TE UVS Wien 1995/08/01 02/11/25/95

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Veröffentlicht am 01.08.1995
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Eingestellt durch VwGH Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Leitner über die Beschwerde des Herrn Princewell K, vertreten durch Rechtsanwalt, gemäß § 67a Abs 1 Zi 2 AVG wegen behaupteter rechtswidriger Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehörlicher Befehls- und Zwangsgewalt, iZm mit der Befragung des Beschwerdeführers durch Angehörige der Botschaft seines Heimatstaates entschieden:

Die Beschwerde wird gemäß § 67c Abs 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

Text

Begründung:

I. Der Beschwerdeführer brachte am 1.12.1994 über seine ausgewiesene Vertretung die Beschwerde beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien ein, in welcher er im wesentlichen ausführt, daß er im Polizeigefangenenhaus Wien-Ost zur Verfügung der Bezirkshauptmannschaft N Schubhaft sich befunden habe, als am 20.3.1995 gegen 11.00 Uhr Angehörige der Sudanesischen Botschaft zu ihm vorgelassen worden wären. Zu diesem Zeitpunkt war ein Vertreter des Beschwerdeführers, Herr Markus H, anwesend. Der Beschwerdeführer hatte bereits vor dem Asylamt in E mitgeteilt, er wolle keinen Kontakt mit Vertretern der sudanesischen Behörde; ungeachtet dessen, waren die Botschaftsangehörigen zu ihm vorgelassen worden und wäre der Beschwerdeführer eine halbe Stunde gegen seinen Willen befragt worden.

Zur Zuständigkeit führt der Vertreter des Beschwerdeführers aus, dieser Verwaltungsakt dürfe der Behörde zuzurechnen sein, die das Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen habe, der Verwaltungsakt wurde jedoch im Zuständigkeitsbereich des Vewaltungssenates Wien gesetzt. Dadurch, daß der Beschwerdeführer bereits auf den Umstand hingewiesen hatte, daß er keinen Kontakt mit der diplomatischen Vertretung seines Heimatlandes wünsche und durch das Auftreten der Botschaftsangehörigen das Gespräch mit seinem Vertreter Herrn Markus H unterbrochen worden war, wurde essentialer und faktischer Zwang auf ihn ausgeübt, wogegen er sich nunmehr zur Wehr setzt. Unter Verweis auf § 53c Abs 5 VStG bringt der Beschwerdeführer vor, daß ein Häftling Besuch empfangen darf, nicht aber muß. Die Zulässigkeit von "zwangsweisen Besuchen" bedürfte demnach einer gesetzlichen Anordnung, sollte die bekämpfte Amtshandlung rechtmäßig gewesen sein. Darüberhinaus wird auf den Umstand hingewiesen, daß der Verkehr mit ausländischen Vertretungsbehörden gemäß der Bestimmungen des Bundesministeriengesetzes überhaupt nicht in den Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Inneres fällt, sondern in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten, weshalb das Verwaltungshandeln an sich schon mit Rechtswidrigkeit behaftet sei. Es wird der Antrag gestellt, die zwangsweise Vorführung des Beschwerdeführers vor Vertreter der Sudanesischen Botschaft für rechtswidrig zu erklären und den Bund als Rechtsträger der belangten Behörde zum Kostenersatz von S 8.453,-- für Schriftsatzaufwand und Bundesstempelmarken zu verpflichten.

II. Unter Zugrundelegung des Beschwerdevorbringens, wird der im Beschwerdeschriftsatz geschilderte Sachverhalt als erwiesen angenommen, insbesondere der bekämpfte Umstand, daß der Beschwerdeführer während der Schubhaft aus seiner Sicht ungewollt Besuch empfangen mußte.

III. 1. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat hiezu aus rechtlicher Sicht erwogen:

Die Beschwerde ist unzulässig.

Gemäß § 67a Abs 1 Z 2 AVG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

Die Regelungen über die sogenannte Maßnahmenbeschwerde dienen - wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont (vgl zB VwGH vom 29.6.1992, 91/15/0147, und die dort zitierte Vorjudikatur) - nur der Schließung einer Lücke im Rechtschutzsystem, nicht aber der Eröffnung einer Zweigleisigkeit für die Verfolgung ein- und desselben Rechtes.

Was in einem Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, kann daher nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde sein (vgl auch VwSlg 9461 A/1977).

