Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied MMag Tessar über die Berufung der Frau Sonja G, vertreten durch Frau Christine M, vom 14.6.1995 gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Mag Bezirksamt fd 4./5. Bezirk, vom 31.5.1995, Zl MBA 4/5-S 5488/94, mit dem gemäß § 6 Abs 2 Rezeptpflichtgesetz, BGBl Nr 413/1972, idF BGBl Nr 363/1990, eine Beschlagnahme verfügt wurde, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben und der Beschlagnahmebescheid behoben.
Die Berufungswerberin hat keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Begründung:
Der erstinstanzliche Bescheid enthält folgenden Spruch:
"Es wird Ihnen zur Last gelegt, folgende Verwaltungsübertretung begangen zu haben:
Sie haben am 9.9.1993 um 19.05 Uhr in Wien, K-platz, rezeptpflichtige Arzneimittel, nämlich 40 Tabl Adipex, 30 Tabl Regenon, 10 Tabl Rohypnol, 30 Tabl Lexotanil, ohne Hersteller, Depositeur oder Arzneimittelgroßhändler zu sein, außerhalb einer Apotheke zur Abgabe bereitgehalten und angeboten.
Zur Sicherung des Verfalls werden folgende Gegenstände in Beschlag genommen:
40 Tabl Adipex, 30 Tabl Regenon, 10 Tabl Rohypnol, 30 Tabl
Lexotanil, ÖS 50,-- Bargeld
Rechtsgrundlage:
§ 6 Abs 2 Rezeptpflichtgesetz, BGBl Nr 413/1972, in der Fassung
BGBl Nr 363/1990."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die von der Sachwalterin der Berufungswerberin Dipl Soz Arb Christine M im Namen der Berufungswerberin fristgerecht eingebrachte Berufung:
In dieser brachte sie im wesentlichen vor, daß die Berufungswerberin schwer medikamentenabhängig sei und immer wieder größere Mengen von Medikamenten von Hausärzten verschrieben bekomme. Diese Medikamente würde sie dann bei sich tragen. Am "Tattag" sei die Berufungswerberin zu ihren Eltern unterwegs gewesen und sei von Polizisten in der K-Passage angehalten worden. Dies würde der Berufungswerberin regelmäßig passieren, da sie polizeibekannt sei und man wisse, daß man bei ihr Medikamente findet.
Weiters wurde vorgebracht, daß die Berufungswerberin an diesem Tag nicht beabsichtigt hatte, die vorgefundenen Medikamente zu verkaufen, sondern daß sie diese Medikamente deshalb bei sich getragen hätte, da sie diese brauchen würde.
Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:
§ 17 Abs 1 VStG lautet:
"Sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, dürfen nur Gegenstände für verfallen erklärt werden, die im Eigentum des Täters oder eines Mitschuldigen stehen oder ihnen vom Verfügungsberechtigten überlassen worden sind, obwohl dieser hätte erkennen müssen, daß die Überlassung des Gegenstandes der Begehung einer mit Verfall bedrohten Verwaltungsübertretung dienen werde."
Gemäß § 17 Abs 3 VStG kann auf den Verfall von Gegenständen selbständig erkannt werden, wenn keine bestimmte Person verfolgt oder bestraft werden kann und die Voraussetzungen dafür vorliegen. Nach § 6 Abs 2 Rezeptpflichtgesetz unterliegen Arzneimittel, die entgegen § 6 Abs 1 Z 2 zur Abgabe bereitgehalten, angeboten oder abgegeben werden, sowie ein aus der Abgabe erzielter Erlös dem Verfall.
Gemäß § 6 Abs 1 Z 2 leg cit begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen, wer ein Arzneimittel entgegen der Vorschrift des § 1 Abs 2 zur Abgabe bereithält, anbietet oder abgibt.
