Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Wilfert über die Berufung des Herrn Alois H gegen das Straferkenntnis
des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt fd 10.
Bezirk, MBA 10-S/10089/92, vom 23.11.1992, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Gemäß § 65 VStG hat der Berufungswerber keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Begründung:
1. Das angefochtene Straferkenntnis hat folgenden Spruch:
"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener im Sinne des § 9 Abs 1 VStG 1991 der H & F Gesellschaft mbH zu verantworten, daß von dieser Gesellschaft als Arbeitgeber mit Sitz in Wien, C-gasse (=Tatort), im Rahmen derer Gewerbeberechtigung "Schlosser" mit Standort in Wien, C-gasse, am 9.9.1992, um 14.00 bis 16.00 Uhr, auf der Baustelle in
S,
Veranstaltungszentrum der Stadt P, folgende Ausländer beschäftigt wurden, obwohl der genannten Gesellschaft für diese Ausländer weder eine gültige Beschäftigungsbewilligung erteilt noch diesen Ausländern
eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt worden war.
Z Veroljub, ausländ Staatsbürger
§ 28 Abs 1 Z 1 lit a in Verbindung mit § 3 Abs 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl Nr 218/1975, in der Fassung BGBl Nr 231/88 und BGBl Nr 450/90.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie gemäß § 28 Abs 1 Z 1 lit a leg cit eine Geldstrafe von S 5.000,--, falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen verhängt. Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG 1991) zu zahlen:
S 500,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10 % der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher S 5.500,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."
Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die Berufung vom 14.12.1992, in welcher der Berufungswerber im wesentlichen ausführt, Herr Z Veroljub habe eine gültige Arbeitserlaubnis besessen. Der örtliche Geltungsbereich Wien beziehe sich, laut Auskunft des Landesarbeitsamtes Wien, lediglich auf den Firmensitz, nicht jedoch auf den Montageeinsatzort. Er habe daher als Geschäftsführer der Firma H & F GesmbH keine Verwaltungsübertretung begangen. Mit Schriftsatz vom 16.2.1993 erstattete das Landesarbeitsamt Wien als Partei eine Stellungnahme und beantragte, der Berufung Folge zu geben und das Verfahren einzustellen.
2. Die Berufung ist begründet.
Gemäß § 3 Abs 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt.
Gemäß § 28 Abs 1 Z 1 lit a Ausländerbeschäftigungsgesetz begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§ 4) erteilt noch eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§ 15) ausgestellt wurde, bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von S 5.000,-- bis S 60.000,--, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von S 10.000,-- bis zu S 120.000,--, bei unberechtigter Beschäftigung
von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von S 10.000,-- bis zu S 120.000,--, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von S 20.000,-- bis S 240.000,--.
Gemäß § 14a Abs 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz berechtigt eine Arbeitserlaubnis den Ausländer zur Aufnahme einer Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs 2 in jenem Bundesland, für welches die Arbeitserlaubnis ausgestellt wurde, es sei denn, der Geltungsbereich ist durch eine Verordnung gemäß § 14b eingeschränkt. Unbestritten ist im Berufungsfall, daß für den ausländischen Arbeiter
eine gültige Arbeitserlaubnis für den örtlichen Geltungsbereich Wien ausgestellt worden ist.
Das Landesarbeitsamt als Partei vertritt in seiner Stellungnahme die Rechtsauffassung, daß gemäß Durchführungserlaß zum Ausländerbeschäftigungsgesetz eine kurzfristige (bis zu einer Woche dauernde) Tätigkeit in einem anderen Bundesland ohne ausdrückliche Erweiterung des örtlichen Geltungsbereiches der Arbeitserlaubnis möglich sei. Da eine solche über eine Woche dauernde Beschäftigung in
einem anderen Bundesland nicht nachgewiesen werden könne, läge keine Verwaltungsübertretung vor.
Dieser Rechtsauffassung vermag sich der Unabhängige Verwaltungssenat Wien nicht anzuschließen:
Der vom Landesarbeitsamt Wien genannte (nicht näher bezeichnete) Durchführungserlaß zum Ausländerbeschäftigungsgesetz bietet schon mangels gehöriger Kundmachung im Bundesgesetzblatt keine taugliche Rechtsgrundlage für die Beurteilung der Gesetzmäßigkeit der verfahrensgegenständlichen Beschäftigung. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat bei der Beurteilung des verfahrensgegenständlichen Sachverhaltes die Zulässigkeit der Beschäftigung daher nicht an dem Durchführungserlaß zu messen (vgl zB
VwGH vom 27.9.1994, 92/07/0074 und die dort genannte Vorjudikatur) sondern am Gesetz.
Die vom Landesarbeitsamt Wien vertretene Rechtsansicht ist nun vom Wortlaut der anzuwendenden Bestimmung, nämlich § 14a AuslBG nicht gedeckt. Insbesondere fehlt der Bestimmung über die Voraussetzungen und den Geltungsbereich der Arbeitserlaubnis eine mit § 6 Abs 2 AuslBG vergleichbare Regelung. Der Einsatz des verfahrensgegenständlichen Arbeiters in Niederösterreich hätte daher entweder eine Erweiterung des örtlichen Geltungsbereiches auf dieses Bundesland gemäß § 14a Abs 3 AuslBG aber ungeachtet dieser Arbeitserlaubnis die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für die H & F GesmbH mit einem entsprechenden örtlichen Geltungsbereich vorausgesetzt. Nachdem keine dieser Voraussetzungen vorgelegen ist, fehlt es an einer die Strafbarkeit nach § 28 Abs 1 Z 1 AuslBG ausschließenden Arbeitserlaubnis, da der örtliche Geltungsbereich derselben überschritten war (vgl in diesem Zusammenhang auch VwGH vom 15.9.1994, 94/09/0140).
Dennoch ist der Berufung Folge zu geben:
Die Unkenntnis eines Gesetzes kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl zB VwGH vom 30.11.1981, 81/17/0126,
0127, 0131) als unverschuldet gewertet werden, wenn jemanden die Verwaltungsvorschrift trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist. Dabei muß von einem Geschäftsführer eines Bauunternehmens verlangt werden, daß er sich über die Rechtsvorschrift, die bei der Ausübung der Tätigkeit des Unternehmens zu beachten sind, ausreichend informiert hat. Diese Rechtsprechung gilt in gleicher Weise auch für eine objektiv irrige Auslegung des Gesetzes. Ein Rechtsirrtum bzw das Handeln auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht kann die Annahme eines Verschuldens ausschließen (vgl VwGH vom 29.4.1992, 88/17/0094 und die dort genannte Vorjudikatur). Wie sich nun aus der Stellungnahme des Landesarbeitsamtes unter Hinweis auf den Durchführungserlaß ergibt, hat sich selbst die für die Erteilung von arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen zuständige Behörde auf die nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates im Hinblick auf die Bestimmung des § 6 AuslBG vertretbare Rechtsansicht gestützt, daß auch bei Vorliegen einer Arbeitserlaubnis eine Beschäftigung außerhalb des örtlichen Geltungsbereiches für einen kurzen Zeitraum (eine Woche) keiner Erweiterung des örtlichen Geltungsbereiches oder einer entsprechenden
Beschäftigungsbewilligung bedarf.
Da der Berufungswerber sohin offenkundig in einem, nicht vorwerfbaren, Rechtsirrtum verfangen war, ist die Berufung im Ergebnis begründet und war spruchgemäß zu entscheiden.