Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Grünstäudl über die Berufung der Frau Thea M vom 3.4.1995 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 2. Bezirk, vom 9.3.1995, Zahl MBA 2 - S 4016/94, wegen Übertretung des § 129 Abs 10 der Bauordnung für Wien, LGBl Nr 11/1930, iddgF, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung am 25.9.1995 entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung insoweit Folge gegeben, als die angelastete Tatzeit in der Tatumschreibung des Straferkenntnisses
richtig " 23.6.1993 bis 9.2.1994" zu lauten hat.
Hingegen wird der Berufung gegen die Strafhöhe keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich bestätigt. Gemäß § 65 VStG hat die Berufungswerberin daher keinen Beitrag zu den
Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Begründung:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin angelastet:
"Sie haben in der Zeit vom 5.11.1992 bis 9.2.1994 als Miteigentümerin
des Hauses in Wien, P-straße insoferne Abweichungen von den Bauvorschriften nicht behoben und den vorschriftswidrigen Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt wurde, nicht beseitigt, als Sie es unterlassen haben:
1) die ohne baubehördliche Bewilligung vorgenommenen baulichen Änderungen (Errichtung und Abtragung von Scheidewänden, Herstellung bzw Abmauerung von Türdurchbrüchen) in den Lokalen und Lagerräumen im
Erdgeschoß rechts neben dem Hauseingang; im linken Seitentrakt im 1. Hof sowie im linken Teil des Mitteltraktes beseitigen und den konsensmäßigen, der gültigen Baubewilligung entsprechenden Zustand wieder herzustellen und zudem
2) die ohne Genehmigung ausgewechselten zwei Fenster im linken Seitentrakt im 1. Hof auszubauen und diesen Bereich der Hoffassade dem ursprünglichen Zustand entsprechend wieder zu errichten.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 129 Abs 10 der Bauordnung für Wien, LGBl Nr 11/1930, in der derzeit
geltenden Fassung.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe
verhängt:
Geldstrafe von Schilling S 2.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden gemäß § 135 Abs 1 des zitierten Gesetzes.
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG 1991) zu zahlen:
S 200,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens ds 10 % der Strafe."
In ihrer dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung bestätigt die Berufungswerberin, als Miteigentümerin des genannten Hauses aufgefordert worden zu sein, innerhalb von 3 Monaten ab Zustellung des Bauauftrages vom 30.9.1992 die in Rede stehenden konsenslosen Gebäudeänderungen rückgängig zu machen und den konsensgemäßen Zustand
wieder herzustellen.
Die Berufungswerberin wandte jedoch ein, sie sei während des ihr angelasteten Tatzeitraumes nicht untätig geblieben, sondern habe (da sie die ihr zur Nutzung überlassenen Räumlichkeiten des gegenständlichen Objektes offensichtlich vermietet habe) den Mieter ihrer Räumlichkeiten wegen der Vornahme der konsenswidrigen Arbeiten gerichtlich gekündigt. Dem ist schon vorweg entgegenzuhalten, daß die
Berufungswerberin - wie ihr Vertreter in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 21.9.1995 bestätigte - insoweit einem Irrtum
unterlag, als es sich bei den von ihr genannten vermieteten Räumlichkeiten nicht um die verfahrensgegenständlichen handelt, sodaß
ihr Vorbringen über die gegen den Mieter ergriffenen Maßnahmen (insbesondere die gerichtliche Kündigung beim BG Donaustadt) am Gegenstand des Berufungsverfahrens vorbeigeht.
Die Berufungswerberin bringt weiters vor, sie habe um Fristerstreckung betreffend die ihr aufgetragenen Wiederherstellungsmaßnahmen behördlich ersucht, worüber jedoch noch nicht rechtskräftig entschieden wurde.
Was die Verpflichtung zur Vornahme der Rückbauten im Hof betreffe, so
sei diesbezüglich die ausschließlich nutzungsberechtigte G-GesmbH für
die Wiederherstellung des konsensgemäßen Zustandes verantwortlich. Auch sei die Berufungswerberin nach wie vor in Verhandlungen mit den übrigen Miteigentümern zur Erzielung der Zustimmungserklärungen zur baurechtlichen Bewilligung der gegenständlichen Umbauten, worüber ein
Zivilrechtsverfahren beim Landesgericht für ZRS Wien anhängig sei. Die Berufungswerberin habe dadurch jedenfalls sämtliche ihr zumutbaren Schritte ergriffen, sodaß sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift des § 129 Abs 10 der Wr Bauordnung kein Verschulden treffe.
Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat Wien nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung vom 21.9.1995 sowie nach Beischaffung der Akten Zl 23 C 1228/94a des BG Donaustadt und Zl 9 Cg
80/94i des Landesgerichtes f ZRS Wien festgestellt:
Die Berufungswerberin war im gegenständlichen Tatzeitraum (schlichte)
Miteigentümerin an dem in Rede stehenden Haus. Sie hatte an den verfahrensgegenständlichen Räumlichkeiten (zu welchen, wie bereits ausgeführt, die von ihr vermieteten Räumlichkeiten nicht zählen) keine Nutzungsrechte.
Zur genannten Zahl des LG für ZRS Wien war die Berufungswerberin Beklagte (und nicht wie von ihr vorgebracht Klägerin) auf Wiederherstellung des konsensgemäßen Zustandes.