Nach § 1 Abs 2 leg cit dürfen Arzneimittel im Sinne des Abs 1, sofern es sich nicht um die Abgabe durch Hersteller, Depositeure oder Arzneimittelgroßhändler (§§ 57 und 58 des Arzneimittelgesetzes) handelt, nur in Apotheken zur Abgabe bereitgehalten, angeboten oder abgegeben werden.
§ 6 Abs 3 Rezeptpflichtgesetz lautet:
"Wer ein rezeptpflichtiges Arzneimittel außerhalb einer Apotheke erwirbt, ist nicht wegen Anstiftung oder Beihilfe zu einer Übertretung nach Abs 1 Z 2 strafbar; es kann jedoch auf den Verfall des Arzneimittels selbständig erkannt werden."
Gemäß § 39 Abs 1 VStG kann die Behörde bei Verdacht einer Verwaltungsübertretung, für die der Verfall von Gegenständen als Strafe vorgesehen ist, zur Sicherung des Verfalles die Beschlagnahme dieser Gegenstände anordnen.
Die Beschlagnahme nach § 39 VStG ist bereits dann zulässig, wenn auch nur der Verdacht einer mit Verfall bedrohten Übertretung besteht und die Zulässigkeit der Verfallenserklärung des Beschlagnahmungsgegenstandes nicht ausgeschlossen ist. Die Übertretung muß folglich nicht erwiesen sein, da in einem solchen Falle bereits der Verfall ausgesprochen werden kann (vgl VwGH vom 21.6.1989, 89/03/0172).
Eine Beschlagnahme gemäß § 39 Abs 1 VStG setzt aber neben dem Tatbestandsmerkmal des Vorliegens eines Verdachtes hinsichtlich einer Verwaltungsübertretung, für welche der Verfall als Strafe angedroht ist, als weiteres rechtserhebliches Merkmal voraus, daß diese Beschlagnahme zur Sicherung des Verfalls geboten ist. Die Behörde ist daher nach der zitierten Bestimmung nur insoweit zur Beschlagnahme befugt, als diese Maßnahme zur Sicherung des Verfalls für erforderlich erscheint. Aus diesem Grund hätte die erstinstanzliche Behörde im angefochtenen Bescheid jene Gründe darlegen müssen, aus welchen sie sich bestimmt sah, für die Sicherung des Verfalls - insbesondere hinsichtlich des bei der Berufungswerberin vorgefundenen Geldbetrages - vorzusorgen (vgl VwGH vom 21.4.1971, Zl 1139/90).
Bei hypothetischer Außerachtlassung der eingetretenen Verfolgungsverjährung lagen der Verdacht einer Verwaltungsübertretung, für die als Strafe der Verfall von Gegenständen vorgesehen ist, sowie die grundsätzliche Zulässigkeit der Verhängung der Strafe des Verfalls gemäß § 6 Abs 2 Rezeptpflichtgesetz iVm § 17 Abs 1 VStG hinsichtlich der beschlagnahmten Arzneimittel und des beschlagnahmten Geldbetrages im Bescheiderlassungszeitpunkt vor.
Im konkreten Fall war aber zum Bescheiderlassungszeitpunkt die Verhängung der Nebenstrafe des Verfalls gemäß § 6 Abs 2 Rezeptpflichtgesetz iVm § 17 Abs 1 VStG hinsichtlich der beschlagnahmten Gegenstände infolge eingetretener Verfolgungsverjährung nicht mehr zulässig und wurde die eingetretene Verfolgungsverjährung auch von der Erstbehörde festgestellt.
Aus dem Wortlaut des § 6 Abs 3 Rezeptpflichtgesetz ergibt sich, daß der Zweck der Verfallserklärung eines Arzneimittels nach dem Rezeptpflichtgesetz nicht nur in einem Strafzweck, sondern auch in einem Sicherungszweck liegt. Andernfalls wäre nämlich nicht ausdrücklich die Zulässigkeit eines selbständigen Verfalls (§ 17 Abs 3 VStG) hinsichtlich einer im Eigentum einer strafrechtlich nicht belangbaren Person normiert worden.
