TE UVS Wien 1995/06/21 04/A/40/143/95

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Veröffentlicht am 21.06.1995
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch den Vorsitzenden Dr Suchomel, den Berichter Dr Grünstäudl und den Beisitzer Mag Cordes über die Berufung des Herrn Moshe Yaakov H vom 26.3.1995 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 2. Bezirk, vom 14.3.1995, Zahl MBA 2 - S 10076/94,

wegen Übertretung des § 129 Abs 2 der Bauordnung für Wien, LGBl für Wien Nr 11/1930, idF LGBl Nr 34/1992, idF LGBl Nr 49/1993 iVm § 9 des

VStG 1991, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung in der Schuldfrage keine

Folge

gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß

a) das Wort "Eigentümer" in der Tatumschreibung durch "Miteigentümer"

ersetzt wird, daß

b) die Tatumschreibung unter Punkt 2) zu lauten hat:

"2) die Konstruktion des Dachstuhles des Steildaches im Bereich der Waschküche zu erneuern",daß

c) jeweils nach den Worten "§ 135" die Worte "Abs 1 und Abs 3" eingefügt werden und daß

d) die Wortfolge "in der Fassung LGBl Nr 34/1992" enfällt. Der Berufung gegen die Strafhöhe wird jedoch insoferne Folge gegeben,

als die Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen auf 3 Tage herabgesetzt wird.

Gemäß § 65 VStG hat der Berufungswerber daher keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Begründung:

Dem Berufungswerber wurde zur Last gelegt:

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der A GesmbH zu verantworten, daß diese Gesellschaft als Eigentümer des Hauses in Wien, E-straße in der Zeit vom 2.11.1993 bis 17.10.1994 insofern nicht für die Erhaltung der Baulichkeit und der dazugehörigen Anlagen

in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung für Wien entsprechendem Zustand gesorgt hat, als diese Gesellschaft es unterließ,

1) die Flügel und Stöcke der Gangfenster gegenüber den Wohnungen Top Nr 27 im 2. Stock Top Nr 35 und 36 im 3. Stock sowie Top Nr 44 im 4. Stock wiederherzustellen bzw zu erneuern,

2) die Konstruktion des Dachstuhles des Steildaches im Bereich der Waschküche durchzuführen,

3)

die Eindeckung des gesamten Steildaches niederschlagsdicht sowie

4)

den Verputz im Stiegenhaus im letzten Stock und in der Waschküche instandzusetzen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 135 in Verbindung mit § 129 Absatz 2 der Bauordnung für Wien, LGBl für Wien Nr 11/1930, in der Fassung LGBl Nr 34/1992, in der Fassung LGBl Nr 49/1993 in Verbindung mit § 9 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von Schilling 15000.00. Falls diese uneinbringlich ist,

Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen.

gemäß § 135 leg cit Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu

zahlen:

1500.00 Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10% der Strafe.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 16.500,00 Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."

Dagegen erhob der Beschuldigte rechtzeitig die als Einspruch bezeichnete Berufung mit folgendem Wortlaut:

"Sehr geehrte Herren!

Ich erhebe gegen den Bescheid vom 14.3.1995 Einspruch:

Begründung:

In dem im Bescheid angeführten Zeitraum war das Haus Wien, E-straße bereits im Wohnungseigentum und somit waren noch zahlreiche mehrere Miteigentümer an der Liegenschaft.

Die Entscheidungskraft lag daher nicht in unserem Bereich und unter unserem Einfluß und es gelang auch dem Verwalter nicht hier einen Konsens zu schaffen.

Mit vorzüglicher Hochachtung,

Wien, 26.3.1995"

Aufgrund der Aktenlage im Zusammenhalt mit dem Berufungsvorbringen steht somit unbestrittenermaßen fest, daß die im Straferkenntnis genannten Baumängel im angelasteten Tatzeitraum vorlagen und die A GesmbH die im Straferkenntnis genannten Instandsetzungsarbeiten während dieser Zeit nicht durchführen ließ. Unbestritten und durch das Grundbuch belegt ist weiters, daß (auch) die genannte Gesellschaft im Tatzeitraum Miteigentümerin des verfahrensgegenständlichen Hauses in Wien, E-straße war. Die Erfüllung des Tatbestandes in objektiver Hinsicht ist somit erwiesen.

