Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Mag Engelhart über die Berufung des Herrn Franz K vom 20.11.1992, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 12. Bezirk, MBA 12-S/6245/92, vom 21.10.1992, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Gemäß § 65 VStG hat der Berufungswerber keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Begründung:
1. Das angefochtene Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 21.10.1992 ist gegen den nunmehrigen Berufungswerber als Beschuldigten gerichtet und enthält folgenden Spruch:
"Sie sind als Handlungsbevollmächtigter gemäß § 54 Handelsgesetzbuch
der H GmbH dafür verantwortlich, daß diese Gesellschaft am 29.7.1992
auf der Baustelle in Wien, W-gasse Ausländer, und zwar
Name Art der Beschäftigung Nationalität
L Maksim Maurertätigkeiten Jugoslawien
P Goran Maurertätigkeiten Jugoslawien
beschäftigt hat, obwohl für diese Personen weder eine gültige Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine gültige Arbeitserlaubnis oder ein gültiger Befreiungsschein vom zuständigen Landesarbeitsamt ausgestellt worden ist.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 28 Abs 1 Z 1 lit a in Verbindung mit § 3 Abs 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl Nr 218/1975 in der Fassung BGBl Nr 450/1990
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt: Gemäß § 28 Abs 1 lit a des cit Gesetzes eine Geldstrafe von
S 10.000,--, falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen.
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen: S 1.000,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10% der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher
S 11.000,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d VStG)."
2. Dagegen richtet sich die Berufung des Beschuldigten vom 20.11.1992.
Über das Vermögen der H GesmbH sei vom Handelsgericht Wien im Mai 1992 der Konkurs eröffnet worden. Mit 10.7.1992 seien sämtliche Tätigkeiten eingestellt worden.
Für das Bauvorhaben Wien, W-gasse habe die H GesmbH bis zu diesem Zeitpunkt die Bauführung innegehabt. Jegliche Tätigkeit, welche auf dieser Baustelle nach diesem Zeitpunkt ausgeführt wurde, liege nicht im Tätigkeitsbereich dieses Unternehmens. Insbesondere habe weder die
H GesmbH noch der Berufungswerber die Ausländer beschäftigt, vielmehr
seien die beiden dem Berufungswerber unbekannt.
Das Landesarbeitsamt Wien führte mit schriftlicher Stellungnahme vom 7.1.1993 unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12.12.1989, Zl 88/04/0210, aus, die Verantwortlichkeit nach § 9 Abs 1 VStG beziehe sich nur auf die nach den Statuten der Gesellschaft zur Vertretung nach außen berufenen Organwalter. Darunter seien weder Prokuristen, noch Bevollmächtigte zu verstehen.
Nicht aus dem Akteninhalt ersichtlich und auf Grund der Angabe im Straferkennntnis ("als nach § 54 HGB Bevollmächtigter") auszuschließen sei, daß eine Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 VStG vorliege.
3. Aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt ist im wesentlichen folgendes ersichtlich:
a. Das Landesarbeitsamt Wien hat mit Schriftsatz vom 31.7.1992 unter Anschluß von Beilagen (Bl 2-6/MBA-Akt) die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen des Verdachtes der Übertretung des § 3 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 Z 1 lit a AuslBG durch die Baufirma H & Co beantragt.
Bei einer Kontrolle der Baustelle in Wien, W-gasse am 29.7.1992 seien
die jugoslawischen Staatsangehörigen L Maksim und P Goran ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligung arbeitend angetroffen worden. Dem Strafantrag beigeschlossen ist insbesondere auch ein von einem Herrn I Danko unterfertigtes Schreiben, wonach dieser bestätigt, daß der Ausländer P Goran seit 29.7.1992 bei der Fa H als Bauhelfer beschäftigt ist.
b. Laut Beitragsgrundlagennachweis 1992 (Bl 13/MBA-Akt) war Herr I Danko bis 10.7.1992 bei der Wiener Gebietskrankenkasse aufrecht gemeldet, Dienstgeber: H GesmbH
c. Laut Konkursedikt des Handelsgerichtes Wien vom 6.7.1992, 4 S 93/92-1 (Bl 29/MBA-Akt), wurde über das Vermögen der H GesmbH der Konkurs eröffnet und Herr Dr Alexander S, Rechtsanwalt, als Masseverwalter bestellt.
d. In dem von der Erstinstanz vorgelegten Bezugsakt ist weiters eine Vollmachtsurkunde vom 8.11.1990 (Bl 28/MBA-Akt) enthalten, wonach die
H Gesellschaft mbH, vertreten durch Herrn I Milojko, dem Berufungswerber eine allgemeine und unbeschränkte Vollmacht sowie weiters Handlungsvollmacht gemäß § 54 HGB erteilt hat.
e. Der Magistrat der Stadt Wien hat zur Zahl MBA 12-S/6245/92 mit Ladungsbescheiden vom 18.9.1992 in der Sache das Verwaltungsstrafverfahren gegen Herrn I Milojko "als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als vertretungsbefugtes Organ der H Gesellschaft mbH" (Bl 18-19/MBA-Akt), gegen den nunmehrigen Berufungswerber "als Handlungsbevollmächtigter gemäß § 54
Handelsgesetzbuch der H Gesellschaft mbH" (Bl 20-21/MBA-Akt) und gegen Herrn Dr Alexander S "als Masseverwalter der H Gesellschaft mbH" (Bl 22-23/MBA-Akt) eingeleitet.
Der an Herrn I Milojko gerichtete Ladungsbescheid wurde mit dem Postvermerk "Empfänger verzogen" retourniert. Von der Erstinstanz wurde auf dem Kuvert weiters der Vermerk "stimmt lt Meldeamt per
18.9.92 nach Jugoslawien abgemeldet" angebracht.
Der Berufungswerber hat den an ihn gerichteten Ladungsbescheid nicht behoben.
Herr Dr S hat mit Schriftsatz vom 8.10.1992 mitgeteilt, er habe das Unternehmen der Gemeinschuldnerin per Konkurseröffnung geschlossen. Die beiden Ausländer seien ihm unbekannt und er habe auch keinerlei Tätigkeiten beauftragt. Auch die Baustelle sei ihm nicht bekannt. Mangels Fortbetrieb und mangels jeglicher Anweisung oder Rechtshandlung habe er die Verwaltungsübertretungen nicht zu verantworten.
4. Die Berufung ist begründet.
Gemäß § 9 Abs 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Gemäß § 9 Abs 2 VStG sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere
Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.
Gemäß § 9 Abs 4 VStG kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für
den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können
nur physische Personen nach den Bestimmungen des VStG zur Verantwortung gezogen werden, weil jede Bestrafung ein persönliches Verschulden voraussetzt (VwGH 12.12.1950, Slg 1819 A). Dem österreichischen Strafrecht sind juristische Personen als Normadressaten fremd, sie können nicht in gleicher Weise strafrechtlich verantwortlich gemacht werden wie natürliche Personen (VwGH 24.6.1983, Slg 11098 A).
In § 9 Abs 1 VStG ist deshalb normiert, daß die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit grundsätzlich jeden zur Vertretung nach außen Berufenen trifft, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen oder sofern nicht verantwortliche Beauftragte gemäß § 9 Abs 2 VStG bestimmt sind. Nach dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wurden die beiden Verwaltungsübertretungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz durch die H Gesellschaft mbH begangen; der Berufungswerber wird in seiner Eigenschaft "als Handlungsbevollmächtigter gemäß § 54 Handelsgesetzbuch der H Gesellschaft mbH" für die Begehung dieser Verwaltungsübertretungen durch die GesmbH verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich gemacht. Gemäß § 49 HGB ermächtigt die Prokura zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen,
die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt. Gemäß § 54 HGB erstreckt sich, wenn jemand ohne Erteilung der Prokura
zum Betrieb eines Handelsgewerbes oder zur Vornahme einer bestimmten zu einem Handelsgewerbe gehörigen Art von Geschäften oder zur Vornahme einzelner zu einem Handelsgewerbe gehöriger Geschäfte ermächtigt ist, sich die Vollmacht (Handlungsvollmacht) auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit
sich bringt.
Da das Ausländerbeschäftigungsgesetz keine selbständige Regelung hinsichtlich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit enthält, ist § 9
VStG im Verwaltungsstrafverfahren nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (nicht nur subsidiär) anwendbar (vgl VwGH 21.1.1988, Zl 87/09/0183).