Nach der herrschenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann auch nach Ablauf der Verjährungsfristen nach § 31 VStG ein Verfall von Gegenständen erklärt werden, wenn der Verfallszweck nicht nur in einer Strafe, sondern auch in einer Sicherungsmaßnahme liegt (vgl zB VwGH 4.4.1990, 89/01/0086; 22.6.1994, 93/01/0517; 24.10.1990,90/03/0152).
Da wie zuvor ausgeführt eine Verfallserklärung nach dem Rezeptpflichtgesetz auch einem Sicherungszweck, nämlich dem der Verhinderung des Gebrauches von rezeptpflichten Arzneimitteln durch eine Person, der diese Arzneimittel nicht verschrieben worden sind bzw bei der die Gefahr besteht, daß sie diese Arzneimittel widmungswidrig (wie zB zusätzlich zur ärztlich verschriebenen Dosis) verwendet, dient, war sohin zum Bescheiderlassungszeitpunkt hinsichtlich der beschlagnahmten rezeptpflichtigen Arzneimittel sowohl deren Verfallserklärung gemäß § 17 Abs 3 VStG als auch deren Beschlagnahme, infolge der offenkundigen Notwendigkeit dieser Maßnahme zur Sicherung des gebotenen Verfalls, zulässig.
Da aber hinsichtlich eines Geldbetrages der zuvor dargelegte Sicherungszweck einer Verfallserklärung nach dem Rezeptpflichtgesetz nicht erreicht zu werden vermag, war hinsichtlich des beschlagnahmten Geldbetrages zum Bescheiderlassungszeitpunkt eine Verfallserklärung gemäß § 17 Abs 3 VStG unzulässig. Eine Verfallserklärung gemäß § 6 Abs 2 Rezeptpflichtgesetz iVm § 17 Abs 1 VStG war infolge eingetretener Verfolgungsverjährung nicht gesetzlich deckbar. Sohin ist aber die im angefochtenen Bescheid verhängte Beschlagnahmung von S 50,-- mangels Zulässigkeit eines - durch diese Beschlagnahmung zu sichernden - Verfalles, als gesetzlich nicht gedeckt anzusehen.
Der Berufung war daher aus folgenden Gründen Folge zu geben:
Nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien ist erstens die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides nicht ausreichend.
Im angefochtenen Bescheid legte die erstinstanzliche Behörde zwar in Ansätzen dar, daß ein Verdacht einer Verwaltungsübertretung vorliege.
Gründe, aus welchen die erstinstanzliche Behörde schloß, daß erstens trotz eingetretener Verfolgungsverjährung eine Verfallserklärung der beschlagnahmten Gegenstände - infolge des Vorliegens der Notwendigkeit des Verfalls dieser Sachen zur Sicherung des gesetzlichen Sicherungszweckes - zulässig ist, und daß zweitens für die Sicherung des Verfalls die Erlassung eines Beschlagnahmebescheides nötig ist, finden sich in dieser Entscheidung jedoch nicht.
Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb zu beheben, weil im verfahrensgegenständlichen Bescheid erstens keine Gründe für die Zulässigkeit einer selbständigen, nach dem Sicherungszweck der Verfallsbestimmung gebotenen Verfallserklärung gemäß § 17 Abs 3 VStG und zweitens keine Gründe für die Notwendigkeit der Sicherung dieses denkbaren Verfalls durch Beschlagnahme der verfallsbedrohten Gegenstände angeführt worden sind (vgl VwGH 21.4.1971, 1139/70).
Zweitens war aus den zuvor bereits angeführten Gründen eine Verfallserklärung, und sohin auch eine Beschlagnahme des im Spruch angeführten Geldbetrages zum Bescheiderlassungszeitpunkt nicht mehr zulässig (vgl VwGH 4.4.1990, 89/01/0086; 22.6.1994, 93/01/0517; 24.10.1990, 90/03/0152).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.