Der Berufungswerber als unbestrittenermaßen handelsrechtlicher Geschäftsführer der A GesmbH bestreitet mit seinem Berufungsvorbringen ausschließlich die Erfüllung der subjektiven Tatseite, indem er einerseits darauf verweist, daß nicht nur die A GesmbH, sondern "noch zahlreiche mehrere Miteigentümer an der Liegenschaft", die Wohnungseigentum am gegenständlichen Haus hatten, vorhanden gewesen seien und daß andererseits auch der Verwalter des Hauses keinen Konsens (zwischen den Wohnungseigentümern) hinsichtlich

der Durchführung der gegenständlichen Erhaltungsarbeiten zustande brachte.

Diesem Berufungsvorbringen ist aus folgenden Gründen der Erfolg verwehrt:

Gemäß § 129 Abs 2 Bauordnung hat der Eigentümer (jeder Miteigentümer)

dafür zu sorgen, daß die Gebäude und die baulichen Anlagen in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden.

Von der Notwendigkeit der gegenständlichen Erhaltungsarbeiten wußte der Berufungswerber spätestens seit dem Bauauftrag Zl MA 37/ E-straße/3858/93, mit welchem die Behebung der im Straferkenntnis genannten Baumängel angeordnet und dazu begründend ausgeführt wurde:

"Die Flügel und Stöcke der Gangfenster gegenüber der Wohnungen Top Nr 27 im 2. Stock, Top Nr 35 und 36 im 3. Stock und Top Nr 44 im

 4. Stock sind stark vermorscht, sodaß die Scheinhaken, Fensterangeln und Verglasung keinen festen Halt mehr finden. Bei dem Gangfenster gegenüber den Wohnungen Top Nr 35 und 36 im 3. Stock fehlt außerdem die Verglasung, gegenüber der Wohnung Top Nr 28 sind die Fensterflügel zugenagelt. Die Konstruktion des Dachstuhles des Steildaches im Bereich über der Waschküche hängt bis ca 0,5 m durch. Außerdem ist die gesamte Eindeckung des Steildaches nicht niederschlagsdicht. Durch die undichte Dacheindeckung kommt es im Bereich der Waschküche zu derart starken Durchnässungen des Mauerwerks im letzten Stock und der Decke in der Waschküche, sodaß der Verputz des Stiegenhausmauerwerks im letzten Stock und in der Waschküche bereits teilweise locker oder gänzlich abgebröckelt ist. Die angeführten Schäden stellen eine Verschlechterung des ursprünglichen, konsens- und bauordnungsmäßigen Zustandes des Hauses dar und sind ihrer Natur nach geeignet, das öffentliche Interesse zu beeinträchtigen, sodaß sie als Baugebrechen im Sinne des § 129 Abs 2 und 4 der Bauordnung für Wien angesehen werden müssen. Der Hauseigentümer ist daher gemäß § 129 Abs 2 und 4 der Bauordnung zur Durchführung der vorgeschriebenen Maßnahmen verpflichtet."

Dabei ist wesentlich, daß es sich bei der Erhaltungspflicht gemäß § 129 Abs 2 BO um eine - unabhängig von einem aufgrund § 129 Abs 4

BO

erlassenen Bauauftrag - zu erfüllende gesetzliche Verpflichtung handelt, der der Verpflichtete ab Kenntnis des bauordnungswidrigen Zustandes nachzukommen hat. Das strafbare Verhalten liegt nämlich nicht in der Nichterfüllung eines auf die Beseitigung des Baugebrechens gerichteten baupolizeilichen Auftrages, sondern in der Verletzung der dem Eigentümer kraft Gesetzes obliegenden Instandhaltungspflicht. Der baupolizeiliche Auftrag nimmt dem Eigentümer nur die Möglichkeit, sich damit zu verantworten, vom Vorhandensein des Baugebrechens keine Kenntnis besessen zu haben. Eine solche Verantwortung ist allerdings auch deswegen nicht durchschlagend, weil jeder Eigentümer verpflichtet ist, sich laufend vom guten Zustand seines Bauwerkes zu überzeugen (VwGH vom 15.11.1960, Zl 2461/59 und vom 4.7.1961, Zl 99/61). Daher kann eine Verwaltungsstrafe wegen Verletzung der Instandhaltungspflicht auch vor Ablauf der im baupolizeilichen Instandsetzungsauftrag festgesetzten Erfüllungsfrist verhängt werden (VwGH vom 15.11.1960, Zl 2461/59).

