Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch Dr Suchomel als Vorsitzenden, Dr Grünstäudl als Berichter und Mag Cordes als Beisitzer über die Berufung der Frau Elfriede R vom 22.3.1995 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 13./14. Bezirk, vom 22.2.1995, Zahl MBA 13/14 - S 987/94, wegen Übertretung des § 129 Abs 10 der Bauordnung für Wien, LGBl für Wien Nr 11/1930, iddgF, nach durchgeführter Berufungsverhandlung entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung gegen die Strafhöhe insoferne Folge gegeben, als die Geldstrafe von S 15.000,-- auf S 10.000.--, herabgesetzt wird und die Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage beträgt. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens wird gemäß
§ 64 Abs 2 VStG mit S 1.000,-- festgesetzt.
Der Berufungswerberin wird gemäß § 65 VStG kein Beitrag zu den Kosten
des Berufungsverfahrens auferlegt.
Begründung:
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde über die Berufungswerberin wegen
Übertretung der Vorschrift des § 129 Abs 10 der Bauordnung für Wien eine Geldstrafe von S 15.000,-- verhängt, da sie mehrere im Straferkenntnis näher genannte Abweichungen von den Bauvorschriften in einem in ihrem Eigentum befindlichen Haus, für die eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt wurde, in der Zeit zwischen 17.10.1990 und 24.1.1994 nicht beseitigen ließ.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung wendet die Berufungswerberin im wesentlichen ein, die konsenswidrigen Bauführungen seien in einem Geschäftslokal durch den dortigen Bestandnehmer, Manfred M erfolgt. Gegen diesen sei sie in verschiedensten gerichtlichen Verfahren mit Klage und Kündigung vorgegangen, sodaß ihr ein Verschulden nicht anzulasten sei.
In der mündlichen Berufungsverhandlung vom 9.8.1995 zog die Berufungswerberin sodann ihre Berufung hinsichtlich der Schuldfrage zurück, wodurch das Straferkenntnis diesbezüglich in Rechtskraft erwuchs.
Hinsichtlich der Strafhöhe wurde erwogen:
Ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu S 100.000,-- für den Tatzeitraum 17.10.1990 bis 30.11.1992 sowie einer Strafobergrenze von
S 300.000,-- für die Tatzeit seit dem 1.12.1992 (Novelle zur Wiener Bauordnung, LGBl Nr 48/1992) ist eine Herabsetzung der Strafe aus folgenden Gründen geboten:
Durch die Tat hat die Berufungswerberin zwar das Interesse an der Beseitigung konsensloser Bauten nicht unbeträchtlich verletzt, weshalb der Unrechtsgehalt nicht geringfügig war.
Hinsichtlich des Verschuldens wurde jedoch in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 9.8.1995 anhand dort verlesener insgesamt sechs Gerichtsakten ermittelt, daß die Berufungswerberin bereits beginnend mit 18.10.1990 Räumungsklagen und Aufkündigungen gegen den Mieter Manfred M erhob, die letztendlich in einen Räumungsvergleich und eine zwangsweise Räumung jenes Geschäftslokales mündeten, in welchem die gegenständlichen Konsenswidrigkeiten bestanden. Erwiesen ist damit, daß die Berufungswerberin nicht unerhebliche Anstrengungen unternahm, um eine Räumung des Geschäftslokales und damit die Möglichkeit zur Beseitigung der Konsenswidrigkeiten zu erlangen.
Dennoch muß ihr vorgehalten werden, daß sie nicht alles in ihrer Macht stehende und ihr zumutbare unternommen hat, um die Konsenswidrigkeiten zu beseitigen.
So hat sie insbesonders die Möglichkeit, sich zwangsweise Zugang zu gegenständlichem Geschäftslokal zu verschaffen und dieses entsprechend dem bestehenden Konsens so verändern, nicht ergriffen. Gemäß § 8 Abs 2 Mietrechtsgesetz hat nämlich der Hauptmieter das Betreten des Mietgegenstandes durch den Vermieter oder die von diesem
beauftragten Personen aus wichtigen Gründen zu gestatten. Er hat die vorübergehende Benützung und die Veränderung seines Mietgegenstandes zuzulassen, wenn und soweit ein solcher Eingriff in das Mietrecht zur
Behebung ernster Schäden des Hauses im Mietgegenstand notwendig oder zweckmäßig ist (§ 8 Abs 2 Z 1 MRG). Da entsprechend der höchstgerichtlichen Judikatur sogar die Durchführung von Erhaltungsarbeiten in den Mietgegenständen den Zutritt zum und die Veränderung des Mietgegenstandes gestatten (vgl Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht, 19. Auflage, Randzahl 8 zu § 8 Mietrechtsgesetz, Seite
79) wäre es an der Berufungswerberin gelegen, von dieser Möglichkeit im außerstreitigen Verfahren zum Zwecke der Beseitigung der Konsenswidrigkeiten Gebrauch zu machen und einen diesbezüglichen Antrag zur zwangsweisen Durchsetzung gemäß § 37 Abs 1 Z 5 MRG beim Bezirksgericht einzubringen.
Daß die Berufungswerberin diese Möglichkeit nicht ausgeschöpft hat, ist ihr insbesondere aufgrund ihrer vorauszusetzenden Kennnisse des Mietrechtes (sie ist lt Berufungsschreiben gleichzeitig Gebäudeverwalterin) anzulasten. Aber auch als Hauseigentümerin kann sie sich nicht auf die Unkenntnis der diesbezüglichen Vorschriften berufen, weil von ihr in dieser Eigenschaft verlangt werden muß, daß sie sich über die für sie in Betracht kommenden Rechtsvorschriften ausreichend unterrichtet (vgl dazu die in Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften angeführte Judikatur zu § 135 der Wiener Bauordnung, Seite 563).
Wenngleich die Berufungswerberin - wie oben ausgeführt - zahlreiche gerichtliche Schritte zur Aufkündigung des Bestandverhältnisses mit dem Mieter M gesetzt hat, so ist doch zu berücksichtigen, daß dies immer nur aus dem Grund der unterlassenen Mietzinszahlungen erfolgte.
Sie hat aber verabsäumt, eine Aufkündigung nach § 30 Abs 2 Z 3 des Mietrechtsgesetzes wegen erheblich nachteiligen Gebrauches vom Mietgegenstand angesichts der konsenslosen Bauführungen einzubringen,
welche den gewünschten Erfolg der Räumung des Mietlokales, wäre die Aufkündigung rechtzeitig eingebracht worden, schneller herbeiführen hätte können.
Unter all diesen Gesichtspunkten ist der Berufungswerberin damit zusammenfassend vorzuhalten, daß sie als Hauseigentümerin und gleichzeitige Verwalterin nicht alles in ihrer Macht stehende und ihr
zumutbare unternommen hat, um die konsenswidrigen Bauführungen rechtzeitig zu beheben.
Unter Beachtung nicht unerheblicher Vermögensverhältnisse sowie eines
überdurchschnittlichen Einkommens war daher - unter gleichzeitiger Anerkennung der von der Berufungswerberin dennoch gesetzten gerichtlichen Schritte - eine Herabsetzung der Geldstrafe auf S 10.000,-- tatangemessen, wobei eine weitere Herabsetzung insbesondere
im Hinblick auf den langen Tatzeitraum nicht in Betracht kam. Die gleichen Erwägungen führten zu einer entsprechenden Herabsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe.
Somit war spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die angeführten Gesetzesstellen.