Seitens der Berufungswerberin blieb unbestritten, daß für die in Rede
stehenden baulichen Änderungen im Tatzeitraum eine Baubewilligung nicht vorlag.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat von Amts wegen darüberhinaus festgestellt, daß ein Ansuchen um Erteilung der Baubewilligung am 12.11.1992 bei der Baubehörde eingebracht wurde, hierüber mit Bescheid der Baubehörde vom 3.3.1993, Zl MA 37/P-straße/4487/92 abgesprochen wurde und die Baubewilligung in der Folge durch den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 26.5.1993, Zl MD-VfR - B II - 10/93 rechtskräftig (Zustellung am 22.6.1993) versagt wurde.
Hieraus ergibt sich in rechtlicher Hinsicht:
Gemäß § 129 Abs 10 der Bauordnung für Wien sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben und es ist der vorschriftswidrige Bau, für
den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen.
Dieser Auftrag richtet sich an den Eigentümer (sämtliche Miteigentümer), da nur diese(r) ihn zu befolgen in der Lage ist (sind) und zwar unabhängig davon, wer die Herstellung eigenmächtig vorgenommen hat (vgl VwGH vom 11.12.1990, Zl 88/05/0227, 0228 sowie VwGH vom 19.4.1983, Zl 83/05/0017, 0018).
Zu beachten ist hiebei aber, daß die Nichtbeseitigung eines Bauwerkes, für welches eine nachträgliche Baubewilligung nicht erteilt wurde, ein Unterlassungsdelikt darstellt und während der Anhängigkeit eines Ansuchens um Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung eine Bestrafung nicht zulässig ist (vgl das Erkenntnis
eines verstärkten Senates des VwGH vom 14.10.1969, Slg 7657/A sowie vom 18.6.1981, Zl 88/05/0167 ua).
Hieraus folgt die spruchgemäße Einschränkung des Tatzeitraumes auf die Zeit nach dem anhängigen Baubewilligungsverfahren, der Gegenstand
einer rechtzeitigen Verfolgungshandlung war.
Demgegenüber können jedoch Bemühungen der Berufungswerberin, eine Zustimmungserklärung der Miteigentümer zu einem neuerlichen Bauansuchen zu erwirken, ihre Schuldlosigkeit nicht begründen. Für jene Zeit, in der die Baubewilligung nicht erteilt war und ein Bauansuchen nicht anhängig war, traf die Berufungswerberin die - nach
ihren eigenen Angaben ihr bekannte - Verpflichtung zur Wiederherstellung des konsensgemäßen Zustandes. Es lag daher in ihrer
Verantwortung, alle ihr rechtlich möglichen Maßnahmen zu setzen, um diesen gesetzmäßigen Zustand wieder herbeizuführen. Da die Berufungswerberin als (schlichte) Miteigentümerin nach ihren eigenen Angaben keine Nutzungsrechte, hingegen die Miteigentümerin G sämtliche Nutzungsrechte an den gegenständlichen Räumlichkeiten hatte
(was die Berufungsbehörde auch angesichts des Umstandes für erwiesen hält, daß Antragstellerin des obgenannten Bauansuchens die Bauwerberin G-GesmbH war), lag es an der Berufungswerberin, den nutzungsberechtigten Miteigentümer G dazu zu verhalten, den konsensgemäßen Zustand wiederherzustellen.
Dazu wäre ihr auch als Minderheitseigentümerin die Möglichkeit offen gestanden, im Rechtsweg mittels Klage die Beseitigung der baulichen Änderungen und die Wiederherstellung des früheren Zustandes gegenüber
dem die Veränderung herbeiführenden Miteigentümer zu erwirken (siehe dazu Würth in Rummel, ABGB, Randzahl 1, zu § 13 WEG sowie OGH vom 3.3.1987, Zl 5 Ob 24/87 ua).
Da die Berufungswerberin aber weder im obzitierten Gerichtsverfahren vor dem LG für ZRS Wien noch ihrem eigenen Verhandlungsvorbringen zufolge sonst einen solchen rechtlichen Schritt unternahm, hat sie die Verwirklichung des Tatbestandes auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.
Angemerkt sei, daß es belanglos ist, ob die Berufungswerberin einen Fristerstreckungsantrag hinsichtlich der ihr mit Bauauftrag vorgeschrieben Maßnahmen eingebracht hat, zumal die gegenständliche Wiederherstellungspflicht direkt auf § 129 Abs 10 der Wr Bauordnung beruht und somit von einem Bauauftrag, der lediglich die Grundlage für eine Ersatzvornahme darstellt, unabhängig ist.
Hinsichtlich der Strafhöhe wurde erwogen:
Ausgehend von einer Strafobergrenze von S 300.000,-- gemäß § 135 Abs 1 der Wiener Bauordnung war neben dem bereits begründeten Verschulden
der nicht unerhebliche Unrechtsgehalt der Tat, der in einer nicht geringfügigen Verletzung des öffentlichen Interesses an der Beseitigung konsenswidriger Bauten über einen längeren Zeitraum hinweg bestand, zu berücksichtigen.
Die Strafbemessung der Behörde erster Instanz erscheint schon angesichts dieser Strafzumessungsgründe ungewöhnlich milde, sodaß auch bei Berücksichtigung unterdurchschnittlicher Einkommensverhältnisse, nicht unerheblicher Vermögensverhältnisse (Eigentum am gegenständlichen Haus) sowie des Fehlens von Sorgepflichten als auch der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit der Berufungswerberin eine Herabsetzung der Strafe trotz Einschränkung des Tatzeitraumes nicht in Betracht kam. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die angeführte Gesetzesstelle.