TE UVS Steiermark 1995/07/15 30.12-35/97

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.07.1995
beobachten
merken
Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Hütter über die Berufung des Herrn Engelbert Z, wh in M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag vom 27.05.1997, GZ.:

15.1 1994/4993, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung

Folge gegeben das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Die Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag (die belangte Behörde) bestrafte Herrn Engelbert Z laut angeführtem Straferkenntnis wegen folgenden Sachverhalts: Er sei als Geschäftsführer der Firma Engelbert Z mit Sitz in V dafür verantwortlich, daß der bei ihm beschäftigte Lenker Thomas W, geb. 07.02.1968, am 20.10.1994, den LKW mit dem Kennzeichen MZ-3ESA, Anhänger Kennzeichen St 442.322, in Kindberg, auf der L 118, bei Straßenkilometer 48,2, um 16.20 Uhr, gelenkt habe und laut Schaublatt die Lenkzeit an diesem Tag von 04.00 Uhr bis 16.05 Uhr 10 Stunden und 30 Minuten betragen habe, obwohl die höchstzulässige Lenkzeit 10 Stunden nicht überschreiten dürfe. Wegen Verletzung des § 14 Abs 2 AZG wurde aufgrund des § 28 Abs 1 a Z 3 AZG eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzarrest 12 Stunden) verhängt.

Der Beschuldigte berief mit der Begründung, daß eine unzulässige Doppelbestrafung vorliege.

Das Arbeitsinspektorat L als mitbeteiligte Partei äußerte sich mit Schreiben vom 11.07.1997 zustimmend zur beabsichtigten Verfahrenseinstellung.

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark gelangt nach Überprüfung der Berufungssache zu folgendem Ergebnis:

Mit Strafverfügung, GZ.: 15.1 1994/4648, der belangten Behörde vom 05.12.1994 wurde der nunmehrige Berufungswerber als Zulassungsbesitzer bzw. Firmenverantwortlicher dafür bestraft, einem anderen die Regelung einer Verwaltungsübertretung vorsätzlich erleichtert" zu haben, da Thomas W am 20.10.1994, um 16.05 Uhr, den LKW DAF 2805 DKS 475, Kennzeichen MZ- 3ESA, und den Anhänger Schwarzmüller PA 3/E, Kennzeichen St 442.322, auf der L 118, auf Höhe Straßenkilometer 48,8, aus Richtung Kindberg kommend, in Richtung Wartberg, gelenkt habe, obwohl er die erlaubte Tagesgesamtlenkzeit von 10 Stunden um

35 Minuten überschritten gehabt habe. Er habe § 7 VStG i.V.m. § 102 Abs 11 KFG 1967 verletzt. Die verhängte Geldstrafe von S 500,-- wurde laut Ausweis des Verwaltungsaktes am 21.12.1994 vom Beschuldigten bezahlt.

Obwohl in der Sachverhaltsumschreibung von einer "Regelung" einer Verwaltungsübertretung die Rede ist, geht aus der handschriftlichen Verfügung hervor, daß die "Begehung" einer Verwaltungsübertretung gemeint ist.

Zu dieser Bestrafung ist weiters festzustellen, daß § 102 Abs 11 KFG zu Unrecht als verletzte Verwaltungsvorschrift genannt ist, da diese Bestimmung den Lenker nur verpflichtet, den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht auf Verlangen Teile, Ausrüstungs- und Ausstattungsgegenstände des Fahrzeuges zugänglich zu machen.

Tatsächlich verletzt wurde Artikel 6 Abs 1 EWG-VO 3820/85, wonach die Gesamtlenkzeit zwischen zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit 9 Stunden nicht überschreiten darf, jedoch zweimal pro Woche auf 10 Stunden verlängert werden kann.

Bereits in seinem Einspruch vom 09.01.1995 gegen die Strafverfügung der belangten Behörde vom 02.12.1994, GZ.: 15.1 1994/4993, hatte der nunmehrige Berufungswerber vorgebracht, daß er mit Strafverfügung vom 05.12.1994, GZ.: 15.1 1994/4648, mit einer Geldstrafe von S 500,-- wegen Überschreitung der erlaubten Tageslenkzeit am 20.10.1994 durch Herrn W belegt worden sei und diese Strafe bereits zur Einzahlung gebracht habe. Er wies bereits in diesem Einspruch auf eine unzulässige Doppelbestrafung wegen Überschreitung der höchstzulässigen Lenkzeit hin und stellte den Antrag, die Strafverfügung im Punkt

2.) zur Gänze aufzuheben und das Verfahren diesbezüglich einzustellen. Die belangte Behörde führte aber in der Begründung des Straferkenntnisses, GZ.: 15.1 1994/4993, an, daß sie die Ansicht des Beschuldigten nicht teile, da sie zu dem Ergebnis gelangt sei, daß es sich bei der gegenständlichen Tat um eine solche handle, die unter mehrere, einander nicht ausschließende Strafdrohungen falle.