Insoweit im § 46 Abs 1 Fremdengesetz im Zusammenhalt mit den zitieren Haftbestimmungen von der "ersuchenden Behörde" im Gesetz gesprochen wird, ist zweifellos - im Sinne der besonderen Zuständigkeitsregel des Fremdengesetzes bei Schubhaftsüberprüfungsverfahren - jene Behörde zu verstehen, welche die Schubhaft angeordnet hat.

Belangte Behörde kann demnach im gegenständlichen Verfahren nur die Bezirkshauptmannschaft N sein.

Gemäß der Bestimmungen des Fremdengesetzes, BGBl Nr 838/92 (§ 51 f) hat, wer gemäß den Bestimmungen des Fremdengesetzes festgenommen oder angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen. Zur Entscheidung über die Beschwerde ist der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde.

Da sich der Beschwerdeführer nicht gegen die Festnahme oder Anhaltung nach dem Fremdengesetz wendet, konnten die speziellen Bestimmungen nach dem Fremdengesetz nicht greifen, weshalb nach den Bestimmungen des § 67a Abs 1 Z 2 im Zusammenhalt mit § 67c Abs 1 AVG der Unabhängige Verwaltungssenat des örtlichen Sprengels Wien über die als Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bekämpfte Amtshandlung abzusprechen hat. Gemäß § 47 Abs 4 Fremdengesetz gilt aber für die Durchführung der Schubhaft eine eigene Hausordnung; diese vom Bundesminister für Inneres zu BGBl Nr 840/92 erlassene Hausordnung, verweist im § 7 leg cit auf die Polizeigefangenenhausordnung, BGBl Nr 566/88. Desweiteren verweist § 47 Abs 1 Fremdengesetz auf die unmittelbare Anwendung des § 53c Abs 1 bis 5 VStG für Angehaltene, welche in Hafträumen einer Bezirksverwaltungs- oder Bundespolizeibehörde angehalten werden, mit Ausnahme jener Bestimmungen, die wegen ihrer Ausrichtung auf den Vollzug von Verwaltungsfreiheitsstrafen dem Sicherungszweck der Schubhaft entgegenstehen.

Die Polizeigefangenenhaus-Hausordnung regelt Rechte und Pflichten der Häftlinge, insbesondere sind Häftlinge unter Achtung der Menschenwürde mit möglichster Schonung der Person anzuhalten. Ihnen dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die durch Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Polizeigefangenenhaus notwendig und mit einer Freiheitsentziehung üblicherweise verbunden sind (§ 4 Abs 1 der Verordnung). Gemäß § 23 Abs 1 dieser Bestimmung sind Beschwerden wegen Verletzung der dem Häftling aus der Hausordnung erwachsenden Rechte, vom Häftling dem Kommandanten vorzutragen oder schriftilch mitzuteilen. Richtet sich die Beschwerde gegen Aufsichtsorgange, so hat hierüber der Kommandant zu entscheiden. Richtet sie sich gegen eine von ihm oder vom Arzt getroffene Maßnahme oder Entscheidung und hilft er der Beschwerde nicht selbst ab, so ist sie der Behörde vorzulegen. Diese hat, außer bei Beschwerden über vom Arzt getroffene Maßnahmen, mit Bescheid zu entscheiden (§ 23 Abs 2 der Bestimmung).

§ 53c Abs 1 bis 5 VStG lauten:

"(1) Häftlinge dürfen ihre eigene Kleidung tragen und sich, ohne dazu verpflichtet zu sein, angemessen beschäftigen. Sie dürfen sich selbst verköstigen, wenn dies nach den verfügbaren Einrichtungen weder die Aufsicht und Ordnung beeinträchtigt noch unverhältnismäßigen Verwaltungsmehraufwand verursacht. Sie sind tunlichst von Häftlingen, die nach anderen Bestimmungen als nach diesem Bundesgesetz angehalten werden, männliche Häftlinge jedenfalls von weiblichen Häftlingen, getrennt zu halten.

(2) Häftlinge sind in einfach und zweckmäßig eingerichteten Räumen mit ausreichendem Luftraum und genügend Tageslicht unterzubringen. Die Hafträume sind gut zu lüften und in der kalten Jahreszeit entsprechend zu heizen. Bei Dunkelheit sind sie außerhalb der Zeit der Nachtruhe so zu beleuchten, daß die Häftlinge ohne Gefährdung des Augenlichtes lesen und arbeiten können. Es ist dafür zu sorgen, daß die Häftlinge Vorfälle, die das unverzügliche Einschreiten eines Aufsichtsorgans erforderlich machen könnten, diesem jederzeit zur Kenntnis bringen können.