Hinsichtlich der Bestimmung des § 9 Abs 1 VStG hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkannt, daß die frühere Rechtslage, daß unter den zur Vertretung nach außen Berufenen
nur jene (natürlichen) Personen zu verstehen sind, denen diese Befugnis auf Grund der "Verfassung" der juristischen Person (also Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Satzung) zukommt, durch die Novelle BGBl Nr 176/1983 keine Änderung erfahren hat, auch wenn das Wort "satzungsgemäß" entfallen ist (VwGH 18.3.1986, Slg 12079 A). Eine Bevollmächtigung, wozu auch die Prokura gehört, fällt auch weiterhin nicht darunter. Ein Prokurist besitzt nach den §§ 48ff HGB zwar eine umfangreiche Vertretungsmacht, Organstellung kommt ihm jedoch nicht zu, weshalb er nicht zu den zur Vertretung nach außen berufenen Personen iSd § 9 Abs 1 VStG zählt (VwGH 8.10.1992, Zl 90/19/0532). Der Berufungswerber in seiner Eigenschaft als Handlungsbevollmächtigter nach § 54 HGB war daher nicht iSd § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung der H Gesellschaft mbH nach außen berufen, und konnte daher für die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen durch dieses Unternehmen nicht unter Bezugnahme auf diese Bestimmung verwaltungsstrafrechtlich haftbar gemacht werden.
Hinsichtlich der Bestimmung des § 9 Abs 2 und 4 VStG hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, daß das zivilrechtliche Institut der Bevollmächtigung und die im § 9 Abs 2 und 4 VStG geregelte Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten zu unterscheiden sind. Eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Bestellung zum
verantwortlichen Beauftragten ist (ua) die nachweisliche Zustimmung des Betreffenden zu seiner Bestellung, die Erteilung einer Handlungsvollmacht allein begründet noch nicht die Stellung als verantwortlicher Beauftragter (VwGH 22.11.1990, Zl 90/09/0132). Ein Prokurist kann verantwortlicher Beauftragter sein, dies setzt allerdings eine iSd § 9 Abs 2 und 4 VStG rechtswirksame Bestellung für diese Funktion voraus (vgl VwGH 18.3.1986, Slg 12079 A)
Der Berufungswerber, welchem laut Vollmachtsurkunde vom 8.11.1990 Handlungsvollmacht nach §§ 1002 ABG und nach § 54 HGB eingeräumt wurde konnte, da dieser nicht (auch) rechtswirksam iSd § 9 Abs 2 und 4 VStG zum verantwortlichen Beauftragten bestellt wurde (insbesondere
da der Behörde ein Beweismittel über seine nachweisliche Zustimmung zur Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten nicht vorgelegt wurde) daher auch nicht unter Berufung auf diese Bestimmung für die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen durch die H GesmbH strafrechtlich haftbar gemacht werden.
Insgesamt war der Berufungswerber sohin, worauf auch das Landesarbeitsamt Wien als Partei zutreffend hingewiesen hat, nicht iSd § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung der H Gesellschaft mbH nach außen berufen und es war weiters in diesem Verfahren auch nicht von einer iSd § 9 Abs 2 und 4 VStG rechtswirksamen Bestellung des Berufungswerbers zum verantwortlichen Beauftragten auszugehen. Der Berufungswerber war für die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen
durch dieses Unternehmen daher strafrechtlich nicht verantwortlich.
5. Lediglich hingewiesen wird darauf, daß sich aus der Aktenlage ergibt, daß zur Tatzeit bereits der Konkurs über das Vermögen der H Gesellschaft mbH eröffnet war, der Konkursschuldner während des Konkursverfahrens seine Handlungsfähigkeit verliert und der Masseverwalter an seine Stelle tritt (VwGH 18.4.1988, Zl 87/04/0270).
Die Abwälzung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit auf andere Personen ist ohne gesetzliche Grundlage nicht möglich (VwGH 18.11.1971, Slg 8108 A).
Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auch darauf, daß nach dem angefochtenen Straferkenntnis die erstinstanzliche Behörde nicht davon ausgegangen ist, daß die Ausländer vom Berufungswerber in eigener Person (und diesfalls nicht durch die H Gesellschaft mbH) beschäftigt wurden. Auch der Akteninhalt bietet dafür keinen Anhaltspunkt. Vielmehr wurde anläßlich der Baustellenüberprüfung ein (zumindest bis 10.7.1992 bei der H GesmbH gemeldeter) Arbeitnehmer dieses Unternehmens mit den beiden Ausländern arbeitend angetroffen, welcher auch die "Fa H" als Arbeitgeberin nannte, und ergibt sich auch nach Einsichtnahme in den von der Wiener Gebietskrankenkasse übermittelten Beitragsgrundlagennachweis, daß auch nach Konkurseröffnung Arbeitnehmer bei diesem Unternehmen aufrecht beschäftigt waren.
Sohin war spruchgemäß das Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren einzustellen.
Gemäß § 51e Abs 1 VStG wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht durchgeführt.