Da zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs 2 BO (Verletzung der Instandhaltungspflicht) der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und die Verwaltungsvorschrift über das

zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nichts anderes bestimmt, genügt für die Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten; der Täter kann zufolge § 5 Abs 1 VStG nur dann straflos bleiben, wenn er glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Dies kann bei einer Übertretung des § 129 Abs 2 oder 10 BO nur in der Weise erfolgen, daß der (Mit)Eigentümer glaubhaft macht, alles in seinen Kräften Stehende unternommen zu haben, um den gesetzmäßigen Zustand in kürzester Frist herbeizuführen.

Welche Maßnahmen der Eigentümer ergreift, um den bauordnungsgemäßen Zustand so rasch wie möglich herzustellen, muß grundsätzlich ihm überlassen bleiben, sofern nur diese Maßnahmen geeignet sind, zu dem gewünschten Erfolg zu führen (Erk des VwGH vom 14.1.1963, Zl 658/62).

Im gegenständlichen Fall hat sich der Berufungswerber zum einen damit

verantwortet, daß auch andere Wohnungseigentümer vorhanden gewesen seien, deren Einvernehmen hinsichtlich der gegenständlichen Instandsetzungsarbeiten nicht zu erzielen gewesen sei. Damit allein ist jedoch für den Berufungswerber nichts gewonnen, hat er doch nicht

einmal ansatzweise behauptet oder nachgewiesen, daß er dieses Einvernehmen der übrigen Wohnungseigentümer mit allen ihm zur Verfügung gestandenen Mitteln herzustellen versucht hat. Da nämlich gemäß § 15 Abs 1 Z 1 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) jeder Miteigentümer die Entscheidung des Gerichtes darüber verlangen kann, daß Arbeiten für die ordnungsgemäße Erhaltung der gemeinsamen Liegenschaft und der Baulichkeit binnen angemessener Frist durchgeführt werden, wäre es am Berufungswerber gelegen, nachzuweisen, daß er von dieser Möglichkeit Gebrauch machte (vgl auch

VwGH vom 13.9.1983, Zl 83/05/0120). Laut Grundbuch verfügte die A GmbH aber sogar über eine Eigentumsmehrheit am gegenständlichen Haus,

weshalb ihr die Durchsetzung der Erhaltungsarbeiten um so leichter gefallen wäre.

Darüber hinaus lag aufgrund des bereits genannten Bauauftrages vom 2.11.1993 sowie auf Grund der dort begründeten Mängel (Fensterangeln und Verglasung finden keinen Halt mehr, das Steildach war nicht mehr niederschlagsdicht usw) Gefahr im Verzuge vor.

Bei Gefahr im Verzug darf sogar jeder Miteigentümer gemäß § 15 Abs 2 letzter Satz des WEG, und zwar auch ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer die zur Abwehr notwendigen Maßnahmen treffen. Schon aus diesem Grund geht daher der Einwand des Berufungswerbers ins Leere, er habe die notwendigen Erhaltungsarbeiten mangels Zustimmung der Miteigentümer nicht durchführen können. Doch auch der Hinweis in der Berufung, daß für gegenständliches Haus ein Verwalter bestellt war, verhilft dem Berufungswerber nicht zum Erfolg, lautet doch § 135 Abs 3 der Wiener Bauordnung wie folgt:

"Wer die Verwaltung eines Gebäudes ausübt, ist für Verletzungen der dem Eigentümer durch dieses Gesetz oder eine dazu erlassene Verordnung auferlegten Pflichten an dessen Stelle veranwortlich, wenn

die Tat ohne Veranlassung und Vorwissen des Eigentümers begangen wurde. Der Eigentümer ist neben dem Verwalter verantwortlich, wenn er

es bei dessen Auswahl oder Beaufsichtigung an der nötigen Sorgfalt fehlen ließ."

§ 135 Abs 3 BO ergänzt diesbezüglich die Bestimmungen des § 9 VStG betreffend die Übertragung der Verantwortung an eine andere Person und ist daher als lex specialis anzusehen.

Selbst wenn man davon ausgeht, daß ein Hausverwalter bestellt war, kann der dem Beschuldigten nach § 5 Abs 1 VStG obliegende Entlastungsbeweis nicht allein durch den Nachweis erbracht werden, daß die ihn treffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen worden ist. Dazu bedarf es vielmehr des weiteren Beweises,

daß auch für eine geeignete Kontrolle der beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH v 14.1.1965, Zl 1003/64, v 11.4.1975, Zl 15, 16/75, v 9.10.1979, Zl 2762/78, v 21.9.1980, Zl 2879/80 uva).

Auch wenn man den in der Berufung angedeuteten Versuch einer Konsensschaffung durch den Hausverwalter auf das Tätigwerden des Berufungswerbers (zu seinen Gunsten) zurückführt, dann wäre es erst Recht an ihm gelegen, sich über den Erfolg zu informieren und bei Mißlingen zielführendere Maßnahmen (wie insbesondere die selbständige

Auftragsvergabe) zu ergreifen.

Die Überwachung eines Verwalters umfaßt nämlich nicht bloß die Vergewisserung von dessen Absichten sondern im Falle der Untätigkeit des Verwalters der Ergreifung alternativer Maßnahmen. Hatte der Berufungswerber aber nicht einmal Behauptungen darüber aufgestellt, daß und wie er seiner Pflicht zur Überwachung des Verwalters nachgekommen ist, so scheitert damit der Entlastungsbeweis

betreffend sein Verschulden, deckt sich doch die Behauptungslast nach

Gegenstand und Umfang grundsätzlich mit der Beweislast (VwGH v 30.3.1982, Zl 81/11/0080).

Somit ist die Erfüllung des Tatbestandes in objektiver als auch subjektiver Hinsicht als erwiesen anzusehen, weshalb der Berufung keine Folge zu geben und der erstinstanzliche Schuldspruch zu bestätigen war.

Die Spruchänderung diente lediglich der sprachlichen Klarstellung bzw der richtigen Zitierung der gesetzlichen Rechtsvorschriften.

Zur Strafhöhe:

Gemäß § 135 Abs 1 der Bauordnung in der Fassung LGBl Nr 48/1992 sind Übertretungen dieses Gesetzes mit Geldstrafe bis zu S 300.000,-- oder

mit Freiheitsstrafe bis zu 6 Wochen zu bestrafen.

Durch die Tat hat der Berufungswerber das Interesse an der Erhaltung einer guten Bausubstanz sowie am Schutz von Menschen vor herabstürzenden Hausteilen erheblich beeinträchtigt, dies außerdem über einen längeren Zeitraum hinweg. Der Unrechtsgehalt der Tat ist daher beträchtlich.

Hinsichtlich des Verschuldens wird auf die obigen Ausführungen verwiesen, wobei zu ergänzen ist, daß der Berufungswerber aus seiner beruflichen Stellung heraus die Rechtslage und vor allem den zitierten Bauauftrag kannte und die Instandsetzungsarbeiten dennoch unterließ. Es ist ihm somit ein über die Fahrlässigkeit hinausgehender bedingter Vorsatz vorzuwerfen.

Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen sowie im Hinblick auf die

genannte Strafobergrenze von S 300.000,-- war daher selbst bei Berücksichtigung der bisherigen verwaltunsstrafrechtlichen Unbescholtenheit, sowie unter begünstigender Annahme geringer Einkommens- und Vermögensverhältnisse, sowie Sorgepflichten für mehrere Personen die verhängte Geldstrafe tatangemessen und keineswegs zu hoch.

Demgegenüber war die im Ausmaß etwa eines Viertels der Strafobergrenze verhängte Ersatzfreiheitsstrafe zu hoch bemessen und daher entsprechend herabzusetzen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die vorher genannte Gesetzesstelle.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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