Damit ist die belangte Behörde nicht im Recht. Abgesehen davon, daß in den Verwaltungsakten zwischen dem 30.03.1995 (Aufforderung des Beschuldigten zu einer abschließenden Äußerung) und dem 27.05.1997 (Datum des Straferkenntnisses) kein Verfahrensschritt der belangten Behörde feststellbar ist, verkennt sie mit dieser Rechtsansicht, daß auch im gegenständlichen Fall nicht § 14 Abs 2 AZG, sondern ebenfalls

Artikel 6 Abs 1 EWG-VO 3820/85 verletzt wurde. Das Arbeitsinspektorat L hatte in seiner Anzeige vom 28.10.1994 diese zuletzt genannte Bestimmung - zu Recht - als verletzte Verwaltungsvorschrift bezeichnet. Denn nach § 13 Abs 2 AZG ist die jeweilige Bestimmung (des AZG) im Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 nicht anzuwenden, wenn eine Bestimmung dieses (des vierten) Abschnittes Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr wiederholt oder eine Angleichung durch Kollektivvertrag erfolgt ist. In beiden Verfahren war daher Artikel 6 Abs 1 der EWG-VO 3820/85 verletzt worden.

Obwohl im Verfahren zu GZ.: 15.1 1994/4648 in der Anzeige des Gendarmeriepostens M vom 28.10.1994 darauf hingewiesen wird, der Zulassungsbesitzer Engelbert Z sei verdächtig, den Lenker zu dieser Verwaltungsübertretung angestiftet zu haben, nahm die belangte Behörde, wie angeführt, eine Bestrafung wegen vorsätzlicher "Erleichterung" vor, das heißt, sie verurteilte den Beschuldigten wegen vorsätzlicher Beihilfe. Diese Bestrafung wurde rechtskräftig.

Der Oberste Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 04.10.1949, 2 Os 982/48, SST XX/120, ausgesprochen, daß ein und dieselbe Person wegen der gleichen Tat nicht gleichzeitig als unmittelbarer Täter und als Mitschuldiger im Sinne des § 5 StG schuldig erkannt werden kann. Ein Mittäter habe das Verbrechen lediglich als solcher und nicht gesondert das gleiche Verbrechen als Anstifter nach § 5 StG zu verantworten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Zl. 856/57 vom 18.03.1958 ausgesprochen, daß dieser Grundsatz auch im Verwaltungsstrafrecht Geltung habe und ein und dieselbe Person wegen derselben Tat nicht gleichzeitig als unmittelbarer Täter und als Mitschuldiger bestraft werden könne.

Im vorliegenden Fall hätte somit richtigerweise der Berufungswerber für die Begehung der Tat als unmittelbarer Täter bestraft werden müssen, das heißt, er hätte wegen vorsätzlicher Beihilfe nicht bestraft werden dürfen.

Da aber die Bestrafung wegen vorsätzlicher Beihilfe rechtskräftig geworden ist, kommt nunmehr eine Bestrafung wegen unmittelbarer Täterschaft nicht mehr in Frage, da auch dies dem Grundsatz, daß ein und dieselbe Person wegen derselben Tat nicht gleichzeitig als unmittelbarer Täter und als Mitschuldiger bestraft werden kann, widersprechen würde.

In der Strafverfügung vom 02.12.1994 wurde - den gegenständlichen Sachverhalt betreffend - eine Bestrafung in Höhe von S 1.000,-- ausgesprochen, dies aber - offenbar weil die Strafhöhe wegen Bestrafung des Beschuldigten als Beihilfstäter S 500,-- beträgt - im nunmehrigen Straferkenntnis auf S 500,-- abgeändert. Obwohl somit im Ergebnis die Bestrafung aus der Beihilfstäterschaft und dem Straferkenntnis zusammen nicht höher sein würde als die mit Strafverfügung vom 02.12.1994 ausgesprochene Strafe, gilt der angeführte Grundsatz, da § 7 VStG vorsieht, daß derjenige, der vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, der auf diese Übertretung gesetzten Strafe unterliegt. Es erscheint somit nicht zulässig, die für die Beitragstäterschaft verhängte Strafe von S 500,-- nun mit einer weiteren Strafe von S 500,-- zu "ergänzen", da die Strafdrohung für beide Begehungsarten gleich hoch ist. Das Straferkenntnis war daher aufzuheben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen.

Schlagworte
Arbeitgeber Beihilfe Kumulation Gesamtlenkzeit Rechtskraft Doppelbestrafung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten