeben und die am 10.2.1995, um 01.10 Uhr erfolgte Festnahme der Beschwerdeführerin im Lokal "J", Wien, S-gasse, und ihre daran anschließende Anhaltung am Bezirkspolizeikommissariat bis ca 09.30 Uhr desselben Tages durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien gemäß § 67c Abs 4 AVG für rechtswidrig erklärt.

Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin gemäß § 79a AVG Kosten in Höhe von S 8.453,-- binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Text

Begründung:

I.1. In ihrer Beschwerde vom 22.3.1995 beantragt die Beschwerdeführerin, der Unabhängige Verwaltungssenat Wien möge nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung kostenpflichtig feststellen, daß sie "durch ihre Festnahme um 01.10 Uhr des 10.2.1995 durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien im Lokal "J", Wien, S-gasse und ihre nachfolgende Anhaltung bis 09.30 Uhr des gleichen Tages im Wachzimmer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit sowie in ihrem Recht, nicht entgegen der Bestimmungen der §§ 35 und 36 VStG festgenommen oder angehalten zu werden, verletzt worden" sei. An Kosten wurden Schriftsatzaufwand in Höhe von S 8.333,--, Verhandlungsaufwand von S 10.400,--, sowie Ersatz von Stempelgebühren in Höhe von S 120,-- verzeichnet.

Begründend führt die Beschwerdeführerin im wesentlichen aus, am 10.2.1995 gegen 01.00 Uhr hätten Sicherheitswachebeamte das betreffende Nachtlokal betreten und sie zur Ausweisleistung aufgefordert. Dieser Aufforderung habe sie durch Vorweis ihres Führerscheines sofort Folge geleistet, womit ihre Identität unzweifelhaft geklärt gewesen sei. Trotzdem sei sie von den Sicherheitswachebeamten festgenommen und auf das Polizeikommissariat gebracht worden, wo sie arrestiert worden sei. Ihre Festhaltung habe bis 09.30 Uhr angedauert und sei erst nach Intervention ihres rechtsfreundlichen Vertreters sofort aufgehoben worden. Die Organe der BPD Wien seien zur Verhaftung der Beschwerdeführerin nicht berechtigt gewesen, da sie weder bei Begehung eines nach Straf- oder Verwaltungsgesetzen strafbaren Verhaltens auf frischer Tat betreten worden sei, noch ein vertretbarer Verdacht dahingehend bestanden habe, daß sie in der Fortsetzung einer strafbaren Handlung verharren oder sie zu wiederholen suchen würde.

2. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, nahm vor der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und verzichtete auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

II. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien geht bei der gegenständlichen Entscheidung von jenem Sachverhalt aus, den der die Festnahme durchführende Beamte der belangten Behörde, BzI L, in seiner polizeilichen Anzeige vom 10.2.1995 dargelegt hat.

Danach hat sich folgendes ereignet:

Am 10.2.1995, um 01.00 Uhr, kontrollierte BzI L im Zuge einer Aktion Planquadrat das in Wien, S-gasse, gelegene Nachtlokal "J". Dabei stellte er fest, daß sich dort mehrere weibliche, äußerst spärlich bekleidete und offensichlich auf "Kunden" wartende Damen in der Bar aufhielten. Das Lokal ist von der Straße her als Animierlokal mit roter Beleuchtung gekennzeichnet und es sind Separees mit breiten Betten und Dusche eingerichtet. Der Beamte traf die Beschwerdeführerin, die der Behörde eine Ausübung der Prostitution nicht gemeldet hatte, mit einem männlichen Begleiter in einem der Zimmer an, wobei die Angetroffenen eben im Begriff waren, sich anzukleiden. BzI L ging aufgrund der äußeren Umstände (zerwühltes Bett, körperliche Erregung der beiden Angetroffenen) und der Angaben des bei der Kontrolle angetroffenen Mannes, wonach dieser mit der Beschwerdeführerin angeblich Sekt und Gin Tonic konsumiert und danach Geschlechtsverkehr ausgeübt hätte, wofür er noch bezahlen müsse, davon aus, daß die Beschwerdeführerin der Prostitution nachgehe. Da die Beschwerdeführerin laut ihrer eigenen Angabe seit drei Wochen im betreffenden Lokal arbeite, wurde sie wegen Verdachts der Geheimprostitution (§ 6 Abs 1, § 8 Abs 1 Z 2 Wiener Prostitutionsgesetz) "gemäß § 53/3 VStG (Wiederholungsgefahr) festgenommen und dem Kommissariat überstellt".

Dort wurde die Beschwerdeführerin über Nacht angehalten und nach ihrer Einvernahme wegen des Verdachts unerlaubter Prostitutionsausübung gegen 09.30 Uhr entlassen.

Die Identität der Beschwerdeführerin stand vor der Festnahme aufgrund ihres Führerscheines fest. Vor der Festnahme wurde die Beschwerdeführerin nicht ermahnt, ihr unerlaubtes Verhalten einzustellen.

III. Rechtlich ergibt sich aufgrund dieses Sachverhaltes folgendes:

Gemäß § 35 VStG dürfen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes außer den gesetzlich besonders geregelten Fällen Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zweck ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen, wenn

1. der Betretene dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist, oder

2. begründeter Verdacht besteht, daß er sich der Strafverfolgung zu entziehen suchen werde, oder

3. der Betretene trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen sucht.

Der hier vom einschreitenden Organ herangezogene und allein in Frage kommende Festnahmegrund der Z 3 leg cit setzt zunächst voraus, daß das die Festnahme aussprechende Sicherheitswacheorgan mit gutem Grund - und damit vertretbar - zur Auffassung gelangen durfte, daß die Beschwerdeführerin eine Verwaltungsübertretung begangen habe.

Angesichts der sich dem einschreitenden Beamten bietenden, unter Punkt II. dargestellten Situation konnte dieser zwar mit gutem Grund annehmen, daß die Beschwerdeführerin unerlaubterweise die Prostitution ausübte (Ausübung der Prostitution, ohne dies vorher der Behörde gemeldet zu haben; Verwaltungsübertretung nach § 8 Abs 1 Z 2 iVm § 6 Abs 1 Wiener Prostitutionsgesetz).

Es mangelt jedoch an der für die Rechtmäßigkeit einer Festnahme nach § 35 Z 3 VStG erforderlichen Abmahnung (VfSlg 10.376/85). Die Abmahnung hätte sich unmittelbar auf das vom Beamten wahrgenommene strafbare Verhalten beziehen und darauf abzielen müssen, eben dieses zu beenden. Erst dann, wenn die Beschwerdeführerin dieser Abmahnung nicht Folge geleistet hätte, wäre ihre Festnahme nach § 35 Z 3 VStG gerechtfertigt gewesen (VwSlg 11.426/1987). Da eine solche Abmahnung aber nicht erfolgte, ging die Festnahme nicht rechtmäßig vonstatten. Die Festnahme - samt daran anschließende Anhaltung - war daher für rechtswidrig zu erklären. IV. Der Kostenzuspruch an die Beschwerdeführerin gründet sich auf § 79a AVG, für die Berechnung der Höhe wird auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen: Danach hat sich der unabhängige Verwaltungssenat bei der Entscheidung über den Kostenersatz nach § 79a AVG an den Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG iVm der auf § 49 VwGG gestützten Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze vor dem Verwaltungsgerichtshof, BGBl Nr 416/1994, zu orientieren. Hiebei sind die in dieser Verordnung angeführten Pauschalsätze unter Bedachtnahme auf den Grundsatz einer Abstufung des Kostenersatzes im Verfahren entsprechend der Unter- bzw Überordnung der angerufenen Behörden und der damit verbundenen verschiedenartigen Mühewaltung um ein Drittel (gerundet) zu kürzen. (vgl ua die Erkenntnisse des VwGH 23.9.1991, 91/19/0162 und 91/19/0226 sowie 30.9.1991, 91/19/0163 und 91/19/0165).

Demnach war der Beschwerdeführerin Schriftsatzaufwand in Höhe von S 8.333,--, und Ersatz für Bundesstempel von S 120,--, insgesamt sohin S 8.453,--, zuzusprechen.

Das den Ersatz von Verhandlungsaufwand betreffende Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil ein solcher Aufwand mangels Durchführung einer Verhandlung nicht entstanden ist.  Der Kostenersatz war im Sinne der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts dem Land aufzuerlegen, weil die einschreitenden Organe für diesen Rechtsträger funktionell tätig wurden (vgl VfSlg 11.335/1987).

Die Entscheidung konnte gemäß § 67d Abs 1 AVG ohne die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung ergehen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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