(3) Ihr Briefverkehr darf nicht beschränkt, sondern nur durch Stichproben überwacht werden. Schriftstücke, die offenbar der Vorbereitung oder Weiterführung strafbarer Handlungen oder deren Verschleierung dienen, sind zurückzuhalten. Geld- oder Paketsendungen sind frei. Pakete sind in Gegenwart des Häftlings zu öffnen. Sachen, die die Sicherheit und Ordnung gefährden können, sind ihm jedoch erst bei der Entlassung auszufolgen, sofern sie nicht wegen ihrer Beschaffenheit vernichtet werden müssen.

(4) Häftlinge dürfen innerhalb der Amtsstunden Besuche empfangen, soweit dies unter Berücksichtigung der erforderlichen Überwachung ohne Gefährdung der Sicherheit und Ordnung sowie ohne Beeinträchtigung des Dienstbetriebes möglich ist.

(5) Der Brief- und Besuchsverkehr von Häftlingen mit inländischen Behörden und Rechtsbeiständen sowie mit Organen, die durch für Österreich verbindliche internationale Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte eingerichtet sind, darf weder beschränkt noch inhaltlich überwacht werden. Das gleiche gilt für den Verkehr ausländischer Häftlinge mit diplomatischen und konsularischen Vertretern ihres Heimatstaates."

Im Beschwerdefall hätte daher der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Rechte nach § 20 der Polizeigefangenenhaus-Hausordnung, eine Beschwerde gemäß § 23 der vorhin zitierten Bestimmung einzubringen gehabt. Für die hier erhobene Maßnahmenbeschwerde besteht daher nach Auffassung des Unabhängige Verwaltungssenates Wien von vornherein kein Raum (siehe hiezu insbesondere VwGH vom 16.9.1992, 92/01/0713; dort ging es um die Möglichkeit der Einbringung einer Beschwerde wegen Verweigerung einer ärztlichen Betreuung während eines Strafvollzuges in einem Verfahren nach den §§ 120 ff Strafvollzugsgesetz).

III. 2. Insoweit der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde die rechtswidrige "Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt" in Form des Besuches von Angestellten der Botschaft seines Heimatlandes bekämpft, war die Beschwerde auch aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist Voraussetzung für die Qualifikation einer faktischen Amtshandlung, daß diese Amtshandlung ein behördliches Handeln im Rahmen der der Behörde zustehenden Befehls- und Zwangsgewalt darstellt, das heißt, daß dieser Amtshandlung in irgendeiner Form eine rechtsfeststellende oder rechtserzeugende Wirkung beigemessen werden kann, es sich also um einen gegen eine individuell bestimmte Person gerichteten Verwaltungsakt handelt (VfSlg 7346 ua).

Im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Zl 91/03/0253 vom 25.3.1992 oder 93/03/0251 vom 19.1.1994 sowie VwSlg 9439A ua) ist aber das Wesen einer unmittelbaren verwaltungsbehördlichen faktischen Maßnahme, daß es sich um ein behördliches Einschreiten handelt, das bereits als solches im Bereich des Faktischen seine Auswirkung zeigt (Unmittelbarkeit!), ohne daß es hiezu weiterer Tathandlungen bedürfe. Besonders Handlungen im Bereich der schlichten Hoheitsverwaltung, wie etwa eine Aufforderung nach § 5 Abs 2 StVO oder § 102 Abs 5 lit a KFG, respektive Vollstreckungshandlungen, erfüllen nicht den Eingriffscharakter (VwGH vom 19.3.1990, z. Zl 89/12/0036). Das Wesen einer faktischen Amtshandlung liegt nicht nur in einem verfahrensfreien behördlichen Akt, sondern in der unmittelbaren Anwendung von physischem Zwang bzw der unmittelbaren Befolgung eines Befehles (vgl hiezu insbesondere die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes zu VfSlg 4696, 7509, 7829, 8146). Dem gegenständlichen Beschwerdegegenstand ermangelt es sohin dem Merkmal des Vorliegens unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- oder Zwangsgewalt.

Die Beschwerde war demnach insgesamt als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte
Hausordnung für Schubhaft
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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